Table of Contents Table of Contents
Previous Page  14 / 28 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 14 / 28 Next Page
Page Background

14

OBERKÄRNTNER

VOLLTREFFER

7. DEZEMBER 2015

CHRONIK

MEINE

G

ESCHICHTE

Die Pferdeflüsterin aus Oberkärnten

Gerda Beer,

Teuchl/Penk:

Pferde faszinierten Gerda Beer schon von Kindesbeinen an. Ab und zu die Haflingerstute am großelterlichen Bauernhof zu putzen

war jedoch als Kind ihr einziger Zugang zu ihnen. Manchmal folgten ein paar Reitstunden in einer Reitschule. Sie war aber weit

davon entfernt, jemals ein eigenes Pferd zu besitzen.

Nach vielen Jahren der Pferde-

abstinenz, einer Lehre zur Indus-

triekauffrau und der Geburt

ihrer Tochter sollte jedoch der

Funke wieder aufflammen. „Es

stellte sich heraus, dass meine

Tochter genauso pferdeverrückt

werden sollte wie ich selbst und

mir wurde wieder bewusst, was

ich all die Jahre vermisst hatte –

ein Pferd“, erzählt Gerda Beer.

Also begannen Mutter und Toch-

ter gemeinsam Reitunterricht zu

nehmen, und kurze Zeit darauf

kauften sie zwei – so dachten

sie jedenfalls – brave Pferde.

Nun – eines davon war sehr brav

– der Vorbesitzer hatte es zwei-

felsfrei sehr gut erzogen. Num-

mer zwei jedoch war mit seinen

sechs Monaten alles andere als

brav. Beer: „Nun wusste ich es

damals nicht besser und be-

folgte die Ratschläge meiner da-

maligen Reitlehrerin. Sie riet mir,

das Pferd auf die Wiese zu stel-

len, bis es drei Jahre alt sei und

dann mit der Arbeit zu begin-

nen. Jedoch bereits im zarten Al-

ter von eineinhalb Jahren ließ

sich Hidalgo weder vernünftig

führen noch problemlos beim

Hufschmied vorstellen, und mir

wurde klar, dass ich einen ande-

ren Ausbildungsweg für mein

Pferd suchen musste.“

Durch eine Freundin

kam Gerda Beer auf

Natural Horseman-

ship – was vielen viel-

leicht als „Pferdeflüs-

tern“ bekannt ist.

Natural

Horshemanship

(NH)

NH ist keine Disziplin

wie Westernreiten,

Dressur oder Sprin-

gen, sondern es ist

eine Grundeinstel-

lung. Es ist anfangs

eher ein Menschen-

Training, da der Mensch zuerst

lernen muss, wie diese „Sprache“

funktioniert. „So lernte ich, dass

Hidalgo nicht etwa bösartig war,

nein, er war einfach nur unsicher

und ich konnte ihm die notwen-

dige Sicherheit damals einfach

nicht geben. So beschloss er, sei-

ne eigenen Entscheidungen zu

treffen, was ich damals fälsch-

licherweise als Ungehorsam deu-

tete“, erzählt die „Pferdeflüste-

rin“. Pferde verständigen sich

hauptsächlich durch Körperspra-

che. Der Mensch muss diese er-

lernen, um sich dem Pferd gegen-

über klar verständlich machen zu

können. Nach einigen Kursen und

Privattrainings stellen sich erste

Erfolge mit Hidalgo ein, und so

beschloss sie, diesen Weg weiter

zu gehen. Als die Mölltalerin 2012

auf einer Messe André Stockinger

und die NHT-Academy kennen-

lernte, war für sie klar, dass sie

irgendwann Natural Horseman-

ship-Trainer werden wollte. Schon

alleine deshalb, um mit ihren Pfer-

den pferdegerechter umgehen zu

können, aber auch um anderen

Pferdebesitzern eine Alternative

zum bisher bekannten Ausbil-

dungsweg des Pferdes zu bieten,

der oft mit unschönen Bildern ein-

her geht – denn Gewalt ist nie-

mals eine Lösung! Pferde leben in

einem hierarchischen System mit

klaren Strukturen, welche sich der

Mensch zunutze machen kann.

Durch Aufmerksamkeit, Vertrau-

en und Respekt lernt das Pferd

mit dem Menschen zu kommuni-

zieren, sich auf ihn zu verlassen

und sich in seiner Nähe sicher zu

fühlen. Bei dieser Arbeit ist man

gezwungen, auch an sich selbst zu

arbeiten – seine eigenen Schwä-

chen zu erkennen, Fehler einzu-

gestehen und daraus zu lernen.

Das Ziel der Arbeit ist ein Pferd,

das gerne bei dem Menschen sein

möchte und gerne mitarbeitet.

Reitpädagogische

Betreuung und

Centered Riding

©

Um Kindern so früh wie möglich

den richtigen Umgang mit dem

Pferd zu lernen, machte Gerda

Beer 2013 auch die Ausbildung

zum reitpädagogischen Betreu-

er. Nach dem Vorbild des Natu-

ral Horsemanship kommen die

Kinder durch einfache Boden-

arbeits- und Führübungen dem

Pferd spielerisch näher und sam-

meln erste Reiterfahrung ohne

Angst und Erfolgsdruck. Die reit-

pädagogische Betreuung ist eine

sinnvolle Investition für die geis-

tige, seelische und körperliche

Entwicklung von Kindern. Durch

die dreidimensionale Bewegung

werden der Gleichgewichtssinn

und die Rhythmusfähigkeit ange-

sprochen. „Die reitpädagogische

Betreuung befasst sich nicht mit

Reitunterricht im herkömm-

lichen Sinne, allerdings stellt es

eine ideale Basis für diesen dar.

Ein Ziel ist aber natürlich auch,

einen geschmeidigen und ausba-

lancierten Sitz auf dem Pferde-

rücken zu erlernen. Dies ge-

schieht über verschiedene Spiele

und Turnübungen, die unter an-

derem aus dem Voltigiersport

abgeleitet werden“, erklärt sie.

Das Reiten nimmt je-

doch nur einen Teil von

vielen ein – auch die

Grundlagen der Pferde-

versorgung wie das Put-

zen und Pflegen von

Pferd und Ausrüstung

und die Fütterung sind

Bereiche der reitpäda-

gogischen Betreuung,

die für Kinder ab vier

Jahren geeignet ist. Da-

mit Erwachsene nicht zu

kurz kommen, bietet

Gerda Beer als Centered

Riding-Trainer Level 1

auch

Sitzschulungen

nach Sally Swift an.