Seite 21 - Gemeindezeitungen

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Juni 2013
Heimat - Jonathan Valero Ibuado
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Die Schulpflicht beträgt neun Jah-
re, sechs Jahre Grundschule und drei
Jahre Mittelschule. Dann besuchte ich
ein technisches College. Dort gibt es ne-
ben dem theoretischen Unterricht auch
eine praxisbezogene Ausbildung. Ich
entschied mich für Automechaniker. So
hat man mit dem Abschluss der Schu-
le auch gleichzeitig einen Beruf erlernt.
Anschließend studierte ich Wirtschafts-
wissenschaft- Arbeitstechnik. Leider
gibt es dieses Studium in Österreich
nicht.
In Mexiko gibt es verpflichtenden
Sozialdienst sowohl in der Schule, als
auch auf der Universität: Hilfsdienste in
Altersheimen, Botendienste bei Ämtern,
Informationen über Impfungen vertei-
len, usw.
Während des Studiums machte ich
ein Praktikum bei TRW, das ist eine
Firma aus Michigan, die Autozubehör
und Rüstungsteile herstellt. Außerdem
ging ich für sechs Monate als au pair
nach Palm Beach - Florida. Dort hatte
ich zwei Buben im Alter von sieben und
neun Jahren zu hüten und konnte meine
Englischkenntnisse verbessern.
In Mexiko gilt Wehrpflicht. Das heißt
aber nicht, dass jeder junge Mann zum
Militär muss. Es entscheidet das Los.
Als ich 18 Jahre alt war, musste ich
mich mit 10.000 anderen Gleichaltri-
gen in einer riesigen Halle versammeln.
Dann wurde in einer endlosen Prozedur
bestimmt, wer einrücken muss. Mich
verschonte das Los.
In einem Internetforum lernte ich
meine Frau Barbara Lang kennen. Wir
korrespondierten via Mails. Als ihr Vater
im April 2003 plötzlich starb, lud ich
sie zu einem Urlaub nach Mexiko ein.
Wir verliebten uns und nach drei Wo-
chen verlobten wir uns. Im August hei-
rateten wir in Österreich. Dann musste
ich nach Chihuahua zurück, um meine
Diplomarbeit abzuschließen.
Im April 2004 kam ich wieder nach
Österreich. Um meinen Lebensunterhalt
zu bestreiten, arbeitete ich als Hilfsar-
beiter auf dem Bau, in einer Eisdiele in
Lienz, bis ich schließlich zuerst als Lea-
singarbeiter, dann in der Produktion und
jetzt im Büro von IDM (Herstellung von
Wärmepumpen) in Matrei fix angestellt
wurde. Die Arbeit gefällt mir gut und
von Ausländerfeindlichkeit verspüre ich
nichts. Mit Deutsch hatte ich vor allem
mit der Grammatik gewisse Schwierig-
keiten, und mit dem Dialekt war es an-
fangs nicht ganz einfach. Wie sollte ich
auch wissen, dass „obi“ hinunter heißt,
wo oben doch oben ist.
Meine Familie ist inzwischen meine
Heimat geworden. Wir haben drei Kin-
der und leben glücklich in Tristach.
Jonathan auf dem Land
... als Einjähriger mit Mutter
1
Sierra Tarahumara
im Nordwesten
Mexikos
2
Chihuahua, die
Hauptstadt des
größten, gleich-
namigen Bundes-
staates Mexikos
3
Barranca del
Cobre (Kupfer-
schlucht)
1
3
2
Fotos: Beigestellt
Fotos: Beigestellt