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Nummer 11/1997
65. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Hans Pontiller ist einer der
großen Bildschöpfer der Tiroler
Kunst des 20. Jahrhunderts. An
der Kunstgewerbeschule und an
der Akademie der bildenden
Künste in Wien geschult, wurde
er selbst Lehrer an der Staatsge-
werbeschule in Innsbruck und da-
mit Orientierungspol für viele
Tiroler Bildhauer. Aus der über-
regionalen Position der Kunst-
metropole Wien am Beginn unse-
res Jahrhunderts kehrte er in das
regionale Kunstgeschehen Tirols
und Innsbrucks zurück, er ver-
stand es aber hier, Impulse zu set-
zen und in der grenzüberschrei-
tenden Sicht wiederum die Bin-
dung
zum
internationalen
Geschehen zu bekräftigen.
Hans Pontiller war ein Voll-
ender einer Kunst und hat sie ent-
scheidend und richtungsweisend
mitgeprägt. Er war Vermittler und
Schöpfer zugleich, er gab Anre-
gungen und ordnete sich
demütig der Lehrtätigkeit unter,
beobachtete intensiv und kritisch
und förderte gleichsam wie ein
Mentor. Er war Mittelpunkt einer
Künstlergeneration, wurde ihre
Vaterfigur und ihr väterlicher
Freund.
Hans Pontiller war ein großer
Sucher, er trat das Erbe des Tiro-
ler Bildhauers Ludwig Penz an,
sah sich mit ihm in der Forderung
nach voluminöser Körperlichkeit
verbunden. In seinen Lernjahren blieb er
den traditionellen Strukturen der heimi-
schen Bildhauerei verpflichtet, er verstand
es aber auch, auszubrechen und den Schritt
in neue Richtungen zu wagen. In Ludwig
Penz war ihm ein Vollender einer Kunst-
strömung vorgegeben, in der sich die For-
mensprache Auguste Rodins manifestiert
hatte, in der sich aber auch neue Akzente
ankündigten, die zu einem expressiven
Ausströmen geballter Impulsivität geführt
hatten. Über Penz war Hans Pontiller mit
der internationalen europäischen Figurati-
on verwoben.
Die Frühzeit
1909: kritisch gesehenes Selbstbildnis in
einer Kohlezeichnung. 1910: eine Zirbel-
holzgruppe anno 1809 in erzählerischer
Geschichtsträchtigkeit. 1910: ein in Ton
modellierter weiblicher Akt, einer Porzel-
lanstatuette gleich: drei Ebenen, die das
frühe Werk Pontillers charakterisieren.
Drei Bereiche, die bis in die Jahre nach
dem Ersten Weltkrieg wirksam und die
zum Teil bis in die Spätzeit aktuell blie-
ben. Die Auseinandersetzung mit den
Jubiläumsfeiern des Tiroler Freiheitskamp-
fes 1809 – 1909 ließen in Hans Pontillers
Frühzeit künstlerischen Schaffens
das Historienbild wachsen: ge-
paart mit der literarischen Erzähl-
freude und der skizzenhaften
Spontanität einer Momentauf-
nahme, eingebunden in die Rhy-
thmik der bewegten Äußerung
und der schnitztechnischen
Kenntnis der Skulptur eines
Ludwig Penz. Theatralische In-
szenierung ist Pontiller nur in die-
sen frühen Jahren ein Aus-
drucksmittel, bald kündigt sich
die
Verselbständigung
der
menschlichen Figuration an, in
der das Ringen um Volumen und
nicht um äußere Dekorativität
sichtbar wird.
Erblickt man in Pontillers Bio-
graphie die Notiz der Begegnung
mit Oskar Kokoschka 1912/1913
an der Kunstgewerbeschule in
Wien – hier vor allem in der Akt-
zeichenklasse – mag man vorerst
keinen Nachhall in seinem Werk
erspüren. Von der heutigen Per-
spektive aus betrachtet, frägt
man sich, ob nicht gerade diese
kurze, vielleicht nur sporadische
Begegnung im expressiven und
mystischen Bildwerk der reifen
Zeit ihren Niederschlag und eine
intensive Auswirkung gefunden
hat. Vorweg imponierten noch die
Professoren Barwig und Bitterlich
als Lehrer. Die volle plastische
Konzeption der Skulptur erfuhr
Pontiller erst in der Begegnung
verschiedenster Kräfte an der Kunstge-
werbeschule in Wien.
Die neue Figuration
Auf dem gleichen Fundament wie Anton
Hanak und Albert Bechtold liegt das
Bemühen, das die Figuren für das Fest-
spielhaus Salzburg aus dem Jahre 1926 er-
möglichte: Sinnlichkeit, Trauer, Zorn,
Mutterliebe, Schmerz, Freude: 80 cm
hohe Eichenholzskulpturen, von einer un-
glaublichen Intensität des Ausdrucks ge-
prägt, geschlossen in der Kontur, span-
nungsreich in der Binnenstruktur. Diese
Der Bildhauer Hans Pontiller in seinem Innsbrucker Atelier.
Foto: Anton Demanega, Innsbruck
Gert Ammann
Der Bildhauer Hans Pontiller (1887 – 1970)