Seite 5 - H_1997_07

Basic HTML-Version

Dies hatte zur Folge, daß sich Figl eines
Tages vertrauensvoll nach einer Parla-
mentssitzung mit der Bitte an Stemberger
wandte, ihm doch einen Urlaubsort in Ost-
tirol zu vermitteln
21
. Stemberger trug dieses
Anliegen nach seiner Rückkehr nach Lienz
dem Bezirkshauptmann vor, und Hibler
nahm sich sofort dieser Sache an. Er hatte
ursprünglich an das Hotel „Schlanitz“ bei
Weitlanbrunn gedacht, doch ergaben sich
Schwierigkeiten, weil der Ort innerhalb der
von der englischen Besatzungsmacht ein-
gerichteten Sperrzone lag. So fiel die Wahl
auf Matrei, Hotel Rauter, wo Figls Familie
gastfreundlich aufgenommen wurde. Ma-
trei mit dem Hotel Rauter blieb in der Fol-
ge ständiges Urlaubsdomizil der Familie
Figl und war nun immer wieder besonderer
Anziehungspunkt für Persönlichkeiten des
öffentlichen
und
politischen
Lebens. Zwischen den Familien Figl und
Obwexer, dem Inhaber des Hotels Rauter,
entstand eine enge Freundschaft
22
.
Nun einiges zu Stembergers Tätigkeit
als Nationalrat, die uns vor allem aus den
stenographischen Protokollen des Parla-
ments bekannt ist
23
: In der 1. Sitzung am
19. Dezember 1945 wurden die Abgeord-
neten angelobt. Knapp ein Monat später,
am 16. 1. 1946 wurde Stemberger in meh-
rere parlamentarische Ausschüsse ge-
wählt, so als Mitglied in den Rechnungs-
hofausschuß und in den Geschäftsord-
nungsausschuß, als Ersatzmitglied in den
Ausschuß für Energiewirtschaft, in den
Zollausschuß und in den Ausschuß für so-
ziale Verwaltung
24
. Im Rechnungshofaus-
schuß war Stemberger Schriftführer, im
Geschäftsordnungsausschuß
Obmann-
Stellvertreter. Mehrmals ist bezeugt, daß er
sich mit anderen Parlamentariern an An-
fragen bzw. Anträgen beteiligt hat
25
.
Stemberger verfaßte im „Osttiroler
Bote“, der Anfang Jänner 1946 erstmals
erschien, zahlreiche politische Artikel. Er
war auch an der Gründung dieser Zeitung
beteiligt und gehörte dem Pressekomitee
an
26
. Regelmäßig informierte er hier seine
Landsleute über das politische Geschehen
in Österreich, aber auch über die Welt-
politik. Insgesamt elf Artikel, zumeist
Leitartikel, hat er publiziert:
Bereits in den ersten Nummern ver-
öffentlichte Stemberger eine Serie von drei
Artikeln, die mit „Politische Rundschau“
überschrieben sind. Darin kommen einer-
seits allgemeine Analysen der öster-
reichischen Innenpolitik zur Sprache –
etwa zur Regierungsbildung nach den
Wahlen vom 25. November – aber auch
Perspektiven, die immer von einem er-
staunlichen Optimismus getragen sind.
Stemberger wies darauf hin, daß Osttirol
im Vergleich zu Wien oder Niederöster-
reich „vom Schicksal begünstigt geblieben
ist“
27
. Zugleich warnte er vor übertriebe-
nen Hoffnungen, die Dinge rasch wieder
in Ordnung bringen zu können. Bereits in
den ersten beiden Aufsätzen zeichnen sich
zwei Themen heraus, mit denen sich Stem-
berger in der Folgezeit ausführlich be-
schäftigen sollte: es ist die Südtirolfrage
28
und die Aufarbeitung des Nationalsozia-
lismus.
Für den heutigen Leser mag in Erinne-
rung gerufen werden, daß man damals,
Nummer 7 –– 65. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Dr. Josef Stemberger und seine Frau Anna, geb. Mellitzer.
Josef Stemberger im Kreis seiner Familie; mit Frau Anna und den Kindern Josef,
Anna und Edwin.