Seite 28 - Gemeindezeitungen

Basic HTML-Version

28
Ein
BLICK
Chronik
nerten Granaten in den Wald, in Felder und Gärten, ins
Bahnhofsgelände, aber auch in bewohntes Gebiet. Sie hin-
terließen geborstene Fensterscheiben, demolierte Hütten
und „Granatentrichter“ im Boden. Am 17.9.1915 zerstörte
eine Granate das Haus des Schuhmachermeisters Benedikt
Plaikner (heute Haus Brugger an der B 100). Die 14-jährige
Tochter Anna kam dabei ums Leben, ebenso ein Zugsfüh-
rer des Landsturmbataillons, der gerade im Hause war. Vom
6.9.1915 bis zum 7.10.1916 fielen laut Schulchronik 776
Granaten im Raum Sillian.
Das Gemeindeamt Sillian amtierte nun in Arnbach im Gast-
hof Rainer, der Pfarrer übersiedelte in die „Villa Stallbner“,
das k.k. Bezirksgericht nach Weitlanbrunn. Der Unterricht
musste nach Arnbach verlegt werden. Eine Volksschulklas-
se war beim „Schlosser untergebracht, die zweite im Haus
„Obergarber.“
1916 wurde in Weitlanbrunn ein Militärspital eingerichtet,
später auch in der Villa Pranter. Die Toten fast aller Kriegs-
nationen fanden im Arnbacher Waldfriedhof ihre letzte Ruhe.
Während der „Granatenzeit“ war kein Militär im Ort; […]
„erst als es ruhig wurde, kamen im Jänner 1917 die Graurö-
cke: 4000 Mann, meist Russen, Ungarn, Slowenen und Slo-
waken in unseren Markt“. Manche waren als Hilfskräfte in
der Landwirtschaft, andere zur Schneeräumung eingesetzt.
Im November 1916 starb Kaiser Franz Josef I., und man
erhoffte vom neuen Kaiser Karl I. einen baldigen Friedens-
schluss. Doch der Krieg wurde trotz drückender Entbehrun-
gen fortgesetzt. Mit Ende 1917 kamen ca. 1000 gefangene
Italiener in den Ort. Zwischen den Einheimischen und den
Italienern entstand bald ein reger Tauschhandel: Lebensmit-
tel gegen Kleider. Die Schulchronik berichtet auch von einer
menschlichen Geste trotz des Kriegszustandes. „Am 28.
November 1917 haben wir ein schönes Zusammenwirken
feindlicher Soldaten erlebt. Ein italienischer Offizier und ein
österreichischer Soldat saßen marod in einem Schlitten. Sie
wurden zur Bahn befördert. Den Schlitten zogen 6 Russen
und 2 Italiener schoben denselben.“
Das dramatische Ende des Ersten Weltkrieges im November
1918 ließ alte Monachieen verschwinden und neue Staaten
entstehen. Tausende Italiener kamen beim Rückzug durch
das Pustertal auch nach Sillian. Von Ausschreitungen wird
nichts berichtet. Der Kriegsbericht in der Schulchronik endet
mit folgender Aussage: „Am 12 . Dezember 1918 bekam die
Bevölkerung zum ersten Mal wieder Reis, Kaffee und Zucker
zu kaufen von den Welschen.“
Heute nach 100 Jahren findet man in unseren Bergen im-
mer noch Kriegsrelikte, wie Unterstände, Geschützreste,
Stacheldrahtteile, verrostete Gebrauchsgegenstände usw.
Sie sind stumme Zeugen einer schlimmen Zeit.
Text: Maria Huber
Quellen: Chronik der Volksschule Sillian
Tiroler Landeszeitung: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Konrad Webhofer: Karten u. Sterbebildchen
Archiv Leiter-Asthof
Bad Weitlanbrunn Lazaratt im Hotal Bad Weitlanbrunn.
Foto: Sammlung Josef Rauter
Kriegerfriedhof in Arnbach. Foto: Peter Leiter
Kriegerdenkmal in Sillian. Foto: Peter Leiter