HB 2015 05 - page 1

Bevor ich von
dieser mühe-
vollen Arbeit be-
richte, ist es not-
wendig,
den
Leserinnen und
Lesern die Orts-
und Zeitumstände
zu vermitteln.
Ich weise darauf
hin, dass meine
damaligen Er-
fahrungen und
auch das heu-
tige Wissen nur
begrenzt für an-
dere Regionen
in Osttirols Sei-
tentälern Gültig-
keit haben.
Im Defereggen-
tal an den Süd-
flanken des De-
feregger Riegels
in der Lasörling-
gruppe entstan-
den im Bereich
zwischen 150 m
und 358 m über der Talsohle (relative
Höhe) zahlreiche Bergsiedlungen wie
Moos – Bergl – Mellitz – Kurztal – Außer-
egg – Ratschitsch – Linden – St. Veit –
Gsaritzen – Oberholz – Gritzen und Gas-
sen. Sie alle gehören zur Katastral-
gemeinde St. Veit. Sie sind noch in den
zwanziger Jahren des abgelaufenen Jahr-
hunderts nur über Kirchwege, Gehwege
oder Viehwege miteinander verbunden
gewesen und waren für Fuhr- und Fahr-
behelfe jeglicher Art in der schneefreien
Jahreszeit ungeeignet, da zu schmal, also
nur „einspurig“.
Daher fütterten die Bauern weder Pferde
noch Ochsen. Alles, was zum Leben und
Wirtschaften nötig war, wurde in Körben
verschiedener Größe und Kraxen transpor-
tiert. Betreffend die Feldarbeit, trug man die
Trogitlin (Heuballen, mit Stricken zusam-
mengebunden) und Garben (Getreidebün-
del) zunächst zu den Harpfen und im Herbst
zum Dreschen in die Dille (Scheune).
Ebenso wurden Kartoffeln und Rüben usw.
zum Hof hinauf oder hinunter getragen. Das
habe ich als Bub hautnah erlebt.
Die schneesicheren Winter ermöglichten
Schlittenwege zu schaffen, auf denen Heu,
Holz, Waldstreu auf Holzschlitten beför-
dert werden konnten. Der Stalldünger
(Mist) wurde mit der Mistbanne in die
Äcker und Heumähder gezogen. Der
Nachbar hat mit Nachbarschaftshilfe in
den Vollmondnächten im Jänner den Mist
in den großen Acker und in die dahinter
liegenden Mähder hinaufziehen lassen, bis
endlich ein Feldaufzug die Arbeit über-
nommen hat.
Um der Christenpflicht gerecht zu wer-
den, waren an Sonn- und Feiertagen Män-
ner, Frauen, Eltern mit schulpflichtigen
Kindern zur Pfarrkirche St. Vitus je nach
wetterbedingten Wegverhältnissen ein bis
eineinhalb Stunden von Moos und eine
Stunde von Gas-
sen unterwegs.
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Besonders
mühevoll war das
Holz-, Heu- und
Waldstreuziehen
von der Innerstanz-
brücke (i. folg.
Stanzbrücke) zu
den Höfen in der
Mellitz, Kurz-
tall/Kofl, Gatte-
rer, Unteregger
und Ratschitsch
(ca. 150 bis 360
Höhenmeter berg-
auf). Der Wald
oberhalb der sonn-
seitig liegenden
Weiler deckte
den Holzbedarf
nicht. Daher war
es nötig, von
der „Schattseite“
südseitig der
Schwarzach Holz
zu beschaffen.
Das Wiesenheu
konnte zwar in der Schupfe zwischenge-
lagert werden, musste aber dann ebenfalls
zu den Häusern hinaufgezogen werden.
Der Schlitten war, wie bereits erwähnt, das
unverzichtbare Transportmittel.
Die Elektrizität hält Einzug
Die ersten Kleinkraftwerke in der Ge-
meinde St. Veit erzeugten Gleichstrom. Sie
wurden um 1921 bis 1923 gebaut.
In der Fraktion Görtschach war der
Standort am Mullitzbach oberhalb der
Jaggler Mühle. Anteil hatten die Bauern-
höfe in Ratschitsch, Außeregg und Kurz-
tall. Weger, Kolmis, Unteregger, Kofler
und Niege zahlten Strom. In Görtschach
habe zu Weihnachten 1922 erstmals elek-
trisches Licht gebrannt.
In St. Veit war der Standort am Gsaritzer
Bachl beim Ortner (heute noch in Privat-
besitz!), und das „Gritzer Werk“ hatte süd-
östlich des Maurergutes in der Osing sei-
NUMMER 5/2015
83. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Hans Kurzthaler
Vom „Holzzoihin“ in St. Veit i. D.
Vom Holzziehen im Defereggen in alter Zeit
Der Ortskern der Gemeinde St. Veit i. D. kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Vergleich zur
Zwischenkriegszeit, auf die sich die vorliegende Abhandlung bezieht, hat sich wenig verändert.
(Sammlung Ute Pizzinini, Völs)
Foto und Verlag: Karl Oth, Sillian
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