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OBERKÄRNTNER
VOLLTREFFER
7. DEZEMBER 2015
CHRONIK
MEINE
G
ESCHICHTE
Die Pferdeflüsterin aus Oberkärnten
Gerda Beer,
Teuchl/Penk:
Pferde faszinierten Gerda Beer schon von Kindesbeinen an. Ab und zu die Haflingerstute am großelterlichen Bauernhof zu putzen
war jedoch als Kind ihr einziger Zugang zu ihnen. Manchmal folgten ein paar Reitstunden in einer Reitschule. Sie war aber weit
davon entfernt, jemals ein eigenes Pferd zu besitzen.
Nach vielen Jahren der Pferde-
abstinenz, einer Lehre zur Indus-
triekauffrau und der Geburt
ihrer Tochter sollte jedoch der
Funke wieder aufflammen. „Es
stellte sich heraus, dass meine
Tochter genauso pferdeverrückt
werden sollte wie ich selbst und
mir wurde wieder bewusst, was
ich all die Jahre vermisst hatte –
ein Pferd“, erzählt Gerda Beer.
Also begannen Mutter und Toch-
ter gemeinsam Reitunterricht zu
nehmen, und kurze Zeit darauf
kauften sie zwei – so dachten
sie jedenfalls – brave Pferde.
Nun – eines davon war sehr brav
– der Vorbesitzer hatte es zwei-
felsfrei sehr gut erzogen. Num-
mer zwei jedoch war mit seinen
sechs Monaten alles andere als
brav. Beer: „Nun wusste ich es
damals nicht besser und be-
folgte die Ratschläge meiner da-
maligen Reitlehrerin. Sie riet mir,
das Pferd auf die Wiese zu stel-
len, bis es drei Jahre alt sei und
dann mit der Arbeit zu begin-
nen. Jedoch bereits im zarten Al-
ter von eineinhalb Jahren ließ
sich Hidalgo weder vernünftig
führen noch problemlos beim
Hufschmied vorstellen, und mir
wurde klar, dass ich einen ande-
ren Ausbildungsweg für mein
Pferd suchen musste.“
Durch eine Freundin
kam Gerda Beer auf
Natural Horseman-
ship – was vielen viel-
leicht als „Pferdeflüs-
tern“ bekannt ist.
Natural
Horshemanship
(NH)
NH ist keine Disziplin
wie Westernreiten,
Dressur oder Sprin-
gen, sondern es ist
eine Grundeinstel-
lung. Es ist anfangs
eher ein Menschen-
Training, da der Mensch zuerst
lernen muss, wie diese „Sprache“
funktioniert. „So lernte ich, dass
Hidalgo nicht etwa bösartig war,
nein, er war einfach nur unsicher
und ich konnte ihm die notwen-
dige Sicherheit damals einfach
nicht geben. So beschloss er, sei-
ne eigenen Entscheidungen zu
treffen, was ich damals fälsch-
licherweise als Ungehorsam deu-
tete“, erzählt die „Pferdeflüste-
rin“. Pferde verständigen sich
hauptsächlich durch Körperspra-
che. Der Mensch muss diese er-
lernen, um sich dem Pferd gegen-
über klar verständlich machen zu
können. Nach einigen Kursen und
Privattrainings stellen sich erste
Erfolge mit Hidalgo ein, und so
beschloss sie, diesen Weg weiter
zu gehen. Als die Mölltalerin 2012
auf einer Messe André Stockinger
und die NHT-Academy kennen-
lernte, war für sie klar, dass sie
irgendwann Natural Horseman-
ship-Trainer werden wollte. Schon
alleine deshalb, um mit ihren Pfer-
den pferdegerechter umgehen zu
können, aber auch um anderen
Pferdebesitzern eine Alternative
zum bisher bekannten Ausbil-
dungsweg des Pferdes zu bieten,
der oft mit unschönen Bildern ein-
her geht – denn Gewalt ist nie-
mals eine Lösung! Pferde leben in
einem hierarchischen System mit
klaren Strukturen, welche sich der
Mensch zunutze machen kann.
Durch Aufmerksamkeit, Vertrau-
en und Respekt lernt das Pferd
mit dem Menschen zu kommuni-
zieren, sich auf ihn zu verlassen
und sich in seiner Nähe sicher zu
fühlen. Bei dieser Arbeit ist man
gezwungen, auch an sich selbst zu
arbeiten – seine eigenen Schwä-
chen zu erkennen, Fehler einzu-
gestehen und daraus zu lernen.
Das Ziel der Arbeit ist ein Pferd,
das gerne bei dem Menschen sein
möchte und gerne mitarbeitet.
Reitpädagogische
Betreuung und
Centered Riding
©
Um Kindern so früh wie möglich
den richtigen Umgang mit dem
Pferd zu lernen, machte Gerda
Beer 2013 auch die Ausbildung
zum reitpädagogischen Betreu-
er. Nach dem Vorbild des Natu-
ral Horsemanship kommen die
Kinder durch einfache Boden-
arbeits- und Führübungen dem
Pferd spielerisch näher und sam-
meln erste Reiterfahrung ohne
Angst und Erfolgsdruck. Die reit-
pädagogische Betreuung ist eine
sinnvolle Investition für die geis-
tige, seelische und körperliche
Entwicklung von Kindern. Durch
die dreidimensionale Bewegung
werden der Gleichgewichtssinn
und die Rhythmusfähigkeit ange-
sprochen. „Die reitpädagogische
Betreuung befasst sich nicht mit
Reitunterricht im herkömm-
lichen Sinne, allerdings stellt es
eine ideale Basis für diesen dar.
Ein Ziel ist aber natürlich auch,
einen geschmeidigen und ausba-
lancierten Sitz auf dem Pferde-
rücken zu erlernen. Dies ge-
schieht über verschiedene Spiele
und Turnübungen, die unter an-
derem aus dem Voltigiersport
abgeleitet werden“, erklärt sie.
Das Reiten nimmt je-
doch nur einen Teil von
vielen ein – auch die
Grundlagen der Pferde-
versorgung wie das Put-
zen und Pflegen von
Pferd und Ausrüstung
und die Fütterung sind
Bereiche der reitpäda-
gogischen Betreuung,
die für Kinder ab vier
Jahren geeignet ist. Da-
mit Erwachsene nicht zu
kurz kommen, bietet
Gerda Beer als Centered
Riding-Trainer Level 1
auch
Sitzschulungen
nach Sally Swift an.