Seite 32 - VP_2014_07

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GESUNDHEIT
PUSTERTALER VOLLTREFFER
JULI/AUGUST 2014
32
Wie kann man sich Burnout-
Betroffene vorstellen?
Pycha:
„Meist haben sie aufop-
fernde Persönlichkeitszüge. Die eige-
nen Bedürfnisse werden den Bedürf-
nissen anderer gegenüber zurückge-
stellt. Hohe Ansprüche an sich selbst,
großes Bedürfnis nach Anerkennung
und ein ausgeprägtes Gewissen sind
charakteristisch. Diese Persönlichkeits-
merkmale stehen oft in Zusammen-
hang mit ungünstigen Einflüssen am
Arbeitsplatz. Dabei kann es sich um
schwierige und belastende Kontakte
mit Mitarbeitern und Vorgesetzten
handeln, um ermüdende und sinnlos
erscheinende Bürokratie, um unklare
Regeln im Betrieb, kaum beeinfluss-
bare Entscheidungswege, Ablehnung
von Eigeninitiative und Motivation,
aber auch um mangelnde Solidarität
zwischen Kollegen und Vorgesetzten
oder um Mobbing (englisch „Herfallen
über jemanden“). Darüber hinaus kön-
nen auch Konflikte und Probleme in
der eigenen Familie sowie Verhaltens-
muster aus der Herkunftsfamilie von
Bedeutung sein. Schließlich sind auch
wirtschaftliche, kulturelle, spirituelle
und politische Hintergründe zu be-
rücksichtigen (Leistungsgesellschaft).“
Burnout entsteht also durch
Verleugnung von Stress?
Pycha:
„Ja. Betroffene haben im
Laufe der Zeit einen Zwang entwickelt,
sich ständig beweisen zu müssen,
obwohl sie längst erschöpft und aus-
gebrannt sind. Menschen, die unter
Burnout leiden, können schlecht ,nein‘
sagen und sind nicht mehr imstande,
ihre eigenen Bedürfnisse nach Ruhe
und Erholung wahrzunehmen. Ihre
Werte verändern sich, und auch der
eigene Körper wird dabei oft vernach-
lässigt. Konflikte, Probleme und so-
ziale Kontakte werden zunehmend ge-
mieden. Betroffene betäuben sich oft
mit Alkohol, mit Tabletten oder lenken
sich durch noch mehr Arbeit, unkon-
trolliertes Essen oder rauschhaften Sex
ab. Dieses selbst schädigende Ver-
halten ist ihnen nur teilweise oder gar
nicht bewusst.“
Wer hilft sinnvoll?
Pycha:
„Der Weg aus dem Leiden
und die Suche nach Gründen gelingt
meist leichter, wenn man sich von
einer Fachkraft helfen lässt. Ärzte und
Psychotherapeuten können dabei ge-
zielt unterstützen. Wenn Folgekrank-
heiten wie Depression, Angststörung
oder Sucht entstanden sind, ist es un-
bedingt angeraten, Psychologen,
Psychiater oder Fachleute der Sucht-
beratung aufzusuchen. Körperliche
Beschwerden sind Warnsignale, die
medizinisch vom Hausarzt oder Inter-
nisten abgeklärt und behandelt wer-
den sollten. Dabei werden im ärzt-
lichen Gespräch die Entstehungszu-
sammenhänge offen angesprochen.
Wenn Betroffene die Einsicht ent-
wickeln, dass es so nicht mehr weiter
gehen kann, sollen konkrete Verände-
rungen des eigenen Wertesystems und
Lebensstils besprochen werden. Dabei
können Betroffene viel für sich selbst
tun. Burnout ist sehr gut beeinflussbar,
auch und gerade durch Selbsterkennt-
nis und Selbsthilfe.“
Und was hilft
Pycha:
„Stress wahrnehmen, Ein-
satz verringern. Der Beginn jeder Hilfe
gegen Burnout besteht darin, den
bisher verleugneten oder verdrängten
Stress wahrzunehmen und sich die
psychische und körperliche Erschöp-
fung einzugestehen. Die Folge muss in
der Verringerung des Einsatzes be-
stehen. Das kann dadurch geschehen,
dass etwa mehr Pausen gemacht wer-
den, am Arbeitsplatz öfter als bisher
ablenkende Gespräche stattfinden
oder auf Mitarbeiter (öfters) aktiv
zugegangen wird. Die Angst, wegen
einer geringeren Arbeitsleistung nicht
mehr geliebt und geachtet zu werden,
muss dabei ausgehalten werden. Oft
ist weniger mehr. Um aus dem Zu-
stand des Ausgebrannt-Seins heraus
zu kommen, müssen neue Überlegun-
gen bezüglich bisheriger Arbeitsab-
läufe und Erholungsmaßnahmen an-
gestellt werden. Hilfreich sind weiters
Gedanken über all das, was man
gerne machen oder tun würde, mit
wem man gerne zusammen ist,
welche Pläne und Wünsche man ver-
wirklichen möchte. Dadurch können
Distanz zu eingefahrenen Verhaltens-
mustern und neue Perspektiven für
den Alltag gefunden werden. Dazu ge-
hört auch, dass der Körper und seine
Bedürfnisse (Hygiene, Ruhe und Be-
wegung) mehr Beachtung finden.
Ganz von alleine entstehen daraus
bisher vernachlässigte Werte.“
Wie schaut es mit der
Entspannung aus?
Pycha:
„Jeder Mensch kann seine
eigene wohltuende Entspannung
finden. Aber der Weg bis dahin ist
oft nicht einfach. Es gibt aktive und
passive Formen der Entspannung.
Manchen Menschen helfen sportliche
Betätigungen wie Radfahren, Schwim-
men, Laufen oder längere Spazier-
gänge. Andere mögen künstlerische
oder kulturelle Genüsse wie Malen,
Tanzen, Theater, Musik. Autogenes
Training, Yoga, Fantasiereisen und
Massagen sind weitere Entspannungs-
verfahren, um sich zu erholen und
abzuschalten. Die meisten Menschen
werden mehrere Formen der Entspan-
nung wählen und daraus eine
erfüllende Abwechslung von Arbeit,
Erholung und Ablenkung entstehen
lassen.“
Nicht nur Sport und kulturelle Inter-
essen helfen gegen Burnout, sondern
auch Entspannungsübungen und Mas-
sagen. Die plötzliche Abkehr von bis-
her gern absolvierten Tätigkeiten, wie
einem Kaffeeplausch mit der Freundin,
kann ein Zeichen für Burnout sein.
Hat man eine Grippe oder doch
„nur“ eine Erkältung? Nicht immer
ist es leicht die Grippe vom grippalen
Infekt zu unterscheiden. So viel kann
auf jeden Fall gesagt werden: Die
Grippe beginnt abrupt mit hohem
Fieber, Gelenks- und Glieder- sowie
Halsschmerzen und trockenem Husten.
Der Beginn eines grippalen Infektes
geht hingegen mit einer rinnenden
Nase los, und nur wenige der Patienten
haben Fieber über 37,5 Grad. Bei der
Grippe gibt es bei den meisten Patien-
ten 38 bis 40 Grad Temperatur.
Grippe oder Erkältung?
Nicht
immer ist
es leicht zu
unterschei-
den: hat
man eine
Grippe
oder doch
„nur“
einen
grippalen
Infekt?
Lebenskraft ist weg – Was jetzt?
Wenn die Lebenskraft ausgeht, ist man oft genau dort, wo man nicht hinwollte: Nämlich mitten im
Burnout. Um sich aus dieser schlimmen Situation wieder befreien zu können, gibt es aber viele
Möglichkeiten. Prim. Dr. Roger Pycha. Primar des psychiatrischen Dienstes des Gesundheitsbezirkes
Bruneck im „PVT“-Interview.
Infos für Ihr Wohlbefinden
Dr. Roger
Pycha,
Primar des
psychischen
Dienstes des
Gesundheits-
bezirkes
Bruneck