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FODN - 57/02/2014
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Von Peter Anreiter
D
er Name ist leider erst in neuester
Zeit bezeugt, wohl aber verfügen
wir für den Holzschnitzgraben
über einen Beleg in einem Wald-
bereitungsprotokoll des Gerichtes Kals
aus dem Jahre 1755: Holzschniz Gra-
ben. Der Gewässername klingt deutsch,
und er ist es auch in gewisser Hinsicht,
allerdings wurde er erst nachträglich
eingedeutscht. Genauer gesagt wurde er
mit den deutschen Wörtern „Holz“ und
„schnitzen“ remotiviert. Der ursprüngli-
che Name stammt jedoch nicht aus der
deutschen Sprachschicht, sondern aus
der slawischen. Bekanntlich kamen im
7. bzw. 8. Jahrhundert n. Chr. slawische
Sprecherkollektive ins Kalser Tal und
trafen dort auf eine romanische Vorbe-
völkerung. Etwas später kamen auch
deutsche (bairische) Siedler hinzu. Alle
drei Ethnien lebten hier auf relativ en-
gem Raum viele Jahrzehnte friedlich
nebeneinander und schufen Namen,
die wir heute noch verwenden – jedoch
nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt,
sondern eingedeutscht, wodurch sie teils
tiefgreifende Veränderungen erfuhren.
Die slawische Sprache ist im Hochmit-
telalter verklungen, die romanische hielt
sich partiell bis in die frühe Neuzeit.
Deren Namen wurden mit der Zeit nicht
mehr verstanden und deswegen manch-
mal remotiviert, d. h. man versuchte, ih-
nen mit Mitteln der deutschen Sprache
wieder einen Sinn zu geben.
Der Bach hieß bei der slawischen Be-
völkerung *Olьšьnica, was so viel wie
‘Erlenbach’ bedeutete, denn im Namen
ist die slawische Baumbezeichnung
*olьša ‘Erle’ verbaut. Als von den bai-
risch-deutschen Sprechern *Olьšьnica
nicht mehr verstanden wurde, gab man
dem Namen einen neuen Sinn und bau-
te ihn zu Holzschnitz um und hängte
das vertraute Wort Bach an. Ursprüng-
lich hatte der Bachname also weder
etwas mit dem „Holz“, noch mit dem
„Schnitzhandwerk“ zu tun.
Dass diese Etymologie nicht an den
Haaren herbeigezogen ist, ersieht man
daraus, dass im Steuerkataster des Ge-
richtes Kals von 1778 (= Tiroler Lan-
desarchiv, Kataster 127/3) in der Rotte
Staniska der heute abgegangene Name
Olschniz zweimal erwähnt wird, und
zwar in folgenden Kontexten: fol. 78:
Lorenz Graz (jetzt Christian Egger) auf
Ährnig besizet das sogenannte Graz
Gueth Von ¼tl Hueben gros mit folgen-
den Zugehörungen [...]: Ein Acker Ol-
schniz genannt. Von ½ Jauch 100 Klaf-
ter, confinirt 1 an das gemain Weegl,
2 an Josephen Joanns, 3: und 4 an die
Gemain. Von guter Gattung. Ferner fol.
Der Holzschnitzbach
Deutsche Remotivation eines slawischen Namens
Am 2.702 m hohen Gorner entspringt der Holzschnitzbach, der zwischen der Knopfbrücke und
dem Weiler Arnig orographisch rechts in den Kalser Bach mündet.
87ff.: Georg (bzw. Peter) Hainricher auf
Ahrnig [...] besizt [...] das sogenannte
Jäggler Gueth Von ¼tl Hueben gros mit
folgenden Zugehörungen [...]: Ein Acker
Olschniz betitlt. Von ½ Jauch, cohären-
zt 1 an gemain Graben, 2 an Joans, 3:
und 4 an gemain Weeg. Von schlechter
Gattung. Übrigens taucht der Name be-
reits in älteren Verfachbüchern des Ge-
richtes Kals auf, und zwar im Jahre 1695
(Tiroler Landesaarchiv, Verfachbuch
81/12, fol. 15: ain Stuckh der Olschniz
genandt), 1764 (Tiroler Landesarchiv,
Verfachbuch 81/14, fol. 25: 1: Ackher
der Olschnitz genannt) und 1776 (Tiro-
ler Landesarchiv, Verfachbuch 81/41, fol.
55: 1: Acker Olschniz betitlt). Auch in
den Verfachbüchern, die zeitlich nach
dem theresianischen Kataster verfasst
wurden, ist der Name noch mehrmals
belegt.
BUNT GEMISCHT