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OSTTIROLER
NUMMER 1/2013
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HEIMATBLÄTTER
Die noch heute existierenden Träger des
Namens Mellitzer, die u. a. in Defereggen,
Graz und Wien leben, gehen großteils auf
Adam Mellitzer zurück, der mit Gertraud
Zottamer (Zathamer) verheiratet war.
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Adam war Bauer im heutigen Haus vulgo
„Michlis“ (Weiler Mellitz, Fraktion Moos
Nr. 3).
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Von seinem Sohn Vitus Mellitzer
stammen in direkter Linie die Mellitzer auf
dem heutigen Erbhof „Michlis“ ab.
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Vitus‘
Bruder Leonhard Mellitzer ehelichte am
14. Juni 1677 Maria Holzer aus der Frak-
tion Gsaritzen (Gemeinde St. Veit). Dessen
Enkel Andreas (1728-1792) kauft den Hof
vulgo „Krusten“ in Rötschitsch in der
Fraktion Görtschach.
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Andreas‘ Sohn
Peter (1762-1839) kaufte am 14. Juni 1811
den Hof vulgo „Scheibelraut“ (Scheiben-
raut), ebenfalls in der Fraktion Gört-
schach.
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Dessen Bruder Johann (1768-
1843) übernahm 1815 den Hof.
Georg Mellitzer der Ältere
(1819-1881), Gutsbesitzer und
Handelsmann
Am 7. April 1819 kam Georg Mellitzer
als drittes von sechs Kindern des oben er-
wähnten Johann und der Maria (geb. Egger,
vulgo Nigler, Fraktion Moos, Gem. St.
Veit) zur Welt. Sein älterer Bruder Johann
(1807-1892) wurde zum Stammvater der
Mellitzer im Hof „Häusler“ (Fraktion Gört-
schach, Gem. St. Veit)
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, während Georg
laut Grabinschrift sowohl „Handelsmann“
als auch „Gutsbesitzer“ in Scheibelraut war.
Diese Doppelgleisigkeit teilte er mit vielen
Zeitgenossen; als Beispiel sei sein Lands-
mann Andrä Mellitzer (1832-1893) ge-
nannt, auf dessen Grabstein im Friedhof
von St. Veit vermerkt ist: „Besitzer und
Handelsmann“.
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Über Georg Mellitzers Jugend wissen
wir lediglich, dass er mit seinem späteren
Kompagnon Johann Stemberger, dem
Besitzer des Hofes „Mühle“ in St. Veit, als
Wanderhändler unterwegs war.
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„In ihrem
Heimatsthale gab es keine Industrie, kei-
nerlei Erwerbszweig, dem sich die beiden
arbeitslustigen Männer hätten widmen
können“,
schreibt Peter Ladstätter in der
„Festgabe“ der Österreichischen Industrie
anlässlich des 50-jährigen Thronjubiläums
Franz Josefs über die nachmalige Firma
Stemberger & Mellitzer.
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Doch die
Deferegger machten aus der Not eine Tu-
gend: Sie verließen ihre Heimat, um mit
verschiedensten Waren zu handeln. Ihre
Mobilität bedeutete eine Erweiterung des
Horizonts in jeder Hinsicht und wurde
auch von der Außenwelt äußerst positiv
wahrgenommen.
„Die Bewohner sind
geistig aufgeweckt und zuthunlich, zuvor-
kommend in der Befriedigung der an sie
gestellten Anforderungen, wissbegierig,
fast neugierig für fremde Verhältnisse“,
schreibt der Alpinist und Mitbegründer des
Alpenvereins Guido von Sommaruga.
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Eine solche Haltung bildete die Vorausset-
zung für die Gründung sogenannter „Kom-
panien“ oder Handelsgesellschaften, wie
sie Georg Mellitzer mit Johann Stemberger
einging und bald durch familiäre Bande ab-
sicherte: Am 23. August 1842 heiratete
Mellitzer Stembergers Schwester Theresia.
Geschäftsgründungen in
Klagenfurt, Agram (Zagreb),
Domschale (Domžale) und Wien
Georg Mellitzer lebte und wirkte – wie
sein berühmterer Landsmann und Zeit-
genosse Peter Ladstätter (1816-1885) vom
Hof Hinterlippen/St. Veit
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– in der Zeit der
Spezialisierung des Hausierhandels
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in
Richtung Strohhuthandel, die in weiterer
Folge zur Gründung von Strohhutfabriken
führte. Dieser Übergang, den Passler als
„Revolution“ bezeichnete
19
, erfolgte in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
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Aber
noch im 1865 ausgestellten Reisepass des
1845 in St. Veit geborenen Georg Großler-
cher werden als Handelsgut Teppiche, Kot-
zen und Wetzsteine neben Strohhüten ge-
nannt – ein eindrucksvolles Beispiel, dass
sich diese „Revolution“ über mehrere Jahr-
zehnte hinzog.
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Unter den zahlreichen Handelskompa-
nien, die Passler nennt
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, waren von An-
fang an Träger des Namens Mellitzer ver-
treten, darunter die „Kompagnien [sic!]
Mellitzer und Feldner“, die Firma „Mel-
litzer und Kleinlercher“ sowie „G. Mellit-
zer“, was vermutlich als Georg aufzulösen
ist und sodann mit unserem gleichnamigen
Mellitzer zu identifizieren wäre. Da die
meisten Angaben bei Passler (und in an-
deren Werken der Sekundärliteratur) aus
mündlichen Überlieferungen stammen,
sind sie oft vage gehalten und nicht immer
genau zuordenbar.
ImAlter von 35 Jahren eröffnete Mellitzer
zusammen mit Stemberger 1854 in Klagen-
furt einen „ortsfesten Strohhuthandel“.
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Dem folgte 1860 eine Filiale (im damaligen
Sprachgebrauch: „Niederlage“) in Agram/
Zagreb. Etwa zur gleichen Zeit schloss sich
den beiden Handelsleuten auch der St. Vei-
ter Johann Holzer (1830-1890) von Ober-
holz (Fraktion Gsaritzen) an. Über ihn heißt
es in der Holzer-Familienchronik:
„Unge-
fähr um diese Zeit associierte er sich, um
das Jahr 1860-62 mit Georg Mellitzer sen.,
Johann Stemberger und einigen anderen und
wurde der Hausierhandel mit Decken und
Strohhüten fortgesetzt.“
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Aus dieser Angabe
lässt sich ablesen, dass der Übergang vom
Hausierhandel zu den „festen Geschäften“
noch nicht abgeschlossen war.
Im Jahre 1863 wurde in Wien eine wei-
tere Filiale gegründet sowie in Domschale
bei Laibach (im Kronland Krain; heute
Slowenien) eine eigene Produktionsstätte
errichtet.
„Allerdings darf man sich von
dieser ‚Fabrik‘ keine besondere Vorstel-
lung machen“,
schreibt Ladstätter:
„Mit
Maschinen wurde damals überhaupt noch
wenig, am allerletzten in der Strohhuter-
zeugung gearbeitet.“
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Maschinen, wie die
Hutpresse (eine Hebelpresse) oder die
Strohhutmaschine, wurden in Krain erst
einige Jahre später eingeführt.
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Damals
umfasste eine solche Hutproduktion ledig-
lich
„1. eine Näherei, wo mit der Hand
Band an Band gefügt wurde; 2. eine
Appretur, in der mittelst Schwamm oder
Pinsel die Seife aufgetragen wurde, 3. eine
Formerei mit wenigen, Jahre hindurch
gleich bleibenden Formen aus Holz, auf
welchen die Hüte zurecht gebügelt oder ge-
schliffen wurden.“
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Ergänzend sei erwähnt,
dass bereits 1857 ein gewisser Paul Mellit-
zer in Domschale mit der Produktion von
Hüten begonnen hatte, der aber mit Georg
Mellitzer nicht direkt verwandt war.
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Die Gründe für die starke Konzentration
der Deferegger Huthändler im Kronland
Krain (im heutigen Slowenien) wurden ein-
Scheibelraut, Heimathaus Georg Mellitzers d. Ä.
(Foto: Gottfried Fröhlich, 1925)
Das Haus „Michlis“ im Weiler Mellitz (Fraktion Moos,
Gemeinde St. Veit i. D.), laut Tiroler Erbhöfebuch erbaut 1820.
(Foto: Ottilie Stemberger)