Seite 3 - H_1997_05

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NB:
Nim 1 Maß Milch sied ein handvol ge-
schnittenen Krenn darein laß es gut sie-
den, seich den Krenn ab, laß ihn abkühlen
dann nimb 1 fraggele
5
von der Milch, wirf
1 Handtvol Salz darein und wasch das au-
ter
6
damit,
Seite 3:
in die übrige Milch thue 2 Löfel voll fein
gestoßenen Federweiß
7
darein, dann gib der
Kueh zuerst den gekochten Krenn und dan
die Milchenryrh, dan später die Milch (roher
zu essnen) gib 2 löfl voll ganze Magen
8
ein.
probatum.
So ein Roß geschwölt oder getruckt
oder verlenckt oder sonst wehe gethan
hat, folgentes Rezept:
1 Seitl
9
Weinbrantwein,
3 Kreizer Gafer, 3 Kr. Pfefer,
3 Kr. Osanck
10
, 2 Kr. Goldmihrn
11
,
2 Kr. Penegianische Seifen
12
auf ein
warmes Ohrt gestehlt.
Seite 4:
Wen das Viech ausgespieben hat Cur:
Lörget
13
Wax gleich viel
Schmer
14
auch so fiel
etwas liechtes Cochöll,
ein wenig Salz
Das Schmer muß zuerst zerlassen wer-
den, bey einem gelinden Feur, dan wird das
Wax zerlassen und darein gethan, und
nachdem die Lörgent, und das muß ein
Zeitl
15
lang sieden, dan das Bechöll und
Salz und etwas Brandwein darunter ge-
mischt, sobald es zum abkühlen ist, und das
muß mit der Hand gut eingerieben werden.
Seite 5:
Wen ein Kuh Roth milcht
16
:
Schnitlach
17
Krehn und wilde Bonen
18
unter ein leck einfeichten und einstecken in
der Fruh und auf die Nacht.
Ein gute Cur für den Gallschuß.
für Menschen:
Nimm eine halbe Rothen Wein, und thue
darein ein, und halben Löfel voll gestos-
senen Anttemony
19
, lasse es 48 Stund an
einen warmen Orth Tistillern
20
und dan
nim nur das klare von Wein, getruncken
nicht zu viel auf einmal, bis es Dich
laxiert, und halt mit düngen an, es hielft.
probatum est.
Seite 6:
Beinbruch Pflaster für Rindviech:
Zuerst wird das Bein möglichst gut ein-
gerichtet, dann nehme man
1
2
Pfund ge-
waschenes fichten Pech, 2 Loth schwarz
wurzen, 1 Loth Frauenwurzen, 1 Loth
Scharmicklswurzen
21
, 2 Loth Goldmyrhen,
alles pulverisiert, 2 Loth Teufelsdreck
22
,
1 Quintl
23
Kampfer abegrieben Huth-
wachs, dieß alles gebe man in eine höl-
zerne Schüssel, dann mache man einen
Eisenstecken heiß und während man an
selben
1
2
Pfund Schmeer zerläßt, rühre man
vorbenannte Indegrenzien
24
gut unterein-
ander zu einer Salbe. Man nehme einen
starken gut passenden Leinenfleck und
streiche die Salbe darauf, nicht zu dick.
Dann bereite man nach Erfordernuß des
gebrochenen Beines hölzerne Schienen, die
man mitels Einschnitten an beiden Enden.
Seite 7:
an zwei Spagatschnüre befestiget, die
eine Schiene von der anderen etwa
1
4
Zoll
entfernt. Wenn nun das Pflaster passend
ohne Falten zu machen übergelegt ist, so
lege man die Schienen auf, doch daß selbe
nirgends die blose Haut berühren, und
binde sie mit dem fürgehenden Spagat.
Überdieß werden nun 2 oder 3 oben, unten
und wenn das Verband etwas länger ist in
der Mitte, starke Schnüre so angelegt, daß
man ein Weber Spühlchen durchbringen
kann, mit diesen Spühlen, die gerade auf-
einander sitzen müssen, dreht man den
Verband ganz fest zusammen und steckt
dan einen hölzernen Nagel durch die
Spuhlen. Wenn dann das Verband wieder
locker wird, braucht man bloß die
Spuhlen zu treiben.
Dieser Verband bleibt 8 Tage darauf,
muß aber nachgesehen werden, das
Seite 8:
der Verband stets fest und das Thier ruhig
bleibe. Nach 8 Tagen binde man mit Vor-
sicht los und lege frisches Pflaster darauf
bey welchen allenfalls Teufeldreck,
Schwarzwurz, Scharmickswurz, Gold-
myhren und Kampfer verbleiben kann. Soll-
te es aber Matterie
25
machen, so muß grös-
ser, und wenn Splitterbein sind selbe heraus
genommen werden, die Wunde täglich ein-
mahl mit Bleyessig ausgespritzt und darum
im Verband ein Öffnung gelassen werden,
worauf man nach den einspritzen einen lei-
nen in Bleyessig geweichten Fleck auflegt.
Wenn bei einer Stuten die Nachgeburt
lange nicht vor sich geht:
Linden Rinden und Schwarzwurzen sie-
de man und giese das Wasser davon nebst
einen Leinsamen Abgus in das Trinken.
Von den erwähnten Arzneimitteln bzw.
Arznei-Bestandteilen sind mit Ausnahme
von „Osanck“, „Goldmihr(e)n“ und „Pe-
negianische Seife“ alle bodenständiger
Herkunft; also keine fremdländischen
Importwaren. Nun ist ja bekannt, daß im
nächstgelegenen Siedlungszentrum und
möglichen Bezugsort Lienz, das immerhin
seit 1242 den Status einer Stadt innehatte,
auch das Gewerbe des Apothekers und
„Stadtphysikus“ zu einer bedeutenden Ein-
richtung für die Volksgesundheit zählte.
Jenes läßt sich hierorts bis ins späte 16.
Jahrhundert gesichert nachweisen
26
. Graf
und gräflicher Hof verfügten zeitweise
über einen eigenen „Wundarzt“ oder „Ba-
der“. Früheste Belege darüber datieren aus
dem 14. Jahrhundert.
Hinsichtlich der tierärztlichen Kunst ist
bei weitem keine adäquate Betreuung und
Versorgung nachzuweisen. Der erste er-
folgversprechende, amtliche Versuch zur
Installierung eines ausgebildeten Vete-
rinärmediziners datiert vom 19. 2. 1819,
als das Kreisamt die Bestellung eines sol-
chen entrierte und die Stadt ihre aus-
drückliche Wohlmeinung dazu bekun-
dete
27
.
Die fachspezifische Analyse der alten
Rezepte & Rezepturen sei der Kompetenz
Versierter anheimgestellt.
Anmerkungen:
1 1 Maß – 1,4 l. Umrechnungen hier nach Maßnahme
hist. Gewichte und Maße, MSB-Archiv, OR, Fasz.
„Maßze & Gewichte“. – Vgl. hierzu auch: OHBl. 1935,
S 383; Staffler I, S. 431; Schlern 1933, S 132.
2 1 Loth – 15,75 g.
3 Kampfer; harzart. organ. Verbindung, Heil- und Des-
infektionsmittel.
4 Suppe aus Wasserrüben.
5 1 Fraggele – 0,176 l.
6 Euter.
7 Talkpulver, Grundlage für Salben.
8 Mohn.
9 1 Seitl – 0,35 l.
10 Osanck-Asank-Stinkasant = Teufelsdreck; einge-
trockneter Milchsaft, körner- oder klumpenförmig, aus
der Wurzel einiger Steckenkräuter in iranischen und
afghanischen Salzsteppen; Bestandteil mehrerer
Arzneimittel zur inn. und äuß. Anwendung. – Vgl. J. A.
Schmeller, Bayrisches Wörterbuch I, S. 155.
11 Goldmihr(e)n – (Myrrhe), fremdländ. Harz von Sträu-
chern der Gattung Balsambaum; bei Heilmitteln ver-
wendet.
12 Venezianische Seife.
13 Baumharz von der Fichte (od. Lärche).
14 Schmier- und Konservierungsmittel aus minderwer-
tigen, tierischen Fettresten.
15 Eine Weile.
16 Rötlicher Milchausfluß ist für gewöhnlich auf eine Ge-
fäßinfektion oder auf rotstoffhältige Nahrungsauf-
nahme zurückzuführen. Die Bevölkerung brachte obi-
ges Symptom zumeist mit Bissen von Giftschlangen
(= Beißwürme“) oder Spitzmäusen in Verbindung. –
Mit diesem „Aberglauben“ räumte bereits Anton Carl
von Willburg, in: Krankheiten des Rindviehes, Nürn-
berg, 1823, auf.
17 Schnittlauch.
18 Sau- oder Puffbohnen.
19 Anttemony – Antimon; in der Arznei für Brechmittel
verwendet.
20 Destillieren.
21 Scharmicklswurz – radix saniculae europaeae L. U. a.
auch als Bruchkraut, Sangel, Saunickel, Schärnikel und
Waldklette bezeichnet. – Vgl. Hagers Handbuch
der pharmazeutischen Praxis, 1991, 5. Aufl., Bd. 6,
S. 595 ff.
22 Teufelsdreck – siehe Anm. 10.
23 1 Quintl – 3,93 g.
24 Ingredienzien – Bestandteile einer Mischung.
25 Eiter.
26 MSB (= Museum Schloß Bruck)-Archiv, OR VI/1. –
Ausführlich darüber bei M. Pizzinini, in: Lienz. Das
Große Stadtbuch, Lienz 1982, S. 205 f.
27 Lt. Lienzer Ratsprot. 1819 bzw. MSB-Archiv, OR
VI/1.
Nummer 5 –– 65. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Kuh und Kalb unter den schützenden Au-
gen der (Luggauer) Gnadenmutter, Votiv-
bild, Osttirol, 1. H. 19. Jh.; Öl auf Holz;
29,5 x 22,0 cm (Museum Schloß Bruck).
Foto: Lois Ebner
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift der Autoren dieser Nummer:
Kustos Dr. Lois Ebner, Leiter des Museums
der Stadt Lienz, Schloß Bruck, A-9900 Lienz –
HR Dir. Mag. Dr. Alois Kofler, A-9900 Lienz,
Meranerstraße 3.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblät-
ter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzi-
nini, Albertistraße 2a, A-6176 Völs.