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Nummer 3-4/1999
67. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Diese Geschichte vom kurzen Leben des
Christlich-deutschen Turnvereines in Li-
enz ist keine nostalgische Vergangen-
heitsbewältigung der Vorgestrigen. Sie
soll an die christlich-deutsche Tradition ei-
ner kraftvollen mitteleuropäischen Turn-
bewegung erinnern, die sich hier ein Stell-
dichein gab. Sie wurde mit der national-
sozialistischen
Machtübernahme
in
Österreich im März 1938 abgewürgt und
kam nie wieder zum Leben. Die Entste-
hung und das Ende des starken Christlich-
deutschen Turnvereines in Lienz sind in
die weitgespannten politischen Vorgänge
der damaligen Zeit eingebettet und in Ziel-
setzung und Ausformung von ihnen be-
stimmt.
Gründung des CD-Turnerbundes
in Österreich
Der langjährige Bundesobmann der
Österreichischen Turn- und Sportunion
(nach 1970), Sekt.-Chef Dr. Josef Finder,
greift in einer Dokumentation (1995) auf
die Anfänge der christlichen Sportbewe-
gung um die Jahrhundertwende zurück:
Das war der Werdegang einer Idee mit
eminent politischem und sozialpoliti-
schem, aber auch patriotischem und glau-
bensmäßigem Hintergrund. Sinngemäß
heißt es dort: Als vor der Jahrhundertwen-
de das Unheil eines unduldsamen Natio-
nalismus seine schlammigen Wellen
überallhin schwemmte, als es dem recht-
lich denkenden Österreicher unmöglich
wurde, mit unnatürlichen und verletzenden
nationalistischen Lehren Gemeinschaft
zu halten, wurde der „Christlich deutsche
Turnerbund 1900“ in Wien gegründet. Da-
mit war die erste Turnbewegung auf
katholischer und vaterländischer Grund-
lage geschaffen. Als Vereinsziele wurden
gesetzt: Ausübung des Deutschen Turnens
nach Friedrich Ludwig Jahn, Pflege des
deutschen Standesbewußtseins und der
christlichen Überzeugung, Weckung und
Kräftigung vaterländischer Gesinnung.
Alois Heinricher
Der Christlich-deutsche Turnverein
in Lienz 1927 – 1938
Die Fahne des CD-Turnvereines Lienz mit
dem Symbol des Turnkreuzes – die vier
„F“ in Kreuzform. Es ist ein Beweis, wie
tief das christliche Denken und Fühlen in
den Christlich-deutschen Turnern ver-
ankert war. Die Fahne wurde während der
NS-Zeit versteckt gehalten bei Maier
Julius, im Widum u. a.
Der Wahlspruch des 1. Obmannes, Dr.
Anton Frey, legte Wert nicht nur auf die
körperliche Ertüchtigung, sondern auch
auf die seelisch-geistige Bildung: „Kör-
perkraft und Geistesmacht erst den
ganzen Menschen schafft.“
Wie in anderen Ländern der Öster-
reichisch-ungarischen Monarchie gab es
auch in Tirol Vorläufer der christlich-deut-
schen Turnbewegung.
Frühe sportliche Vereinigungen
in Lienz
Die erste organisierte Turnergruppe in
Lienz geht auf den Feuerwehrpionier
Aegid Pegger zurück, der um 1865 eine
Turnerschaft um sich gesammelt hatte, mit
der er Löschübungen durchführte.
Der zweitälteste Sportverein in Lienz
scheint der „Radfahrer-Klub“ gewesen zu
sein, der sich im Jahre 1892 auch mit
„Schneeschuhlaufen“ zu beschäftigen
hatte.
Ebenfalls schon vor 1900 dürfte der
„Turnverein Lienz“ einen regen Turnbe-
trieb entfaltet haben; denn im Jahre 1904
hielt der „Deutsche Turnverein“ in Lienz
sein Gaufest ab, nachdem hier bereits im
Jahre 1898 ein „Gauturntag“ durchgeführt
worden war.
Ab dem Jahre 1910 agierte schon der
„Wintersport Klub Lienz“; aber schon
einige Jahre vorher gab es Schirennen am
Zettersfeld.
Eine Jugendvereinigung mit Namen
„Jugendhort Edelweiß“ scheint zumindest
in den Jahren 1911 bis 1915 sportlich tätig
gewesen zu sein. Führung: Anton Lechner
und Kaplan Eisendle.
Ebenfalls vor dem Ersten Weltkrieg gab
es in Lienz einen Turnverein bürgerlicher
Richtung, der offenbar Lehrlinge in seine
Reihen aufnahm. Mitglieder des Vereines
waren aber auch angesehene Bürger der
Stadt, u. a. die späteren Bürgermeister
Th. von Hibler, Josef Henggi und Alois
Pichler.
Schließlich könnte auch die Turnidee
der „Katholischen Gesellenvereine Öster-
reichs und Deutschlands“, gegründet
1896, von Südtirol, wo die „Kolping-
turnerschaft“ sehr aktiv war, auf den Li-
enzer
Kolpingverein
übergegriffen
haben.
In welchen Schulen durch die voll aus-
gebildeten Lehrer (Landesschulgesetz
1892) das Turnen Eingang in die Pflicht-