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FODN - 58/03/2014
Von Erika Rogl
U
rsula Straßmann – fast ein jeder
Kalser und vor allem Lesacher
kennt sie als langjährigen Ur-
laubsgast, kommt ins Gemeindeamt und
fragt nach, ob es denn möglich sei, ei-
nen Dank an ihre Gastgeberfamilie im
Fodn unterzubringen. Natürlich ist das
möglich und wir packen die Gelegenheit
beim Schopf und lassen uns von ihr ei-
niges aus ihrem Leben erzählen.
Wir treffen uns in ihrem Stammsitz,
den Lesacherhof der Familie Huter und
fragen nach, wo sie herkommt, was hat
sie gemacht, wie hat sie Kals erlebt und,
und…
Ursula wurde in Polen geboren, nach
Kriegsende im Jahr 1945 wurde ihre
deutschstämmige Familie, bestehend
aus Eltern und 3 Geschwistern aus ihrer
Heimat vertrieben.
Sie kam im Mai 1945 nach Ber-
lin, konnte dort im Lazarett arbeiten,
machte die Ausbildung zur Kranken-
schwester und durfte 1947 ihr Examen
abschließen.
Bis zu ihrer Pensionierung hat sie
insgesamt 43 Jahre im Krankenhaus
Neuköln in Berlin in der Abteilung Kar-
diologie gearbeitet, erst als Schwester,
dann Abteilungsleiterin und zuletzt hat-
te sie 17 Jahre die Krankenhausleitung
über. Im Jahr 1956 wurde sie beamtet
und damit war sie erstmals finanziell
abgesichert, was es ihr ermöglichte, 33
Jahre lang ihre Familie, vor allem die
Eltern, zu unterstützen, denen die Ein-
gewöhnung in Deutschland nicht leicht
fiel. Für sie war das selbstverständlich
und sie sagte, es war ein großes Glück,
dass sie bei der Teilung von Berlin im
amerikanischen Sektor untergebracht
war. Trotz der anfangs schlechten Zei-
ten ging es stetig aufwärts.
1951 hatte sie aus dem Ärztekreis zum
ersten Mal von Kals am Großglockner
gehört, zwei Kollegen waren zum Schi-
fahren im Ort und hatten ihr davon er-
zählt. Sie meinten: „fahr dort hin und du
denkst an nichts mehr anderes“. Gesagt
getan, sie machte sich mit ihrer Freun-
din Margarita auf den Weg und kam erst
nach Hinterbichl, da sie meinten, dort
seien die Berge doch viel näher – wie
sich herausstellte „zu nah“ und nach ei-
nem Ausflug ins Kalsertal, siedelten sie
um – seit dieser Zeit ist sie alle Jahre
Wiedergekommen! Im darauffolgenden
Jahr kam sie alleine, voll Rührung er-
zählt sie von der alten Luckner-Mame,
die sie bei der Lucknerhütte getroffen
hat und die sie doch ersucht hat, ihr
beim Kühe holen behilflich zu sein, was
sie gerne tat. Diese Offenheit der Men-
schen, die auf sie zugekommen sind, ist
ihr immer wieder begegnet und hat sie
immer sehr gefreut.
Im Jahr 1953 ging sie zum ersten Mal
mit dem alten Gorgasser von der Elle-
parte auf den Großglockner, insgesamt
sollten es 21 Touren auf den höchsten
Berg werden, davon 4 Mal über den
Stüdlgrad und 1 x über die Glockner-
wand, die Führer wechselten, ihr letzter
Bergbegleiter war der Georg Rubisoier,
dessen Grab sie immer besucht. Trau-
rig wird sie, wenn sie berichtet, dass
sie schon so viele Bekannte und lieb
gewordene Menschen, auch Junge, am
Friedhof besuchen muss, vor allem den
Thomas und die Liesl Huter vom Lesa-
cherhof.
Diese beiden fleißigen Menschen, die
so viel in ihrem Leben geleistet haben
sind ihr besonders ans Herz gewach-
sen, aber auch deren Kinder, die sie hat
aufwachsen sehen, die mit ihr Ausflüge
machen durften, ob auf den Berg oder
ins Virger Schwimmbad. Für sie war
es selbstverständlich sie mitzunehmen,
hatte sie doch Zeit und die Eltern nicht.
Dafür konnte sie die eine oder andere
wunderbare Bergtour mit Thomas und
Liesl, wie deren “Hochzeitsreise“ übers
Schobertörl mitmachen.
Aber auch die Familien Oberlohr, die
vom Ködnitzhof und vom Luckner –
viel Zeit hat sie mit ihnen verbracht und
schöne Erinnerungen an Abende voll
63 Jahre Freundschaft!
Frau Ursula von Straßmann, geb. Kott, Jahrgang 1924, geboren in Polen (Neudamm heute Debno)
Mir sitzt eine kleine, agile und wache 90-jährige gegenüber, die mit strahlendem Blick von ih-
ren Urlaubserlebnissen erzählt und manchmal die eine oder andere kleine Träne der Rührung
die bei all den schönen aber auch tragischen Erinnerungen aufkommt, verwischt.
MENSCHEN
Frau Ursula von Straßmann