GZ_Doelsach_2020_02

Seite 44 Dölsacher Dorfzeitung Februar 2020 „ihn“ dann zum ersten Mal, den imposanten, freiste- henden MuztaghAta in seiner vollen (weißen) Pracht. Wir konnten im Profil die lange, gleichmäßig ge- neigte Westflanke des Berges erkennen, entlang wel- cher wir auf der Normalroute den Berg besteigen wollten. Bald war der letzte „zivilisierte Ort“ unserer Anreise erreicht. Von nun an folgten über einen Monat lang nur mehr Nächte, welche wir in Zelten mit Schlafsäcken verbrachten. Wir blieben zwei Tage und Nächte auf dieser Höhe und erstiegen u. a. einen kleinen 4.000er-Gipfel als Akklimatisierungsberg. Tags darauf marschierten wir dann hinter zehn vollbepackten Kamelen als kleine Karawane in Richtung Basislager, welches auf ca. 4.500 m lag. Unsere Zelte im Basecamp mussten uns nun für die nächsten Wochen als neues „Zuhause“ dienen. Im Basislager waren neben unserer österrei- chisch-deutschen Gruppe noch andere (chinesische, koreanische, spanische und französische) Expediti- onsgesellschaften präsent. Das Basislager liegt an der Randmoräne dieses riesi- gen Gletscherberges, die Zelte stehen hier somit nicht auf Schnee- bzw. Eisflächen, sondern es müssen vor demAufstellen sehr steinige Flächen händisch begra- digt werden. Im Basislager erfolgte zwar „westlich orientierte Vollverpflegung“, die Art der Nahrungszu- bereitung (fettreich und scharf) hat jedoch bei einigen der europäischen Aspiranten „abdominelle“ Be- schwerden (Durchfälle) verursacht. Die ersten Tage im Basislager verbrachten wir mit Essen, Trinken, Ruhen und mit Vorbereitung und Sor- tierung der Ausrüstung für den weiteren Aufstieg in die Höhenlager. Besonders wichtig für eine gute und komplikationsarme Höhenakklimatisierung ist es, immer wieder und auch ausgedehnt „Ruhezeiten“ ein- zuhalten. „Anpassungsstrategien“ am Berg haben nämlich nicht das Ziel die Akklimatisation zu be- schleunigen, sondern sie sollen das Risiko einer schweren Höhenkrankheit (AMS --> Acut Mountain Sickness) vermeiden. Weltweit existieren nur wenige seriös verwertbare Daten zu diesem heiklen Thema, insgesamt aber jede Menge „Erfahrungswissen“. Die Geschwindigkeit der Höhenexposition stellt demnach den maßgeblichsten Risikofaktor einer AMS dar. Man weiß inzwischen ebenfalls, dass eine Schlafhöhendistanz (Rate of as- cent) das Risiko zu erkranken erheblich reduzieren kann. Das Gehtempo spielt demnach neben der Schlafhöhendistanz eine sehr wichtige Rolle in der Akklimatisierungsphase. Die nächsten zwei Wochen dienten also der beschrie- benen Höhenanpassung unseres Körpers an die neue Situation. In dieser Zeit stiegen wir – der tatsäch- lichen Aufstiegsroute folgend – ca. 15.000 Höhen- meter auf, und dieselben auch wieder ab. Im Zuge der Akklimatisierung erledigten wir auch den Transport der Ausrüstung in die Hochlager. Wir entschieden uns als Gruppe bald für eine „Zwei-Lager-Variante“, wel- che wir vorher ausgiebig diskutierten und einstimmig für besser hielten als eine Variante mit drei Höhen- lagern. Wenngleich bei einer „Drei-Lager-Variante“ an den jeweiligen Tagesetappen weniger Höhen- metern zu steigen waren, kam jedoch aus unserer Sicht der gefährliche Umstand hinzu, auf Höhe von Lager 3 (auf ca. 6.900 m) mindestens ein- bis zwei- mal übernachten zu müssen, bevor der Gipfelgang dann irgendwann machbar gewesen wäre. Das wiederholte Auf undAb zwischen Basecamp und den Höhenlagern erforderte zwar einiges an Kondi- tion, aber es ermöglichte uns eine gute und seriöse Höhenanpassung und somit auch die Möglichkeit eines Gipfelerfolges. Vom Basecamp bis zur soge- nannten „Schneegrenze“ waren etwa 500 Höhenmeter zu bewältigen, dort mussten wir immer wieder vom „Berggeh-Modus“ in den „Skitouren-Modus“ wech- seln. An dieser „Schneegrenze“ (auf ca. 5.000 m) wechselten wir dann jeweils beimAuf- und/oder Ab- stieg von Bergschuhen auf Skischuhe und umgekehrt. Wir errichteten schon beim ersten Aufstieg an der Schneegrenze ein sogenanntes „Material-Depot“ für alles Equipment (Ski, Felle, Skischuhe und -socken, Bergschuhe etc.) welches wir auf dem weiteren Weg „nach oben“ bzw. „nach unten“ nicht mehr brauchten. Auf Rasttage im Basislager folgten dann wieder Hochgänge um geeignete Plätze für die Zelte der Hochlager zu suchen und diese von Schnee frei zu schaufeln. Die Zelte mussten in allen Hochlagern wegen der starken Winde gut in den Gletscher ver- ankert werden, dann wurde einiges an Equipment darin deponiert und oben gelassen. Gute Kondition, technische Versiertheit, Bereitschaft zum Komfortverzicht, aber auch mentale Stärke sind wohl für jeden Höhenbergsteiger die grundsätzlichsten Voraussetzungen. Die extreme Höhe, die niedrigen Temperaturen und die zum Teil tagelangen Winde zeh-

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