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Nachdem Österreich-Ungarn
am 28. Juli 1914 dem serbi-
schen Königreich den Krieg er-
klärt hatte, gab es kein Halten
mehr: Der Erste Weltkrieg be-
gann in den Ländern zu toben
und mittendrin war auch Paula
Abart, geborene Wurz, die in
diesem Jahr am 12. April das
Licht der Welt erblickt hatte.
„Ich war das vierte von sechs
Kindern“, erzählt sie. An die
schrecklichen Kriegswirren, an
die vielen Kanonenschüsse, er-
innert sie sich bewusst freilich
nicht mehr, aber sehr wohl ver-
bindet sie den Krieg und die
Nachkriegszeit mit Plente und
„stinkigem“ Mehl. „Meine
vorhob. „Weil ich eben aus ärm-
lichen Verhältnissen kam, keine
Geschäftstochter war. Somit
musste ich anders auf mich auf-
merksam machen“, schmunzelt
sie.
Wann immer etwa eine Kom-
mission die Schule begutachten
kam, holten sie die kleine Paula
zum „Herzeigen“, weil sie so
schön singen und wunderbar
Gedichte aufsagen konnte.
„Kann keine Note
lesen“
„Ich kenne zwar bis heute
keine Note auf dem Blatt. Aber
mir reichte ein Ton auf dem
Harmonium und ich wusste, wie
das Lied geht. Ich hatte ein sehr
gutes Gehör. Darauf war ich
sehr stolz“, so die 100-Jährige,
die schon als Kind sehr gerne
las, viel auf den Almen unter-
wegs war und leidenschaftlich
gerne schwamm. „Tanzen war
nicht meines, das war vielmehr
die große Leidenschaft meiner
Schwester Käthe“, erinnert sich
Paula Abart.
Nach der Schule ließ sie sich
im Buchbindergewerbe ausbil-
den, arbeitete dann auch als
Buchbinderin und heiratete
1939 den Magistratsbeamten
Hans Abart, der ebenfalls aus
Meran stammte. „Er hat in sei-
Mutter Philomena, eine gebo-
rene Pilsner, wurde ja früh
Witwe. Denn mein Vater Franz
Wurz fiel im Ersten Weltkrieg.
Da gingen ich und meine Ge-
schwister Anni, Mina, Käthe,
Klaus und Hans mit der Mutter
– sie war durch und durch eine
Pustertalerin – immer ins Kur-
ner Funktion sehr viel für Süd-
tirol getan. Alles was er konnte.
Südtirol hat ihm viel zu verdan-
ken. Das weiß nur kein Mensch.
Er war ein feiner, bescheidener,
korrekter Mensch, ein nettes
Mandl. Solche Männer sterben
aus“, sagt sie. Noch immer steht
ein Foto von ihrem geliebten
haus essen. Weil wir so arm
waren.“
„Sah Vater erstmals
durch das Fenster“
Ihren Vater lernte sie erst ken-
nen, als er bereits tot war. „Er
lag in Meran in der Aufbah-
rungshalle, die sehr groß war.
Ich durfte aber nicht zu ihm hi-
nein, sondern ihn nur durch das
Fenster anschauen. Er lag da
ganz in weiß gekleidet.“ Auch
erinnert sich Paula daran, dass
sie ein „frecher Fratz“ gewesen
sei. Und daran, dass sie einiges
in der Schule „drauf hatte“, sich
mit besonderen Leistungen her-
Paula Abart war in
Meran gerade geboren,
da brach der Erste
Weltkrieg aus. Ihren
Vater lernte Paula erst
an seinem Totenbett
kennen, denn er fiel im
Krieg an der Front. Mit
ihrem Ehemann Hans
Abart „landete“ die
Südtirolerin 1940 in
Lienz, nachdem er für
Deutschland optiert
hatte.
PORTRAIT
PUSTERTALER VOLLTREFFER
APRIL/MAI 2014
4
„Meinen Vater sah ich nur meh
Paula Abart ist 100 Jahre.
Foto: Martina Holzer
1927 mit Mutter Philomena und ihren Geschwistern.
V. l.: Mina, Hans, Anni, Käthe, Klaus und Paula.
Das junge Mädchen Paula 1932 in Hafling.