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Sonntag, 25. Feber 1996, ein frostiger
klarer Spätwintertag. An der Lienzer Spi-
talsbrücke stehend, entdeckt Dr. Dieter
Moritz (Vogelwarte Helgoland) einen
Kampfläufer (Philomachus pugnax) am
linken Iselufer zwischen den Steinen
flußaufwärts gehend. Frau Bachler wird
hinzugerufen und gemeinsam werden die
besonderen Merkmale des seltenen
Gastes besprochen.
Ca. 29 cm große Limikole, d. h. Watvo-
gel, im Schlichtkleid, dunkelbrauner
Schnabel, rote Beine, Oberseite auffallend
schuppig. Wir bestimmen ihn als ein
Männchen, weil er fast die Größe eines
Kiebitzes erreichte, während das Weib-
chen nur amselgroß ist. Ein Größenver-
gleich war sehr gut möglich, weil gleich-
zeitig mit ihm eine Wasseramsel und eine
Gebirgsstelze anwesend waren. Im Flug
konnte man sehen, daß der Schwanz eine
schwarze Endbinde hat und an den
Außenseiten hell ist. Man hätte den Vogel
eventuell mit einem Rotschenkel ver-
wechseln können, doch dieser hat z. B. ei-
ne sehr deutliche weiße Flügelzeichnung
und einen längeren Schnabel. Die meisten
Menschen kennen den Kampfläufer in sei-
nem auffälligen Balzkleid mit verschiede-
nen farbigen Halskrausen. Unser Vogel
rutschte immer wieder auf dem Randeis
des Flußes aus, beim Versuch ins Wasser
zu gelangen, um nach Nahrung zu suchen.
In Osttirol ist am 17. September 1977
auf einer Wiese an der Haydnstraße in
Lienz ein Kampfläufer von U. Ströckl be-
obachtet worden, allerdings nur mit größ-
ter Wahrscheinlichkeit (A. Heinricher,
1977, Osttiroler Heimatblätter, 49. Jahr-
gang, Nr. 4). Dies wäre somit der zweite
Nachweis für den Bezirk.
Limikolen (Kiebitz, Regenpfeifer,
Schnepfen, Wasserläufer, Strandläufer)
sind im allgemeinen sehr ruffreudige Vö-
gel, nicht aber der Kampfläufer; auf dem
Zuge ruft er gar nicht. Seine Brutheimat ist
der hohe Norden Eurasiens. Von der Tun-
dra in Rußland zieht er im Herbst nach
Südwesten, um in Afrika sein Winter-
quartier zu erreichen. Er überwintert von
der Sahelzone bis zum Kap der Guten
Hoffnung. Im Alpengebiet taucht er nur
deshalb so selten auf, weil er sich auf sei-
nem Durchzug durch Europa zum Winter-
quartier im Süden an große Feuchtgebiete
im Binnenland, aber vor allem an die Kü-
sten hält. Dieser Kampfläufer kann im Ex-
tremfall aus Sibirien stammen. Als näch-
stes Brutgebiet kommen die Niederlande,
die deutsche Nordseeküste und Polen in
Frage.
Solch ein selten beobachteter Vogel
wurde früher als Irrgast bezeichnet, heute
dagegen als Ausnahmeerscheinung, weil
man nicht sicher ist, daß er sich wirklich
„verirrt“ hat. Das Zugverhalten der Vögel
versetzt uns immer wieder in Erstaunen,
durch die großen Entfernungen, die sie all-
jährlich zurücklegen.
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
Nummer 5-6 — 64. Jahrgang
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren ver-
antwortlich.
Anschriften der Autoren dieser Nummer: VS-
Dir. Johannes E. Trojer †, A-9931 Außervillgraten
HNr. 170 – HR Dir. Mag. Dr. Alois Kofler, A-9900
Lienz, Meranerstraße 3 – Annemarie Bachler, A-
9900 Lienz, Kärntnerstraße 7 – Dr. Dieter Moritz,
Vogelwarte Helgoland, Deutschland.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad
Pizzinini, Albertistraße 2a, A-6176 Völs.
Annemarie Bachler – Dieter Moritz
Ein Kampfläufer an der Isel
Kampfläufer.
Foto: Sepp Hackhofer, Bruneck
Schmale helle Flügelbinde
Außenseite hell
Schwanz-Endbinde schwarz