Seite 27 - Gemeindezeitungen

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2014
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hronik
geredet mit seiner Frau“ beim
Peheim einquartiert, erzählte
die Ann. Damals gab es auch
schon Gefangene, verspreng-
te Soldaten wohl, kaum der
deutschen Sprache mächtig.
Die wurden strafweise an
den Säulen im Stadel ange-
bunden und die Ann musste
mit der „Sefe“ (die spätere
Josefa Mair, vlg. Kollnig)
gestampfte Erdäpfel und Po-
lenta hinübertragen, dass die
Armen wenigstens einmal
am Tag eine warme Mahlzeit
bekamen. Als sie der Bäuerin
Aloisia erzählten, dass die
Soldaten angebunden seien,
bekam diese die Krise (wür-
de man heute sagen!) und
schrie den verdutzten Gene-
ral an, dass in ihrem Hof kein
Mensch angebunden wür-
de. Sie schrie und schimpfte
zwar auf deutsch - der Ge-
neral wollte nicht verstehen
- fuchtelte dann mit dem
Messer vor ihm herum und
ging forschen Schrittes in den
Stadel und schnitt die Stricke
durch. Nun verstand der „bes-
sere Herr“. Gott sei Dank sei
das „Generalspaar“ nur ein
paar Wochen geblieben, dann
konnten die Eltern wieder ihr
Ehegemach beziehen und die
„Wassersiederei“ jeden Mor-
gen für „die Gnädigste“ sei
vorbei gewesen. Es musste
nämlich morgens als erstes
ein großer „Haf’n“ heißes
Wasser für die Körperpflege
der Herrschaften bereit ste-
hen.
In allen Erzählungen spielte
- wie auch bei Ludwig Wie-
demayr erwähnt wird - der
„Potschunggele
Sunntig“
(Portiunkula-erster Sonntag
im August) eine große Rolle.
Die wehrpflichtigen Männer
des Reiches im Alter von 20
bis 42 Jahren hatten die Ein-
berufung per Gemeindevor-
steher (in Gaimberg Konrad
Glantschnig) in den Tagen
vorher zugestellt bekommen.
Und so hieß es auch in Gaim-
berg am Sonntag, den 2. Au-
gust 1914 EINRÜCKEN. Jo-
delnd und juchzend, die Hüte
- teilweise mit Spielhahn-
federn geschmückt - ging
es zum Bahnhof. „…diese
Serben werden wir bald ha-
ben…in drei Wochen sind wir
wieder daheim…“ leider ent-
puppte sich diese Hoffnung
als die totale Fehlannahme.
„Beim Hoadnbauen in der
Krapflleite sein de Gen-
darmen kemm‘ und hobn
oanfoch de Ross‘ ausgspannt
und mitgenommen, nur den
ältesten Gaul hobn’s hintn
gloss’n“…eine
Erfahrung
des totalen Ausgeliefertseins
für die damaligen „Peheim-
Kinder“.
Mit Mai 1913 wurde Pfarrer
Johann Burger Seelsorger
in Gaimberg, der er bis ins
Jahr 1931 blieb. Er erlebte
also die volle Kriegszeit und
auch die Armut zwischen den
Kriegen mit. Die „Hinter-
steiner Tant‘“ erwähnte oft
mit Hochachtung die weit-
blickende und seelsorgende
Arbeit des „Pfarrer Burger“
in den letzten Tagen des Juli
1914. Er ermutigte die jungen
Männer, „Ordnung mit dem
Herrgott zu machen“, sich
segnen zu lassen und lud die
Gaimberger immer wieder zu
Gebetsstunden ein…„ihm ist
etwas vorgegangen“ war die
Meinung - nicht nur meiner
Großtante. Pfarrer Burger
habe sehr darunter gelitten,
wenn es wieder einmal galt,
eines gefallenen Soldaten
des Weltkrieges zu gedenken
oder die Todesbotschaft den
Angehörigen zu überbringen.
Er trauerte wirklich von Her-
zen um die jungen Burschen,
die „im Felde ihr Leben las-
sen mussten“.
In manchen Höfen traf der
Einberufungsbefehl
gleich
mehrere Söhne, wie hier in
Gaimberg beim „Leit’n“
Fam. Mattersberger oder
beim „Tscharnig“. Als der
erste Gefallene Tiroler gilt
der Landbriefträger Alois
Baur, der bereits am 28. Au-
gust in Russisch-Polen sein
Leben lassen musste.
Ein weiteres einschneidendes
Ereignis für die Gemeinde
war die Abnahme der Kir-
chenglocken, lt. Ludwig Wie-
demayr wohl in vielen Orten
Ende 1915/Anfang 1916, zur
Herstellung von Kriegsmate-
rialen. In Gaimberg konnten
aber bereits im Jahre 1922
„durch die Emsigkeit des
Lehrers Alois Lercher“ die
Neuen Glocken „freudigst
begrüßt“ werden, was in
einem längeren Beitrag im
damaligen „Tiroler Volksbo-
te“ lobende Erwähnung fand.
Um abschließend auf die ein-
gangs erwähnte Begegnung
mit dem deutschen Urlauber-
paar zurückzukommen: Da
stellte sich auch die Frage,
wie man denn den betrof-
fenen Familien geholfen hät-
te, diese Schicksalsschläge
zu verkraften; heute gäbe es
Krisenintervention u. a. Die
Segnung des Kriegerdenkmals im Jahr 1968 durch Ortspfar-
rer Adolf Jeller.
Foto: Josef Walder (vlg. Peheim Sepp)
„Sterbebild‘ln“ sind bei
Kriegsteilnehmern eher sel-
ten vorhanden.