Seite 4 - Gemeindezeitungen

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Es ist der Bürgermeister mit einer
deutlichen Mitteilung: Im Tal hätte es
mittlerweile 40cm Neuschnee und
bei der Messstation am Eselsrücken
60cm und es schneit weiter aus allen
Rohren.
Es ist kurz nach Mittag und bei der
Abfahrt kam ich mir vor wie James
Bond bei einer wilden Verfolgungs-
jagd. Nach dem Eintreffen im Gemein-
deamt wird das Schneeprofil gleich
im Portal des Lawinenwarndienstes
eingegeben. Es ist für die zuständigen
Leute in Innsbruck von großer Wich-
tigkeit, dass man diese Informationen
an sie weitergibt, damit eine fundierte
aber eben nur regionale Lawinen-
gefahrenstufe ausgegeben werden
kann.
Es ist nun 16:00 Uhr. Dann für einen
kleinen Imbiss nach Hause, denn der
Bürgermeister hat alle Kommissions-
mitglieder für 17:00 Uhr zur Beratung
einberufen. Mittlerweile beträgt der
Neuschneezuwachs im Tal gut 50 cm
und es schneit unaufhörlich weiter.
Nun ist es finster und zurück am
Gemeindeamt werden wieder alle
wichtigen Daten zusammengetragen.
Messstation am Eseslrücken, Wind
und Richtung sowie Temperatur von
der Station auf der Kreuzspitze.
SCH.... DES GLUMPAT
ist wie schon
so oft ausgefallen oder eben keine
Verbindung mehr da. Gerade jetzt
wäre es uns eine gute Hilfe, um
das Geschehen oben am Berg zu
beurteilen, denn Sicht ist auch keine
mehr. Hilft nichts, früher war das auch
alles ohne Hilfsmittel machbar.
Das Telefon am Tisch läutet immer
wieder, denn die Einwohner wollen
wissen, ob die Straßen gesperrt
werden oder nicht. Der Bürgermeister
vertröstet noch ein wenig, aber so um
ca. 20:00 Uhr sollte eine Entschei-
dung getroffen sein. Die Feuerwehr
wird in Alarmbereitschaft gesetzt,
um für die Ausführung eventueller
Sperren der Gemeindestraßen bereit
zu sein.
Es wird nun etwas hektischer, denn
2 Mann von der Polizeiinspektion
Matrei treten zur Tür herein. Diese
werden immer bei kritischen Situatio-
nen angefordert.
Nochmals läutet das Telefon am
Tisch und der Anrufer teilt aufgeregt
mit, dass man immer wieder starke
Lawinengeräusche vom Fenster bis
zum Pinten Egge vernehmen könne.
Dazwischen werden immer wieder
Satellitenbilder, Niederschlagsradar,
kurzzeitige Prognosen, Luftdruck-
entwicklung etc. ausgewertet und
besprochen. Immer wieder und
immer wieder. Was passiert wenn
keine Empfehlung für eine Straßen-
sperre ausgesprochen wird und es
kommt trotzdem „
die
Lahne“
und es
trägt möglicherweise irgendjemand
Schaden davon? Im Kopf immer wie-
der die Frage -
Wer haftet?
Der Schneefall lässt nach. Es wird, so
lange es noch verantwortbar ist, eine
Empfehlung zur Sperre hinausgezö-
gert. Da klingelt wieder das Telefon.
Der Anrufer hätte eine hochschwan-
gere Frau im Haus und wisse sich
situationsbedingt nicht mehr zu
helfen. Sofort wird ihm empfoh-
len, seine Frau zumindest bis nach
Obermauern zu bringen, denn ab da
bestünde keine große Gefahr für eine
Straßensperre.
Es schlägt 23:00 Uhr und es schneit
wieder stärker. Eine Kontrollfahrt
mit dem Feuerwehrauto wird verein-
bart, um eventuelle Beobachtungen
aufzufangen bzw. Lawinenabgänge
zu Gehör zu bringen. Gleichzeitig
werden die Schneemessstationen im
Tal kontrolliert und neu gemessen.
Der Schnee hat sich aufgrund der
ansteigenden Temperatur etwas
gesetzt und die Neuschneemenge hat
nicht viel zugenommen. Die Gesamt-
schneehöhe beträgt nun 1,20 m.
Laut Wetterprognose sollte im Laufe
der Nacht sogar eine kurze Entspan-
nung in Sicht sein, aber das Satelli-
tenbild deutet auf etwas anderes hin.
Nach nochmaliger Besprechung
legt der Bürgermeister einen neuen
Beratungstermin für 2:00 Uhr
Morgens fest.
Eine kurzes Nickerchen steht in Aus-
sicht. Bei Gefahr in Verzug sollte der
Treff allerdings unverzüglich sein.
Wer würde dann schon schlafen
können, wenn beide Augen zum
Fenster hinaus gerichtet sind?
Zu Hause angekommen ist der erste
Schritt zum PC und dort werden
wiederum alle greifbaren Daten zu-
sammen getragen. Sogleich zum
Fenster und schauen, ob es noch
schneit. Es lässt einem einfach keine
Ruhe. Für einige Momente die Augen
zu machen ist wie ein gutes Stück
Kuchen.
Auf einmal fährt es mir durch die
Gebeine – ich hab gepennt. Beim
Blick auf die Uhr waren es sage und
schreibe ganze 2 Minuten.
Zum Fenster – dann wieder zum PC.
Die Messstationen am Eselsrücken
und auf der Kreuzspitze machen
immer noch keine Anstalten.
2:00 Uhr am Gemeindeamt.
Neuerliche Beratung – kein Ergebnis.
Nächste Zusammenkunft um 4:00
Uhr früh. Es ist Samstag und somit
braucht man sich wenigstens um
die Frühschichtler keine Gedanken
machen.
Wieder zu Hause und dasselbe Spiel
wie vorher.
Es schneit wieder ununterbrochen
und mittlerweile sind in den vergan-
genen 30 Stunden 65 cm Neuschnee
gefallen und es reitert noch weiter.
Das ist eindeutig zu viel.
Die einstimmige Empfehlung an den
Bürgermeister lautet unverzüglich:
„Tü Zü“
Müde bin ich.
Bericht und Bilder: Hatzer Siegl