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Nummer 5 –– 68. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
wenn ihre Tochter Paola mit einem Mit-
glied der alten Reichsfürstendynastie ver-
ehelicht wurde. Dem Görzer brachte die
Hochzeit, die 1478 letztlich unter schwie-
rigen Umständen zustande gekommen ist,
neben einer politischen Stärkung vor
allem gegenüber der Republik Venedig
auch eine bedeutende Mitgift.
Die Verschiedenartigkeit der Kulturen im
Norden und im Süden um 1500 wird mit
rund 220 Objekten nachgezeichnet. Sie
stammen nicht bloß aus Museen und
Sammlungen in Österreich, sondern auch
aus Italien, Deutschland, der Schweiz, aus
England, Frankreich und Polen.
Der Besucher wird mit Objekten von
großer historischer Bedeutung respektive
von hervorragender künstlerischer Qualität
konfrontiert. Es ist schon eine besondere
Aura, die zahlreiche Objekte umgibt, sei es
ein görzisches Reisealtärchen, der origi-
nale, noch nie gezeigte Ehevertrag, Paola
und Leonhard betreffend, eine Votivstatue
aus Wachs (über Holzkern), seien es die
Reliefs der Hochzeitstruhen aus dem Um-
kreis des Andrea Mantegna oder wertvolle
originale Bücher aus dem Gonzaga-Besitz.
Eine kulturhistorische Ausstellung – das
muss man sich von vorne herein im klaren
sein – ist ein anderes Medium zur Ge-
schichtsvermittlung wie ein wissenschaft-
liches Geschichtsbuch. In einer Ausstellung
kann man sich weniger mit der schriftlichen
Hinterlassenschaft vergangener Generatio-
nen befassen – abgesehen von einigen
Schriftstücken als Ausstellungsobjekte –,
sondern mit der materiellen, die natürlich
lange nicht so vollständig auf uns gekom-
men ist, wie das schriftliche Material, das
in verschiedensten Archiven ruht.
Man ist davon abhängig, welche Über-
lieferungsreste überhaupt existieren, welche
man bekommt, wobei heutzutage der kon-
servatorische Aspekt zu Recht eine beson-
dere Rolle spielt.
Nach den Görzern werden die Gonzaga
in der Ausstellung dokumentiert mit
ihrem Hof und dem geradezu institutiona-
lisierten Bildungswesen, das nun auch für
Frauen eine intellektuelle Bildung forderte.
Bezeichnenderweise führte Paola in ihrem
Brautschatz eine kleine Bibliothek mit.
Breiter Raum ist dem Leben am Hof von
Leonhard und Paola gewidmet, das in sei-
ner Verschiedenartigkeit auf vielfältige
Weise zum Ausdruck kommt. Das Aus-
stellungsgut umfasst Textilien, Schmuck
und Mobiliar jener Zeit. Dabei werden be-
wusst Überschneidungen von Gotik und
Renaissance heraus gearbeitet.
Die Kenntnis um die verfeinerte Ess-
kultur – Paola führte in ihrem 16-köpfigen
Hofstaat einen eigenen „aromaticus“,
einen Gewürzkoch, mit – wird in der Aus-
stellung ergänzt um ein Hörbild mit einer
Schilderung von Paolo Santonino aus dem
Jahr 1485, das u. a. ein oppulentes Mahl auf
Schloß Lengberg schildert.
Für die Mußestunden waren an Unter-
haltung vorgesehen Spiele wie Schach, das
Paola im Brautschatz mitführte, oder Wür-
fel-, Mühle-, Dame-, Trictracspiel. Mehr-
fach können Originale der Zeit ergänzt
werden um Fundstücke, die bei archäolo-
gischen Grabungen im vergangenen Jahr
hier auf Schloß Bruck gemacht wurden.
Landesrat Fritz Astl, Kulturreferent des
Landes Tirol, bei seiner Ansprache mit
grundsätzlichen Aussagen über „3 Län-
der, 3 Orte, 1 Ausstellung“.
Dr. Eberhard Kummer (Wien), Spezia-
list für mittelalterliche Musik, unterhält
mit seinen Gesängen aus der Zeit um
1500.
Fotos: Manfred Gasser
Prominente Gäste blättern im umfangreichen Ausstellungskatalog; v. l.: Dr. Claudio
Molinari, LH Dr. Wendelin Weingartner, LH-Stv. Dr. Otto Saurer, LR Fritz Astl,
Bürgermeisterin Helga Machne, Landtagspräsident Prof. Helmut Mader. Foto: pram
Zu höfischen Vergnügungen zählten
weiters Turnier und Jagd. In der gebir-
gigen Landschaft der Grafschaft Görz war
die Jagd zugleich eine sportliche Ertüchti-
gung, ein Kräftemessen und Abenteuer. –
In Mantua war die Beizjagd mit abgerich-
teten Raubvögeln sehr beliebt. Man weiß,
dass bereits die 10-jährige Paola ihr Glück
auf der Sperberjagd versucht hat und auch,
dass sie später mit der Armbrust umgehen
konnte.
Dies ist eigentlich erstaunlich bei einer
jungen Frau, die zeitlebens kränklich war
und an einem Herzleiden laborierte.
Schon als Kind hatte sie Heilbäder in Ober-
italien besucht, nach ihrer Verheiratung die
Bauernbäder im Pustertal.
Die ärztliche Versorgung in jener Zeit ist
ein kulturgeschichtlich besonders intere-
ssanter Abschnitt der Ausstellung und
spielte auch am Lienzer Hof eine große
Rolle. Paola wurde in ihrem Hofstaat ein
eigener „medicus“ als Leibarzt mitgegeben.
Blieb der erwartete Erfolg aus, so nahm
der vom frommen Geist geprägte Mensch
Zuflucht zu überirdischen Mächten, den
himmlischen Fürbittern, wie den 14 Not-
helfern, die man auch in der Kapelle vor-
findet.
Auf Paola lastete der psychische Druck,
einen Nachfolger in der Regentschaft zur
Welt zu bringen. Sie gebar jedoch nur ein
Mädchen, das nicht lebensfähig war.
Immer mehr wurde es Graf Leonhard zur
Gewissheit, dass die Familie mit ihm aus-
sterben werde, eine Erkenntnis, die sicher-
lich nicht leicht zu ertragen war. Das dy-
nastische Glück hatte den Görzer verlassen.
Man weiß nicht, wann Gräfin Paola ge-
storben ist, ziemlich sicher im Verlauf des
Jahres 1496. Nachdem schon dreimal das
Gerücht umgegangen war, der Görzer sei
gestorben, verschied er tatsächlich am
Palmsonntag, dem 12. April des Jahres
1500, hier auf Schloß Bruck.
Es ist eine Selbstverständlichkeit, das
Schicksal der alten Grafschaft über den Tod
des Görzers kurz weiterzuverfolgen. Der
Römische König Maximilian I., der spätere
Kaiser, war der Universalerbe in allen Ter-
ritorien und Rechten. Er gestaltete die Graf-
schaft auf, vereinigte das Pustertal mit
Lienz mit der Grafschaft Tirol, die Herr-
schaften östlich des Kärntner Tores mit dem