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KRIEGSAUSSTELLUNG
PUSTERTALER VOLLTREFFER
JULI/AUGUST 2014
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Feldjäger am Thurntaler bei Sillian, 1913.
(Fotograf: Franz von Kahler; Sammlung Franz von Kahler – TAP)
Man muss ja auch zwischen
Gemusterten und dabei letztlich
Wehrfähigen unterscheiden.
1914 mussten die mittleren
Jahrgänge einrücken – davon
sind aber über 10.000 Kaiser-
jäger und Landesschützen be-
reits im Herbst in Galizien ge-
fallen. Daher mussten im Mai
1915 die Standschützen, also
von den ganz Jungen bis zu den
ganz Alten Übriggebliebenen
aber vor allem auch alle ande-
ren mitunter in Reserve befind-
Wie kann man sich den
Alltag eines Pustertalers im
Ersten Weltkrieg vorstellen?
Kofler:
„Das hängt davon ab,
wo ‚der Pustertaler‘ war und ob
männlich oder weiblich. Eine
Bäuerin bei Lienz musste mit-
hilfe z. B. eines russischen
Kriegsgefangenen den Hof be-
wirtschaften und die produzier-
ten Nahrungsmittel zum Groß-
teil kontrolliert verlässlich ab-
liefern. Eine Sextener Familie
musste – wie alle dortigen rund
Wie groß war die Angst der
Pustertaler während des Er-
stenWeltkrieges?
Kofler:
„Wie an allen ande-
ren Orten für die dortige Be-
völkerung auf beiden gegneri-
schen Seiten sehr groß!“
Vordergründig war die „Do-
lomitenfront“ von Mai 1915
bis Herbst 1917 allerdings
nur Nebenschauplatz eines
Nebenschauplatzes.
Kofler:
„Das stimmt. Das
man hier tage-, wochen-, mo-
natelang ausgeharrt. Wobei die
Natur ein mindestens ebenso
extremer Gegner war, mit
Regen, Schnee, Lawinen, Kälte
etc.“
Die Lichtbilder-Schau spielt
sich in Bruneck, Sexten, Sil-
lian und Kartitsch ab. Warum
gerade dort?
Kofler:
„Weil diese Orte am
meisten betroffen waren: Sex-
ten durch die tragische fast
lichen bzw. eigentlich Untaug-
lichen als ‚letztes Aufgebot‘ an
die neue Gebirgsfront abmar-
schieren.“
Wo waren die Pustertaler zu-
meist im Krieg eingesetzt?
Kofler:
„Wenn man von der
exakten Zeit der Dolomiten-
front Mai 1915 bis Ende 1917
spricht, dann entlang der ge-
samten Abschnitte: vom Karni-
schen Kamm über die Sextener
Dolomiten bis zum Col di
Lana. Das Standschützen-Ba-
taillon Lienz etwa 1916/17 am
Tonale-Pass – Monte Cercen
auf über 3.000 Metern See-
höhe.“
Wie viele Ehefrauen blieben
zurück und mussten alleine
um das Überleben der Kinder
kämpfen?
Kofler:
„Das lässt sich nicht
quantifizieren. Die Mühsal und
Verantwortung zuhause, die
zusätzliche Belastung der
Frauen waren enorm.“
Was war das Hauptproblem
der Menschen daheim?
Kofler:
„Das ‚tägliche Brot‘
auf den Tisch zu bekommen.
Die Nahrungsmittelversorgung
wurde im Laufe der Kriegs-
jahre, besonders in den Städten,
immer schlimmer.“
200 (!) Familien – Anfang Au-
gust 1915 etwa das Heimatdorf
aufgrund der italienischen Ar-
tillerieangriffe verlassen, nach
Innichen oder bis Nordtirol hin-
aus, und konnte erst im Früh-
jahr 1918 in den zerschossenen
Ort für den beginnenden Wie-
deraufbau zurückkehren.“
Hauptkampfgebiet zwischen
Österreich-Ungarn und dem
Königreich Italien war der
Isonzo. Im Rahmen der gesam-
ten Gebirgsfront war die Dolo-
mitenfront auch nur ein Teil-
bereich – aber nichtsdestotrotz
hart und lang umkämpft. An
den unglaublichsten Stellen hat
vollständige Zerstörung, Kar-
titsch durch die mega-mäßigen
Barackenbauten und mehrere
tausend Soldaten vor Ort und
mit der unmittelbaren Nähe zur
Front am Karnischen Kamm.
Sillian wiederum durch das bis
Kriegsausbruch 1914 ebendort
stationierte k.u.k. Feldjäger-
entiert Drama vor 100 Jahren
Angehörige Landesschützen-Regiment Innichen III, 1914.
(Fotograf: Unbekannt; Sammlung Karl Webhofer – TAP)