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Mitten in Wien im achten
Stock eines Gebäudes. Alois
Moosmann aus Heinfels steht
oben und schaut in die Tiefe.
Sein Leben war unerträglich
geworden. Die schweren De-
pressionen, die er nicht mehr
loszuwerden scheint, quälen
ihn schon lange grenzenlos.
„Ich spürte beim Blick in die
Tiefe keine Angst vor dem Hi-
nunterzuspringen. Und doch
plötzlich war der Gedanke da:
Es wird anders werden.“ Er
kehrte um – mit dem Wissen,
wie sich ein Selbstmörder füh-
len kann. Damals war Moos-
mann knapp 30 Jahre alt. Er er-
kannte, es ist höchste Zeit mas-
siv an sich selbst zu arbeiten.
Mittels Therapie, Selbsterfah-
rung und Ausbildungen.
Von Shiatsu bis Yoga
Die erste Therapie-„Runde“
dauerte fünf Jahre. Die nächsten
zwei Jahre. „Ich machte länger
Therapie als notwendig, weil
ich neugierig geworden bin,
aber nach drei Monaten wieder
hin. „Der damalige Lehrherr
warf mit dem Werkzeug nach
mir, fuhr mit dem Punzenbren-
ner auf mich zu“, begründet er
den Abbruch seiner Lehre.
Enormer Protest
Moosmann begann im Alter
von 15 Jahren massiv zu protes-
tieren. Er rebellierte gegen die
strengen Strukturen, die ihm
auferlegt wurden. „Dabei war
die Kirche ein wichtiges Thema.
Jeden Abend musste ich Rosen-
kranz mitbeten, an jedem Mor-
gen, bei jedem Essen, amAbend
immer ein Gebet, jeden Tag in
die Kirche und jene Leute in der
Kirche beim Quatschen beob-
achten müssen, die nur da
waren, um sich zu zeigen. So
schaute für mich kein Glaube
aus.“ Irgendwann fiel die Ent-
scheidung: „Ich mache was ich
will.“ Für seine Eltern war das
eine schwere Zeit.
Immerhin war der Heinfelser
als junger Kerl immer wieder
abgängig. „Ich haute einfach ab
ohne etwas zu sagen. Meist fuhr
nio Sacral Therapie, Yoga,
NUAD Thai Massage und scha-
manischen Chakrensitzungen
ihn in die Heimat zurück. „Ob-
wohl für mich nach Osttirol zu-
rück zukehren eigentlich nie in
Sich dem Leben trotz-
dem hinwenden, ob-
wohl es zu Ende zu
sein scheint – das tat
Alois Moosmann aus
Heinfels. Ein starkes
Arbeiten an sich selbst
war für ihn der Weg
weg vom Abgrund.
PORTRAIT
PUSTERTALER VOLLTREFFER
MÄRZ/APRIL 2013
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Am Sprung in den Abgrund
Heute hält sich
Moosmann besonders
mit Yoga fit.
was hinter den Verstrickungen
des Menschseins steckt. Ich las
auch eine ganze Bibliothek mit
psychologischer Literatur.“ Für
den Körper wählte er Kung Fu,
seit Jahren ist es nun schon
Yoga. „Vier bis sechs Mal die
Woche für ein bis zwei Stun-
den“, erzählt der Heinfelser, der
es wieder erlernte Gefühle aus-
zudrücken. Er ließ sich zudem
in den Bereichen Shiatsu, Cra-
ausbilden. „Jetzt fühle ich mich
sehr gut. Depressionen sind für
mich schon lange kein Thema
mehr.“
Vermittelt Wissen
Schon länger vermittelt er
sein Wissen nun an andere. Vor-
erst tat er dies in Wien, seit
knapp einem halben Jahr nun in
Osttirol. Seine Liebe, Marietta
Schneider (48) aus Sillian, zog
Frage gekommen wäre.“ Denn
in den engen Strukturen seiner
Heimat fühlte sich der Sohn
von Ottilie (89) und Alois
Moosmann (†) als Kind und
junger Erwachsener wie ein
Gefangener. Der Vater war 50
Jahre lang auf der Alm Hirte.
„Deshalb war ich in jungen
Jahren im Sommer viel auf der
Alm. Mutter und Schwester
waren mit“, so Moosmann.
Als er zur Welt kam, war als
sein Vater bereits 60 Jahre alt.
„In der Gegend, in der ich auf-
wuchs, waren vorerst eigentlich
nur alte Menschen, keine Kin-
der.“ Moosmann begann eine
Installateurlehre, schmiss sie
Alois Moosmann hat sein Leben mittlerweile voll im Griff.
Foto: Marina Holzer
Der Heinfelser als junger, re-
bellischer Mann.