Gemeindezeitung - page 1

Nr. 19 - Ausgabe April 2015
Seite 1
Amtliche Mitteilung
Zugestellt durch Post.at
Das Widderopfer
von Lavant
In seinen Wurzeln sehr weit zurück-
reichend, stellen manche wissen-
schaftliche Meinungen diesen Brauch
in eine Kontinuität zu heidnischen
Kultformen. Doch es wird wohl im-
mer geheimnisvolles Dunkel darüber
liegen, in welches weder die schrift-
liche Überlieferung, noch der Spaten
des Archäologen bisher einzudringen
vermochten.
So mag es an dieser Stelle gestattet
sein, auf jene Erklärungen auszu-
weichen, die sich das einfache Volk
zurechtlegte und weiter erzählte von
Generation zu Generation, ohne sich
bewusst zu werden, dass es sich in
den Bereich der Sage begibt! Denn
auch nach Prägraten und Virgen, so
weiß es die Volksmeinung, ist der
„große Sterb“ gekommen, wie alle
großen Seuchen und die Pest genannt
wurden. In dieser schrecklichen Zeit
wurde viel gebetet und dem Himmel
verlobt, damit Gott dort eingreife, wo
der Mensch und sein medizinisches
Wissen hilflos den Schrecklichen aus-
geliefert waren. Man versprach eine
jährliche Wallfahrt zu Unserer Lieben
Frau nach Lavant und die Opferung
eines Widders bei der gütigen Mutter.
Bald danach sah man auf einer
Wiese bei Niedermauern den Teufel
persönlich mit einem Widder stoßen.
Die Rauferei dürfte fürchterlich ge-
wesen sein, das Ende überraschend:
Der Teufel zog den Kürzeren! Man
kann sich vorstellen, wie sehr die
Leute darob aufatmeten, noch dazu
ging die Seuche seitdem zurück.
Ein Bildstöckl bei jener Wiese zeigte
dann ein Bild, auf dem im Hinter-
grund der Kampf zwischen Widder
und Teufel dargestellt wurde, vorne
zieht ein Leichenzug vorüber. Zum
Danke für die wunderbare Erlösung
von der furchtbaren Plage ziehen die
Prägratner und Virgener alljährlich
nach Maria Lavant und opfern dort
einen prachtvollen Widder, den
schönsten, den sie haben. Er darf
durch zwei Jahre vorher nicht gescho-
ren werden und wird zur Wallfahrt
selbst prächtig aufgeputzt.
Ein Teilnehmer der Prozession vom
Jahre 1892 erzählt, im Jahre 1634/35
habe in Prägraten und Virgen furcht-
bar die Pest gewütet. Nach dem
Verlöbnis einer jährlichen Wallfahrt
nach Lavant und eines Widderopfers,
nach getreulicher Erfüllung durch
mehrere Jahre, ließ die Seuche
tatsächlich nach.
Nun, da diese schreckliche Geißel
nicht mehr durch das Tal peitschte,
erlahmte zusehends der fromme
Eifer, bis dann das einstige Gelübde
völlig in Vergessenheit geriet. Die
Himmlischen hatten freilich ein
besseres Gedächtnis, prompt kehrte
die Pest zurück. Jetzt wurde das
Verlöbnis alsogleich erneuert, jedoch
sollte nun der Widder in die Pfarr-
kirche nach Lienz geopfert werden.
Es kam aber anders: Als der Widder
über die Brücke in die Pfarrkirche
geführt wurde, riss er sich los und
sprang in die Isel. Nach längerem
Bade ging er bei Lavant an Land und
eilte als verlobtes Opfertier selbst in
die Kirche Unserer Lieben Frau.
Seitdem gingen die Gemeinden
Prägraten und Virgen jedes Jahr am
Samstag vor dem Weißen Sonntag
nach Lavant, wo man nach Mittag
gegen Verspeiszeit einlangt. Der
Bericht des vorigen Jahrhunderts
beschreibt auch die Zeremonie des
Einzugs, dass man zuerst um die
Kirche ziehe, dann „in die obere
Kirche, die etwas höher liegt, dort
ziehen sie auch zuerst um die Kirche
herum und wieder von der oberen
Kirche fort; dann erst erfolgt der
eigentliche Einzug in die Haupt-
pfarrkirche. Dort, an der Kirchentür
angekommen, opfern sie am
Wurftisch, Eingangs rechts, zuerst
ihre Opfer, hier gewöhnlich ein
Geldstück, welches jedoch vor der
Opfergabe geküsst wird…,
von li n. re: 1 Barbara Berger, Oberbichl; 3 Mutter davon, Oberbichler Mutter; 4 Dorothea Bstieler,
Stampa; 5 Josef Hatzer, Taxer; 6 Margareth Mair, Hüttinger Mutter; 8 Genoveva Bstieler, Stampa;
10 Anna Leitner, Meßner; Leonhard Dichtl, Suminger (gr. Mann re);
Bild: Alois Weiskopf (Innerbacher)
1 2,3,4
Powered by FlippingBook