Seite 4 - HB_2013_09_10

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werden können; es fehlt halt an allem. In
den Pfarren rings herum entstand geradezu
ein Wettlauf der Glockenbeschaffung. Die
Nußdorfer mit ihrem schlauen Pfarrer
konnten am 13. Juli 1919 als erste Pfarre
in Osttirol zwei Glocken weihen lassen.
In Leisach vergehen acht Jahre, bis zu
Pfingsten 1926 die Gläubigen ein wunder-
bares neues Geläute („ein Salve-Regina
Geläut“) erhalten. Was wird es wohl für
ein erhabenes Gefühl gewesen sein, als
vier Wagen geschmückt mit den Glocken
auf Leisach zufuhren. Nach der Weihe am
Dorfplatz wurden die Glocken noch am
selben Tag aufgezogen und die 3000 kg
Glockenmasse in den Turm gehängt und
am Pfingstdienstag, 16.30 Uhr, erklingt
das schöne Lied zum ersten Mal!
Das Freudenlied von 1926 ist kaum ver-
stummt, so werden 1941 die Glocken
schon wieder vom Turm geholt und ab-
transportiert im Viehwaggon.
Ein 60- und 50- Jahr Jubiläum für die
Leisacher Glocken:
1954: Kauf von zwei neuen Glocken
1964: Die große Glocke kommt nach
Leisach
Die Leisacher hatten ein feines Gehör
und noch mehr Übung im Beschaffen von
Glocken. Die gute Verbindung von alters
her zu den ehrwürdigen und frommen
Schwestern zu Lienz wusste Bürgermeister
Johann Oberwalder (Oberhöller) zu nutzen,
und die Dominikanerinnen machten den
Leisachern eine (b)-Glocke zum Geschenk.
Josef Mair (Moarbauer) und der Mesner
Ander Oberwalder spendeten 1947 zum
Peter-und-Pauls-Tag eine (des)-Glocke.
Zum feinen Gehör der Leisacher kam
die noch größere Spendenfreudigkeit,
und so konnte im Jahre 1954 ein neues
Geläute angeschafft werden: eine (f)- und
eine (as)-Glocke.
Die noch junge Schützenkompanie von
Leisach machte es sich zur Aufgabe, für
eine große Glocke zu sammeln. Den
Schützen, mit Obmann Alois Micheler,
gelang mit viel Arbeit und der gewohnten
Spendenfreudigkeit der Leute aus nah und
fern und nicht zuletzt der immerwähren-
den Stütze durch die Gemeinde, eine
Glocke in (des)-Stimmung mit 1840 kg zu
beschaffen. 1964 hat sie Msgr. Dr. Josef
Jagodi
č
, Ortspfarrer von Leisach, in fest-
licher Feier auf dem Dorfplatz geweiht.
Sie ist bis jetzt die 20. Glocke im Turm,
gerechnet ab dem Jahre 1686.
Was nützen all diese Glocken, wenn sie
nicht in Schwingung kommen und ihr
Geläut im schönsten „Sang“ übers Dorf
verstreuen.
Das übernahmen die „Glockenbuben“,
ganze Scharen von Burschen hatten im
Laufe der Jahrhunderte diese Aufgabe inne.
Sie waren wohl alle mit gleicher Freude
und Innigkeit bei dieser ehrenvollen Tätig-
keit dabei. Wie bei allem, brauchte es viel
Geschick und Technik, gemischt mit kör-
perlicher Kraft. Bei all dem Ernst, so hatten
die Buben auch ihre (Heilig-)Hetz dabei.
Das Läuten war ihre größte Pflicht, die
Messe nicht immer, die Großen durften in
der Glockenstube warten, die Jungen muss-
ten auf der Kanzelstiege hocken.
Wenn es zum Läuten kam, hat jeder sei-
nen Platz gefunden, die Jüngsten in der
Glockenstube; mit den Hanfstricken durf-
ten sie die Kleinen ziehen. Die großen
Buben sind oben im Glockenstuhl; mit Le-
derriemen wird die Große angeschoben.
Viel Kraft und Schwung ist von Nöten,
aber wenn sie steht ganz oben und man sie
nicht halten kann, hilft nur ein schneller
Sprung zur Seite hin und schon peitschen
die Riemen über ihre Köpf hinweg. Einmal
– mit viel Übermut – ist es passiert, dass
die große Glocke nicht gehalten werden
konnte. Die Riemen schwirrten durch die
Luft, sie verhakten sich beim Glockenfen-
ster, dieses flog in weitem Bogen hinaus
und landete auf dem Friedhof. Zum Glück
passierte nichts; es blieb beim Schrecken.
Des einen Leid, des andern Freud, so
könnte man beim „Schiedungläuten“
sagen, die Burschen freuten sich immer
darauf, denn nach dem Läuten kam der
Mesner Ander, untermArm einen Strutzen
Brot und einen Kilo (!) Tiroler Wurst bei
der Hand, in die Glockenkstube. Die Lei-
sacher Glockenbuben von damals, heute
Pensionisten, schwärmen beim Erzählen:
Es war eine tolle Zeit und die Glocken, wie
sie meinen, bekamen „diesen Sang, diesen
Klang“ nur durchs händische Läuten.
Um den Mesner das täglich dreimalige
Läuten zu erleichtern, wurde 1963 ein klei-
nes elektrisches Geläute eingebaut; 1975
wurde es vollautomatisiert.
Die Sanierung der Leisacher Kirche
wurde 1980 nach den Plänen von Architekt
Prof. Dr. Clemens Holzmeister begonnen.
Im September vor 30 Jahren konnte das
große Werk der Generalsanierung an der
St. Michaels-Kirche mit dem Festakt der
Weihe am Kirchtag durch Bischof Rein-
hold Stecher abgeschlossen werden.
Wenn man die Geschichte der Leisacher
Kirche durch die letzten 750 Jahre ver-
folgt, ist es nicht vermessen zu sagen, dass
die Leistung, welche die Dorfbewohner für
das Gotteshaus erbracht haben, einen Ver-
gleich mit den reichen Zentren und ihren
Domen nicht zu scheuen braucht. – Den
vielen Menschen, die daran beteiligt
waren, ist zu danken. Ihnen allen – und in
besonderem Gedenken an den Hochwür-
digen Herrn Pfarrer Johann Moser – sei
Nachfolgendes gewidmet:
Das Marienglöcklein von Leisach hat
Vieles schon erlebt und stand uns allen in
schwersten Zeiten treu zur Seite, musste es
doch oft die Last des Läutens auch alleine
tragen.
Weil wir es nicht verstanden, machten
wir‘s zum „Bettelgleit“, obwohl es „klang“
und für so viele Leute zum Abschied
„sang“.
Dieses Zügenglöcklein, dies‘ wunder-
bare Marienglöckl hoch im Turm, über-
stand all das Leid der Zeit.
Wenn es eines Tages uns nun ruft, tun
wir es nicht mehr hören, aber vielleicht
schon verstehen.
„So bleibt zu hoffen, dass dieses Glöck-
lein nur mehr braucht leiten, wenn es muss
Menschenseelen in die Ewigkeit begleiten,
es kann so bleiben für alle Zeiten.“
Literaturverzeichnis (Auswahl):
Archiv der Pfarre Leisach, Urkunde 1304, Abschrift
Josef Kugler 1923.
Archiv der Pfarre Leisach, Chronik 1809-1924, verfasst
von Josef Gottfried Senfter, 1980.
Josef A
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, Die Pfarrkirche St. Michael Leisach Ost-
tirol, Leisach 1984.
Wilfried B
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, Neuenburg/Lienzer Klause, in:
Tiroler Burgenbuch, IX. Band – Pustertal, red. von Mag-
dalena H
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EINGARTNER
, Bozen-Innsbruck-Wien
2003, S. 423-437.
Martin B
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/Hannes O
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, Tiroler Urkun-
denbuch, Band 2, Innsbruck 2012.
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, Ein so schöner Glockenzug hat sich
noch nie durch Lienz bewegt, in: Osttiroler Heimatblätter,
64. Jg. (1996), Nr. 7.
Josef K
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, Die vergessene Burg von Leisach, von der
Neuenburg zurück in die römische Zeit und den verschol-
lenen Opferplätzen unserer Ahnen, Leisach 2014.
Josef K
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, Was wir von den Leisacher Glocken wis-
sen und nicht wissen, in: Osttiroler Heimatblätter, 3. Jg.
(1926), Heft 7-8, S. 111-115, Heft 9, S. 128-134, Heft 10,
S. 147-151, Heft 11, S. 160-163, Heft 12, S. 174-179.
Leo S
ANTIFALLER
, Das Brixner Domkapitel in seiner
persönlichen Zusammensetzung im Mittelalter, 2 Teile
(Schlern-Schriften 7), Innsbruck 1924/1925.
Gespräche mit ehemaligen Läuterbuben, 2014.
OSTTIROLER
NUMMER 12/2014
4
HEIMATBLÄTTER
Die neue große Michaels-Glocke mit einem
Gewicht von 1840 kg, hier von Schützen
„bewacht“, wurde 1964 geweiht.
(Bildarchiv Hauger Schützen)
Das Marien-Glöcklein, die alte „Sterbe-
glocke“, stammt aus dem Jahr 1686.
Foto: Klaus Dapra
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift des Autors dieser Nummer: Josef
Kalser, A-9909 Leisach 8; E-Mail: kalser.
leisach@aon.at.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblät-
ter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
A-6176 Völs, Albertistraße 2 a.