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Der Gnomon als Ursprung für die
Sonnenuhr
Nach dem im 5. Jhdt. v. Chr. lebenden
Geschichtsschreiber Herodot haben die
Griechen die Konstruktion von Sonnen-
uhren von den Babyloniern gelernt. Diese
verwendeten den Schattenstab vorwiegend
für astronomische Messungen. Erst die
Griechen entwickelten daraus die Sonnen-
uhr. Sie bezeichne-
ten den Schatten-
stab als Gnomon.
Abgeleitet davon
bedeutet Gnomo-
nik die Lehre von
den Sonnenuhren.
Die Babylonier,
die bereits 2.000
Jahre v. Chr. ein
hohes astronomi-
sches Wissen be-
saßen, verwende-
ten den Gnomon,
einen
senkrecht
auf eine horizon-
tale Ebene gestell-
ten Stab, als astro-
nomisches Mess-
gerät. Mit Hilfe
seines Schattens
konnten sie nicht
nur die Südrich-
tung exakt bestim-
men, sondern auch
die Sonnenwen-
den, die Tag- und
Nachtgleichen und
damit einen Ka-
lender entwickeln.
Es waren die
Griechen, die mittels des Gnomons die
ersten Sonnenuhren für die Messung der
Tagesstunden konstruierten. Von der Antike
bis ins Mittelalter wurden der „lichte Tag“,
also die Zeitspanne von Sonnenauf- bis
Sonnenuntergang, sowie die Nacht in je-
weils zwölf Abschnitte geteilt. Da die Län-
ge dieser Zeitspannen von der Jahreszeit ab-
hängig ist, ergaben sich im Laufe des Jahres
ungleich lange Tag- und Nachtstunden.
Man nennt sie daher temporale Stunden.
Der Begriff Sonnenuhr
Die Sonnenuhr zählt zu den ältesten und
bedeutendsten Erfindungen des Men-
schen. Der Gebrauch begann vor minde-
stens 4.000 Jahren. Seither hat sie sich
immer weiter entwickelt. Obwohl man sie
heute nicht mehr benötigt, ist sie aus
unserer Welt nicht verschwunden. Es
entstehen nach wie vor Sonnenuhren
an Hausfassaden
oder in Gärten.
Der Grund dafür
ist wohl viel-
schichtig.
Viel-
leicht kann ich
Ihnen die Gründe
mit diesem Artikel
ein wenig er-
klären.
Wenn sie auch
landläufig als ein
Gerät zur Mes-
sung der Tageszeit
bekannt ist, so
umfaßt sie doch
einen wesentlich
größeren Nutzbe-
reich. Die Be-
zeichnung Son-
nenuhr ist ein
Samme lbegr i f f .
Man versteht dar-
unter ganz allge-
mein ein Gerät zur
Messung von Son-
nenkoordinaten.
Man kann Kalen-
derdaten (Datum,
Sonnenwenden,
Ä q u i n o k t i e n ) ,
astronomische Werte (Deklination, Rek-
taszension, Azimut und Höhe der Sonne
usw.), geographische Daten (geogr.
Breite, Ebbe und Flut) und sogar astrolo-
gische Einzelheiten (Aszendenten, astro-
logische „Häuser“ u. a.) ermitteln. Aller-
dings muß das Zifferblatt der Sonnenuhr
entsprechend berechnet und konstruiert
werden.
Aber selbst bei der Messung der Tages-
zeit gibt es Variationen. Es gibt Sonnen-
Nummer 9/1999
67. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Virgen, Wallfahrtskirche Obermauern, datierte Sonnenuhr von 1601.
Foto: Heinrich Stocker
Karl Schwarzinger
Sonnenuhren in Osttirol
uhren für die Bestimmung der wahren und
mittleren Ortszeit, der temporalen Stun-
den, der Gebetszeiten, der italienischen
und babylonischen Stunden und schließ-
lich der Zonenzeit.
Sie erkennen aus dieser Aufzählung be-
reits, eine Sonnenuhr kann wesentlich
komplizierter und universeller sein als
herkömmlich angenommen wird. Und
schließlich sei noch angemerkt: Obwohl
sich der Mensch schon Jahrtausende hin-
durch mit Sonnenuhren beschäftigt, ist
ihre Entwicklung noch lange nicht abge-
schlossen. Durch neue Technologien,
welche uns in erster Linie die Elektronik
beschert hat, werden ständig neue
Sonnenuhrentypen entwickelt und gebaut.
Sie können sich daher vorstellen, dass auf
diesem Gebiet bestimmt keine Lange-
weile um sich greift.