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Nummer 2/1999
67. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
• Gerold Foidl wird am 28. April
1938 als Sohn des Heinrich und
der Ida Foidl, geb. Gasperotti, in
Lienz geboren.
• Im Alter von sieben Jahren erlebt
er mit eigenen Augen den Höhe-
punkt der Kosakentragödie im
Lager Peggetz/Lienz mit. In die-
sen Bildern, die ihn zeitlebens
verfolgen, sieht Foidl eines seiner
Lebenstraumata.
• 1947 kehrt Foidls Vater aus der
Kriegsgefangenschaft heim.
• 1948 – 1952 besucht Foidl die
Unterstufe des Lienzer Gymna-
siums.
• 1952 verbringt Foidl ein halbes
Jahr in der Psychiatrischen Kli-
nik (Einlieferungsgrund: Epilep-
sie).
• 1960 stirbt die Mutter an den Fol-
gen eines Verkehrsunfalls.
• 1962 unternimmt Foidl einen
Selbstmordversuch und landet in
der HNO-Klinik.
• Nach seiner Genesung absolviert
er die dreijährige Handelsschule
in Lienz. Im Anschluß daran ist
Lois Außersteiner
Gerold Foidl – „Der Richtsaal“
Eine Nachlese anläßlich der 60. Wiederkehr des Geburtstages von Gerold Foidl
Gerold Foidl (1938 – 1982).
Foto: Archiv
Gerold Foidl wäre am 28. April vergangenen Jahres 60 Jahre alt
geworden. In Osttirol dürfte er nur wenigen wirklich ein Begriff
sein, obgleich er der einzige namhafte Autor aus unserem Bezirk ist,
dessen Werke in Programme renommierter Verlage wie Suhrkamp
oder Fischer Aufnahme gefunden haben. Foidls Roman
„Der Richt-
saal – Ein Hergang“
ist wegen seiner „neuen“ Sicht von „Heimat“
(im weiteren Sinn des Wortes) in literarisch engagierten Kreisen als
Sensation aufgenommen, hierzulande, obwohl nur von einem klei-
nen Kreis gelesen, wohl mehr oder weniger als „Skandal“ empfun-
den worden. Allzusehr widersprach das von ihm entworfene Bild ei-
ner Lienzer Mittelstandsfamilie – des Lienzer Milieus generell –
liebgewonnenen, längst sakrosankt gewordenen Klischees.
Foidl versucht einen Gegenbeweis gegen jene häufig geäu-
ßerte Behauptung zu führen, wonach eine „harte“ Jugend ein er-
folgreiches Erwachsenenleben quasi garantiere. (Man vergleiche
die Artikelserie im Osttiroler Boten „Osttiroler Wurzeln“ – Eine
Serie über Karrieren fern der Heimat.) In seinem Roman
„Der
Richtsaal – Ein Hergang“
stellt Foidl den Hergang einer
Kindesseelentötung in mehreren Etappen eindringlich – manche
werden sagen „auf höchst abstoßende Weise“ – dar.
Foidls posthum veröffentlichte Notizen, endredigiert von Peter
Handke, erschienen unter dem Titel
„Scheinbare Nähe“,
zeigen
das fatale Ergebnis – so sieht es zumindest Foidl selbst – einer
solch problematischen Genese. Es sind Aufzeichnungen eines sich
selbst und seiner Umgebung zum Vorwurfsekel Gewordenen, ei-
nes im Leben Gescheiterten. Gnadenlos und akribisch zugleich,
mit unglaublicher sprachlicher Schärfe, seziert Foidl sein eigenes
Selbst, sein elendes Dasein, seine Sicht von der Welt, die er schon
früh als Prosektur zu begreifen gezwungen worden zu sein meint.
Uns Osttirolern wäre die Lektüre der Werke Foidls, eben weil
sie unserem sorgsam gehegten Selbstbild dermaßen widerspre-
chen, als geistige Fastenkur unbedingt anzuraten.
Zur Person des Autors
er als Zollbeamter in Reutte und
Innsbruck tätig. Später findet
Foidl eine Anstellung im Finanz-
ministerium in Wien. Auch in
Kufstein ist Foidl als Zolldekla-
rant einer Speditionsfirma be-
schäftigt.
• 1968 fesselt den Autor ein
schwerer Verkehrsunfall für ein
ganzes Jahr ans Gipsbett.
• Von 1970 bis zu seinem frühen
Tode lebt Foidl in Salzburg.
• 1978 unternimmt er eine Grie-
chenlandreise, 1979/80 lebt er
vorübergehend in Mexiko.
• 1980 erlangt Foidl Kenntnis von
seiner Lungenkrebserkrankung.
• 1981 nimmt Foidl als Obmann
der „Salzburger Autorengruppe“
am Ersten Österreichischen
Schriftstellerkongreß in Wien
teil.
• Die letzte Zeit seines Lebens ver-
bringt er im Sonderkrankenhaus
Grafenhof. Gerold Foidl erliegt
am 29. März 1982 seiner
Krebserkrankung. Er findet in
Kötschach-Mauthen seine letzte
Ruhestätte.