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in den Wäldern abzuschätzen und „Forst-
frevel“ aufzuzeigen und gleich zu ahnden.
Die Forstaufsicht durch die Waldmeister
war mangels Personal praktisch nicht vor-
handen und die Bauern, denen die
(Wald)weide allemal wichtiger war als das
Holz, gingen gelinde gesagt sorglos mit den
Wäldern um, scherten sich wenig um die
Waldordnungen und ihre Verbote. Aus
Tilliach, das reich mit Wäldern gesegnet war,
wurde anlässlich der Pustertaler Waldberei-
tung 1651 berichtet, diese befänden sich
großteils in einem erbärmlichen Zustand, die
Bauern schneitelten die Bäume bis auf mitt-
lere Höhe und hackten ihnen selbst die Wip-
fel ab, sie schwenden und brennen wie es
ihnen gefällt, Holz und Taxen holen sie sich
ohne Genehmigung der Waldmeister aus den
Wäldern.
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Dem Endbericht der Kommis-
sion, die 1755 in der Herrschaft Lienz eine
Waldbeschreibung vorgenommen hat, ist zu
entnehmen, mehrere Rotten beschaffen sich
Holz und Streu aus den landesfürstlichen
Hochwäldern ganz nach Belieben. Zur
Rede gestellt, verantworteten sie sich damit,
geglaubt zu haben, sich in ihren Nieder- und
Heimwäldern umgetan zu haben. Das, so der
Endbericht, lasse darauf schließen, dass die
früheren Bergrichter wenig oder gar nicht die
Hochwälder kontrolliert hätten.
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1771
wurde Martin Alois Zängerl, Oberwaldmeis-
ter zu Aussee damit beauftragt, die Wälder
im Kreis Pustertal zu begutachten, wobei er
vor allem die Teilwälder in Augenschein
nehmen sollte. Sein Urteil fiel vernichtend
aus: Die (unverteilten) Gemeindswälder
seien nichts anderes als „Raubwälder“. Mit
den Teilwäldern („verteilte Heimwälder“) sei
es nicht viel besser bestellt. Die Bauern be-
trachteten diese als ihr Eigentum, worin sie
nach eigenem Gutdünken schalteten und
walteten. „Verwüstungen“ seien daher Tür
und Tor geöffnet, es fehle jegliches Wissen
und Bemühen um eine pflegliche Waldwirt-
schaft. Die unverteilten und die verteilten
Gemeinds- oder Heimwälder wären durch
die eigenmächtigen und willkürlichen Nut-
zungen (Holz- und Streuentnahme, Vieh-
weide) der Untertanen derart geschädigt und
verfallen, dass sie das benötigte Holz und die
Streu nicht liefern könnten. Die alten Gren-
zen zwischen den landesfürstlichen Hoch-
wäldern und den Gemeindswäldern seien
verschwunden, jene Forstleute, die sie noch
kannten, schon lange ins Grab gesunken. Die
Untertanen erfrechten sich, Ansprüche auf
die Hoheitswälder zu stellen, worin sie von
den Gerichtsobrigkeiten unterstützt wür-
den.
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Nicht ganz so vernichtend fiel der
Bericht jener Kommission aus, die 1788 die
Waldbestandsaufnahme im Pustertal vorzu-
nehmen hatte.
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Eine Streitfrage
In einem war man sich einig, zumindest
unter den maßgeblichen Forstleuten, die –
im Gegensatz zu den Bauern, die den Wald
liebend gern der begehrten Weide geopfert
hätten, imWald neben dem Holz- auch den
Streulieferanten sahen – in forstwirtschaft-
lichen Kategorien dachten und zu handeln
suchten: Der Zustand der Wälder in Tirol
war weithin desolat. Furchtsame Geister
prophezeiten dem waldreichen Land ob des
misslichen Umgangs mit den Forsten und
fehlender Bestandspflege in nicht allzu fer-
ner Zeit niederbrechende Wälder und eine
dadurch verursachte „Holznot“, obgleich
der Holzbedarf wegen des stark rückläufi-
gen Bergbaus sank oder zumindest stag-
nierte und sich der Holzexport auf wenige
Grenzregionen beschränkte. Die Schuld am
Übel wurde hauptsächlich den uneinsich-
tigen Gemeinden, Nachbarschaften und
Teilwaldbesitzern zugeschoben, die sich, so
der Vorwurf, bedenkenlos der Wälder be-
dienten. Durch Jahrhunderte war es allein
darum gegangen, Nutzungsrechte amWald
zu behaupten, Eigentum war nicht das
große Thema. Das sollte sich im späten 18.
Jahrhundert rasch ändern. Herausgeschält
hatten sich in Theorie und Praxis vier
„Eigentumskategorien“: 1. Die landesfürst-
lichen Hoch- und Schwarzwälder (Staats-
wälder oder Reichsforste im 19. Jahrhun-
dert) im Eigentum des Staates; 2. die
(unverteilten) von Gemeinden, Nachbar-
schaften kollektiv genutzten Gemeinde-
wälder im Obereigentum des Staates; 3. die
hinsichtlich Holz und Streu individuell, an-
sonsten (Weide usw.) kollektiv genutzten
Teilwälder (auch verteilte Gemeindewälder
genannt) im Obereigentum des Staates;
4. die Eigenwälder, die heute den Privat-
wäldern entsprechen würden.
Entzünden sollte sich Streit um das
Waldeigentum, was unschwer zu erraten
ist, bei den Teilwäldern. Darüber und über
die Versuche im 19. Jahrhundert, dieses
Problem zu lösen, wird in einer der
nächsten Nummern der Osttiroler Heimat-
blätter zu lesen sein.
Alle Reproduktionen:
Tiroler Landesarchiv, Innsbruck
Anmerkungen:
1
Heinrich O
BERRAUCH
, Tirols Waid- und Waldwerk. Ein
Beitrag zur Forst- und Waldgeschichte (Schlern-Schrif-
ten 88), Innsbruck 1952; Hermann W
OPFNER
, Das Al-
mendregal des Tiroler Landesfürsten (Forschungen zur
inneren Geschichte Österreichs 3), Innsbruck 1906; der-
selbe, Bergbauernbuch, 3 Bände (Tiroler Wirtschafts-
studien 47, 48 und 49), Innsbruck 1995 und 1997; Otto
S
TOLZ
, Rechtsgeschichte des Bauernstandes und der
Landwirtschaft in Tirol und Vorarlberg, Bozen 1949;
Josef W
ALCH
, Die geschichtliche Entwicklung der forst-
lichen Agrargemeinschaften in Tirol, ungedr. Diplom-
arbeit an der Universität für Bodenkultur in Wien, 1984;
20teilige Artikelserie „Forstgeschichte Osttirols“ von
Klaus P. M
EIRER
in den Osttiroler Heimatblättern der
Jahrgänge 42 (1974), 43 (1975) und 44 (1976).
2
Otto S
TOLZ
, Politisch-historische Landesbeschreibung von
Südtirol (Schlern-Schriften 40), Innsbruck 1939; S. 588.
3
Johann Georg W
ÖRZ
, Gesetze und Verordnungen in
Bezug auf die Kultur des Bodens in der Provinz Tirol
und Vorarlberg, Band 2/2, Innsbruck 1842, S. 202.
4
TLA, Handschrift 3638 (Waldordnung für die Herr-
schaft Windisch-Matrei 1593).
5
TLA, Handschrift 3645.
6
TLA, Kataster 125/28.
7
TLA, o.ö. Kammer: Kopialbuch Embieten und Befelch
1548 fol. 459; 1642 fol. 719 und 1657 fol. 147.
8
TLA, o.ö. Kammer: Kopialbuch Embieten und Befelch
1586 fol. 76; 1615 fol. 28; Handschrift 5059.
9
TLA, Handschrift 3645 und Handschrift 1858.
10
TLA, Handschrift 3904.
11
TLA, Handschrift 5510.
12
TLA, Handschrift 3674.
13
TLA: Waldamt Innichen. Karton 1.
OSTTIROLER
NUMMER 8-9/2013
8
HEIMATBLÄTTER
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren ver-
antwortlich.
Anschrift des Autors dieser Nummer: HR Dr.
Wilfried Beimrohr, Direktor des Tiroler Landesar-
chivs, Michael Gaismair-Straße 1, A-6020 Inns-
bruck.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblätter“
sind einzusenden an die Redaktion des „Ostti-
roler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini, A-6176
Völs, Albertistraße 2 a.
Aus der Übersicht der Waldzuweisungen an die Gemeinden im Kreis Brixen, 1855.
(TLA, Cameral-Cattanea 336/1-7)