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tistik der Kameralgefällenverwaltung für
Tirol und Vorarlberg aus dem Jahre 1848
waren von der Waldfläche im Forstamts-
bezirk Lienz (Landgerichte Lienz und
Windisch-Matrei mit 52 Gemeinden)
Staatswald 16,6, Gemeinde- oder Gemein-
schaftswald (einschließlich Teilwälder)
82,2 und Privatwald 1,2 Prozent; im Forst-
amtsbezirk Innichen (Landgerichte Sillian,
Welsberg und Ampezzo mit 31 Gemein-
den) Staatswald 25,5, Gemeinde- oder Ge-
meinschaftswald 71,2 (davon allein 53,7 %
Teilwälder!) und 3,3 Prozent Privatwald.
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Durch die auf dem Forstregulierungspatent
1847 fußende Forstservitutenregulierung
und Waldzuweisung im nördlichen Tirol, wo
der Staat im montanistischen Interesse sich
großzügig Wälder zugeteilt und im Eigentum
behalten hatte, wovon noch heute die Repu-
blik Österreich und ihre Bundesforste profi-
tieren, und die Waldzuweisung im südlichen
Tirol, wo die verbliebenen Staatswälder
gleichsam verschenkt wurden, weswegen die
Bundesforste in Osttirol im Gegensatz zu
Nordtirol nicht vertreten sind, wurden die
politischen Gemeinden in Tirol im großem
Umfang zu Waldeigentümern. Das war
durchaus intendiert und machte auch Sinn,
denn im Gegensatz zu den Nutzungsge-
meinschaften, den alten Nachbarschaften, für
die die Juristen den Begriff „Realgemein-
den“ prägten, waren die politischen Ge-
meinden in Tirol bereits in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts fest verankerte staat-
liche Institutionen mit eindeutigen Organi-
sationsstrukturen und Verantwortlichkeiten.
Zudem konnten die Gemeinden über die
staatliche Gemeindeaufsicht kontrolliert
werden, es konnten ihnen Aufgaben der
Waldpflege zugewiesen und zugemutet
werden, damit man leichter das angepeilte
ambitionierte Vorhaben, den Zustand der
Wälder zu verbessern, umsetzen konnte. Den
großen wirtschaftlichen Zugewinn durften
sich die Gemeinden, die meisten jedenfalls,
nicht erhoffen, denn mit der förmlichen
Übertragung der Wälder in das Eigentum der
Gemeinden, die als Gemeindegut einen be-
sonderen Teil des Gemeindevermögens bil-
den sollten, mussten die historisch gewach-
senen und durch Herkommen legitimierten,
teilweise vertraglich abgesicherten Nut-
zungsrechte der „eingeforsteten“ Bauern in
den ungeteilten wie verteilten Gemeinde-
wäldern (Teilwälder) ohne Abstriche über-
nommen werden. Und der übliche Haus- und
Hofbedarf bot ein weites Feld der Interpre-
tation. Mit den Teilwäldern traten die Ge-
meinden ein schweres Erbe an, wie sich
Jahrzehnte später herausstellen wird. Als um
1900 das eben in Tirol eingeführte Grund-
buch angelegt wurde, loderte, ausgehend
vom Bezirk Lienz, der Teilwälderstreit wie-
der auf. Dass bei den Teilwäldern auf Grund-
lage der Waldzuweisungsurkunden aus den
Jahren 1853/54 die Gemeinden als Eigen-
tümer eingetragen wurden, die Teilwald-
besitzer sich mit den ausschließlichen Nut-
zungsrechten zufrieden geben mussten,
erhitzte die Gemüter. Reihum weigerten sich
Gemeindevorsteher, an der Anlage des
Grundbuches mitzuwirken, betroffene Bau-
ern verweigerten die Unterschrift auf ihren
Grundbuchanlageprotokollen. Ein Teilwald-
besitzer führte einen Musterprozess gegen
die Gemeinde Gaimberg durch alle Instan-
zen, wobei letztlich, durch eine Entschei-
dung des Obersten Gerichtshofs, die Ge-
meinde siegte. Abgeordnete aus dem Bezirk
Lienz initiierten eine Massenpetition, die
rund 6.000 Bauern aus 200 Tiroler Gemein-
den unterzeichneten. 1910 endlich schuf der
Tiroler Landtag die gesetzlichen Grundlagen
dafür, die es den Gemeinden ermöglichten,
die Teilwälder in das Eigentum der Teil-
waldbesitzer zu übertragen. Besonders die
Osttiroler Gemeinden machten davon Ge-
brauch. Durch diese „Privatisierung“ redu-
zierte sich in Osttirol die Teilwaldfläche der
Gemeinden innerhalb zweier Jahrzehnte von
26.144 auf 2.477 Hektar (Stand 1934).
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Alle Aufnahmen:
Tiroler Landesarchiv, Innsbruck
Anmerkungen:
1 Provinzialgesetzsammlung von Tirol und Vorarlberg,
Band 9 (1826), S. 657.
2 Provinzialgesetzsammlung von Tirol und Vorarlberg,
Band 34 (1848), S. 253.
3 Tiroler Landesarchiv (TLA): Landschaftliches Archiv:
Miscellania Nr. 206e.
4 TLA: Gubernium für Tirol Vorarlberg: Forst Zl. 20 ex
1849.
5 TLA: Landschaftliches Archiv: Miscellania Nr. 205.
6 TLA: Gubernium; Präsidium Zl. 1709 in Zl.1146 ex
1847.
7 Karl S
cHINDLER
: Die Forste der in Verwaltung des k. k.
Ackerbau-Ministeriums stehenden Staats- und Fonds-
güter, 1. Teil, Wien 1885, S. 309.
8 TLA: cameral-cattanea 336/I-10.
9 S
cHINDLER
, Staats- und Fondsgüter (wie Anm.7), S. 309.
10 Statistisches Jahrbuch des k. k. Ackerbau-Ministeriums
für das Jahr 1910, Wien 1910, Tabelle I; Heinrich
O
BERRAUcH
: Tirols Wald und Waidwerk. Ein Beitrag
zur Forst- und Jagdgeschichte (Schlern-Schriften 88),
Innsbruck 1952, Beilage 1b; die aktuellen Zahlen wur-
den freundlicher Weise von der Forstdirektion des
Amtes der Tiroler Landesregierung zur Verfügung ge-
stellt.
11 Das Gubernium erließ im April 1848 eine Instruktion
für die Waldzuweisung (Gubernium: Forst Zl. 9258 in
Zl. 5133 ex 1848).
12 TLA: Statthalterei für Tirol und Vorarlberg: Forst Zl.
7487 in Zl. 1982 ex 1853.
13 TLA: cameral-cattanea 336/I-7.
14 TLA: cameral-cattanea 336/I-7 (Übersicht der Wald-
zuweisungsverhandlungen im Kreise Brixen).
15 TLA: Gubernium: Forst Zl. 20 ex 1849.
16 Bernhard D
ELONG
: Die Teilwälder Tirols. Ungedruckte
Dissertation, Hochschule für Bodenkultur, Wien 1969,
S. 38.
OSTTIROLER
NUMMER 1-2/2014
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HEIMATBLÄTTER
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren ver-
antwortlich.
Anschrift des Autors dieser Nummer: HR Dr.
Wilfried Beimrohr, Direktor des Tiroler Landes-
archivs, Michael Gaismair-Straße 1, A-6020
Innsbruck.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblätter“
sind einzusenden an die Redaktion des „Ost-
tiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
A-6176 Völs, Albertistraße 2 a.
Übersichtskarte der Domänenforstbezirke; Revier- und Unterförstereien, 1826.
(Tiroler Landesarchiv: Karten und Pläne 3253)