Seite 3 - Gemeindezeitungen

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Am Abend wird mit den Kollegen
besprochen, wer für eine Schnee-
profilaufnahme Zeit hat und wo es
hingehen sollte.
Vom Wetterbericht her sollte es in den
nächsten Tagen ergiebige Schneefälle
geben und daher ist es wichtig,
wieder ein aktuelles Profil zu erstel-
len, damit die richtigen Entscheidun-
gen getroffen werden können.
Am nächsten Morgen zeitig aufste-
hen, Gesicht aufräumen und gut
frühstücken. Dann werden im Internet
Wetterberichte, Satellitenbilder etc.
gecheckt. Lawinenwarndienst Tirol
wird eingeschaltet und dort sämtliche
wichtige Daten abgerufen,
d.h. Gefahrenstufen, Wetterstationen,
Temperaturen, Wind, Niederschlag,
usw.
Dann Rucksack mit allen Utensilien
packen, die man für eine Schneepro-
filaufnahme braucht. Dazu gehören
Schreibzeug,
Schneeprofilaufnah-
meheft, Schneeraster, Schneelupe,
Temperaturmesser, Neigungsmesser,
Schneesäge,
Reepschnur
zum
Schneiden, Zollstock, Pinsel. Und
natürlich ganz wichtig die Sicherheits-
ausrüstung, wie VS-Gerät, Schaufel
und Sonde, ebenso die persönliche
Ausrüstung und genug zum Trinken
mit Jause. Im Winter ist natürlich
immer eine Stirnlampe dabei, falls
es einmal später werden sollte. Felle
aufziehen und los geht`s ins winter-
liche Gebirge, es ist höchste Zeit.
Heute steht ein Profil bei den Fens-
termähdern auf dem Programm, denn
hier ist der Schneedeckenaufbau
besonders interessant, da die Lawi-
nenbahn ja direkt ins Dorf hinunter
zielt.
Es schneit stark und das Spuren ist
recht mühsam. Es ist Eile geboten,
denn bis Mittag sollte das Timmel-
tal wegen der starken Schneefäl-
le und der daraus resultierenden
Lawinengefahr wieder verlassen sein.
Eigentlich unglaublich wie der
Neuschnee mit steigender Höhe auch
zugenommen hat.
Das Kleinhirn fängt an zu überle-
gen, ob es richtig ist ins Timmeltal zu
gehen.
Kleinhirn an Großhirn
– beide
sagen
NEIN
. Ebenso der Verstand.
Kurze Beratung noch mit dem Bauch-
gefühl und gleich steht fest, dass
die kürzere Variante oberhalb der
Oderplatte aus Sicherheitsgründen
die vernünftigere ist. Hier ist ebenso
ein Hang mit gleicher Ausrichtung
nach Süden wie am Fenster vorhan-
den und somit eine Schneedecken-
untersuchung auch recht aussage-
kräftig. Außerdem ist das letzte Profil
am Fenster erst vor 2 Wochen erstellt
worden.
Oben angekommen wird mit der
Schaufel hastig ein großes Loch aus-
gegraben und der Schnee senkrecht
abgestochen. Dann mit dem Zollstock
die gesamte Schneehöhe gemessen
und dieser bleibt die ganze Zeit
an der senkrechten Schneewand
stehen, damit dort zusätzlich die
einzelnen
Schichten
gemessen
werden können.
Die Lufttemperatur beträgt Minus
8 Grad und ca. alle 20 cm wird
die Schneetemperatur im Heft notiert.
Ebenso wird Uhrzeit und Datum,
Exposition, Hangneigung, Wind-
richtung, seine Stärke etc. nieder-
geschrieben. Dann mit Pinsel und
bloßen Fingern die einzelnen Schnee-
schichten eruiert. Es ist eiskalt ohne
Handschuhe und die Finger lechzen
nach einem warmen Sack.
Genau, dieser befindet sich in
der Hose und schnell kurz hinein
damit, bevor es gleich wieder weiter
geht. Feuchtigkeit und Festigkeit des
Schnees, Form und Größe der einzel-
nen Schneekristalle, das alles muss
genauestens unter der Lupe begut-
achtet werden. Oben Neuschnee mit
30 cm, alles schöne, sechskantige
Kristalle. Weiter unten eine Schmelz-
kruste mit runden Körnern.
Dann kantige Kristalle – nein kantig
abgerundet – nochmal einige Körner
unter die Lupe - dann noch die Grö-
ße mit 1-2 Millimeter festgehalten.
Am Boden der grausliche Schwimm-
schnee, der vom nicht gefrorenen
Boden im Herbst herrührt. Insgesamt
14 verschiedene Schneeschichten
und alles in allem nicht ganz unge-
fährlich.
Zuletzt noch der Kompressions-
test, wo die Scherfestigkeit mittels
ausgestochenem Schneeblock getes-
tet wird. Dieser bricht wie vermutet bei
den kantigen Kristallen.
Dann läutet das Handy – wie soll man
mit den gefrorenen Fingern noch eine
Taste fühlen?
Lawinenkommission
Prägraten a.G.
Ein Tag im Leben eines Lawinenkommissars