Seite 6 - HB_2014_09_10

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Obst und Milch bekamen, auch an die vie-
len Kühe und Rösser dieser Bauern. Un-
gern erinnere ich mich an die älteren, teils
groben Mitbewohner der Baracken, die
allzu gerne Schläge austeilten.
Ich lernte Tischler und Maurer und war
40 Jahre lang bis zu meiner Pensionierung
bei der Lienzer Firma Frey als Maurer an-
gestellt.“
Franz Niedertscheider
(geb. 1945):
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„Mein Vater fiel in Russland. Ich wohnte
mit meiner Mutter in der 2er-Baracke.
Herr Scheiber, ein Sir und Portier im Gast-
hof ‚Eck‘, war der Chef der Baracke, dem
sich alle unterzuordnen hatten. Die Fens-
ter unserer Baracke wurden vielfach
durch Türen ersetzt, sodass wir direkt von
der Wohnküche in den Garten gelangen
konnten. Ich erinnere mich gerne an un-
sere Kindergartentante Alma Griesacher.
Die Barackenzeit war für mich eine schöne
und spannende Zeit, besonders wenn das
Dach durch die Teerarbeiten brannte –
und das kam relativ oft vor – und wir dann
der Feuerwehr beim Löschen zuschauen
konnten. Alle Barackenkinder waren eine
große Familie, die sich von den ‚Stadt-
nern‘ fernhielten. Unser Bereich ging nur
bis zur Fischwirtbrücke. Der Bereich über
der Isel war für uns tabu. Für mich gibt es
an diese Zeit keine schlechten Erinnerun-
gen und auch nichts Negatives. Unser All-
tag war sehr einfach, es hat ja nicht viel
gegeben. Herr Tabernig von der Nachbar-
baracke hat für uns alle Spielzeuge aus
Holz gebaut und Herr Planegger fuhr oft
mit dem Gemeindetraktor vor und nahm
uns Kinder mit.“
Elfriede Ortner
(geb. 1922):
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„Ich habe mit meinem Mann und mei-
nen zwei Kindern ab Jänner 1957 zunächst
in der 1er-Baracke gewohnt. Als diese ab-
getragen wurde, in der 4er-Baracke, dann
in der 11er- und ab 1959 schließlich in der
12er-Baracke bis 1965. Danach zogen wir
in eine Baracke in der Peggetz und letzt-
endlich an den Brennerleweg, wo ich heute
noch wohne. Aus einem großen Raum
machten wir eine Küche (ohne Wasser)
und ein Wohn-Schlafzimmer. Wir wohnten
zu viert in einem Raum. Wir heizten mit
Holz und Kohle. Die Baracken waren beim
Bezug immer ohne Inventar, das wir zu-
nächst zusammenbettelten und dann bei
der jeweiligen Übersiedlung immer mit-
nahmen.
Das Hauptproblem in den Baracken
waren die Wanzen. Erst nach vielen Vor-
sprachen beimWohnungsamt und beim da-
maligen Bürgermeister Michael Meirer
wurden die Baracken schließlich ausgegast
und uns dann jeweils eine andere Baracke
zugewiesen. Ich kann mich noch gut erin-
nern, wie ich einmal um meiner Forderung
nach einer anderen Baracke Nachdruck zu
geben einige Wanzen einfing, in eine
Streichholzschachtel sperrte und diese
dann dem zuständigen Wohnungsreferen-
ten überreichte. Das zeigte Wirkung.
Ich selbst war bis zu meiner Heirat im
Jahre 1955 im Lienzer Postamt unter
Herrn Grünauer beschäftigt. Danach ar-
beitete ich jahrzehntelang als Änderungs-
schneiderin für viele Barackenbewohner.“
Georg Zlöbl
(geb. 1947):
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„Meine Familie übersiedelte 1947 von
Klagenfurt nach Lienz und wir wohnten
bis 1957 in der 2. Wirtschaftsbaracke. Das
war früher die Offiziersbaracke. Der
Boden hatte einen roten Belag. In der 1.
Wirtschaftsbaracke war neben dem Mo-
dell- und Segelfliegerverein auch der Kin-
dergarten untergebracht. Es waren viele
Kinder da zum Spielen und es wurden grö-
ßere Kindergruppen gebildet. Wir hatten
viele Freundschaften mit gutem Zusam-
menhalt. Ein Hit war der erste Radioemp-
fänger. Ich erinnere mich auch an das ble-
cherne Waschbrett, den einzigen Waschbe-
helf. Negativ für mich war, dass es nur
einen einzigen Toilettenraum pro Baracke
gab, und das bei mehreren Familien in
einer Baracke mit einer zu großen WC-
Muschel ohne Deckel. Wir hatten nur einen
einzigen Schlafraum zur Verfügung. Angst
hatte ich oft, da es zu wenig Licht gab und
die Glühbirne oft defekt war. Der Gang
war daher oft finster.
Nach meiner Schulzeit war ich zunächst
bei der Firma Meindl und Papier Geiger
als Verkäufer und danach 13 Jahre im
Tiroler Landesreisebüro tätig, davon die
letzten sieben Jahre als Filialleiter. 1982
eröffnete ich mein Grafikbüro in Tristach,
das ich im Jahre 2007 anlässlich meiner
Pensionierung meinem Sohn übergab.“
C. In den östlich der heutigen Maxi-
milianstraße gelegenen Lagerbaracken
haben sich einige Betriebe angesiedelt;
zum Teil wohnten die Besitzer in den zu
Wohnungen ausgebauten Abschnitten
der Baracke.
Maximilian Fiechtner
(geb. 1921):
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„Mein Vater arbeitete zunächst als
Spengler in einem Betrieb in der Schloss-
gasse, danach bei der Firma Wassermann
in der Beda Weber-Gasse. 1946 machte er
sich selbstständig und kaufte die südlichste
Baracke, östlich der heutigen Maximilian-
straße. Im ersten Drittel dieser Baracke
war die Spenglerwerkstätte, im zweiten
Drittel über ein paar Stufen hinauf war un-
sere Wohnung. Das dritte Drittel wurde an
die Lackiererei Jeller vermietet, die 1968
in die Debant übersiedelte. Mein Vater
OSTTIROLER
NUMMER 7-8/2014
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HEIMATBLÄTTER
Fasching in der Kindergartenbaracke im Jahre 1952.
(Sammlung von Alma Griesacher)
Foto: Alois Baptist, Lienz
Vorlesestunde vor der Kindergartenbaracke, 1952.
(Sammlung von Alma Griesacher)
Foto: Resi Pirkner