Seite 5 - VP_2013_04

Basic HTML-Version

PORTRAIT
PUSTERTALER VOLLTREFFER
APRIL/MAI 2014
5
77783
Mann auf einemWohnzimmer-
tischchen und diesem Bild
„schickt“ sie immer wieder
gerne liebevoll ein Bussi rüber.
Weg aus der Heimat
Die beiden mussten 1940
Südtirol verlassen, denn „mein
Mann optierte für Deutschland.
Letztendlich kamen wir aber
nach Lienz, das wir nicht kann-
ten. In dem Zug, in dem wir
saßen, hieß es dann einfach aus-
steigen“, blickt sie zurück. Es
sei sehr schwer gewesen von
ihrer Heimat Meran Abschied
zu nehmen. „In Lienz war alles
ganz anderes. Es war eine völlig
andere Welt. Ich fühlte mich, als
käme ich nach Sibirien. In
Lienz ging ich im ‚Lettn’, in
Meran gab es bereits asphal-
tierte Straßen. Da bestand ein
krasser Unterschied. Aber man
musste es nehmen, wie es kam.“
Den beiden wurde eine Woh-
nung in der Andreas-Hofer-
Straße zugeteilt, in der die 100-
Jährige noch heute lebt. „Wir
bekamen die Wohnung, weil ich
damals hochschwanger war“,
erzählt sie. Vier Kinder ent-
stammen der Ehe: Hansjörg,
Günther, Reinhold und die
kleine Christl, die allerdings
schon mit zwei Jahren starb.
„Sie war ein sogenanntes
‚blaues Baby’. Das Mäderl war
herzkrank, und damals gab es
keine Hilfe. Das war furchtbar.“
„Nie mehr ins Spital“
„Hansjörg, den Erstgebore-
nen, habe ich im Lienzer Kran-
kenhaus entbunden. Das war
schrecklich dort. Als ich hinauf-
gebracht wurde, gab es gar kei-
nen Platz. Ich musste untertags
stehen. Zu trinken bekam ich
nur, als das Kind noch im Bauch
war. Dann habe ich nichts mehr
bekommen, da die Flüssigkeit
die anderen brauchten“, denkt
sie mit Schaudern zurück. „Es
war eine sehr schwere Geburt, es
gab ja keine Medikamente. Da-
mals starben acht Frauen bei der
Geburt. Die Hebamme, die alte
Hibler, half zu entbinden und
sagte, dass die Entbindung bei
mir so schwer gewesen sei als
ob mein Mann das Kind hinein-
gemauert hätte.“
Ihr Mann, der mittlerweile als
Lebensmittelfachinspektor in
der Bezirkshauptmannschaft
Lienz tätig war, feierte die Ge-
burt mit Kollegen im Haidenhof.
„Meine anderen Kinder brachte
ich daheim in der Wohnung zur
Welt. Ich wäre nie mehr hinauf
ins Spital gegangen.“
„Mit Wintermänteln in
der Wohnung“
Schon bald musste ihr Ehe-
mann in den Zweiten Weltkrieg
r am Totenbett“
Mit ihrer große Liebe Hans in Südtirol.
Hochzeit am 10. April 1939.