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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
68. Jahrgang –– Nummer 5
Geehrte Festgäste, meine Damen und
Herren! Die Berechtigung des gegenwärtig
strapazierten Schlagwortes „Zeiten-
wende“, mit dem Jahr 2000 in Zu-
sammenhang gebracht, werden erst spätere
Generationen objektiv beurteilen können.
– Vor einem halben Jahrtausend aber er-
lebte das Abendland tatsächlich einen Um-
bruch auf politischem, wirtschaftlichem,
sozialem, kulturellem und religiösem Ge-
biet.
Ein tiefgreifender Wandel beschränkt
sich natürlich nicht auf ein einzelnes Jahr,
sondern umfasst Jahre, Jahrzehnte. – Mit-
ten in der Zeitenwende zwischen Mittel-
alter und früher Neuzeit, sozusagen
pünktlich im Jahr 1500, starb der Landes-
fürst Graf Leonhard von Görz-Tirol,
eigentlicher Anlass zur Landesausstellung
des heurigen Jahres. – Das spezielle
Thema der Görzer, verknüpft mit dem
„Generalthema“ der Landesausstellung,
also die Umbruchszeit um 1500, ergibt na-
hezu automatisch als Schwerpunkt die
Schilderung des letzten Görzer-Paares Le-
onhard und Paola.
Was das Thema so reizvoll macht, ist
der Umstand, dass sich bereits an diesem
Paar die Zeitenwende in mancher Hinsicht
dem sensiblen Besucher vor Augen stellen
läßt, am besten ausgedrückt in der Defini-
tion als „ungleiches Paar“:
– Der Altersunterschied von ca. 20 Jahren
– Paola war bei der Hochzeit erst 15
Jahre alt – ist fast unwichtig im Ver-
gleich zu anderen Gegebenheiten.
– Leonhard besaß keine große Bildung. –
Paola hingegen, die von einem der
ersten Renaissancehöfe Italiens stammt,
war im Vergleich dazu sehr gebildet.
– Leonhard war ein Mensch mit einem
eher rauen Charakter. Man muss dies
verstehen; er wurde sicherlich durch die
vielen kriegerischen Ereignisse ge-
prägt, in die er von Jugend an verwickelt
war, um die Grafschaft zu verteidigen. –
Paola war in höfischem Sinn fein er-
Bei keinem bedeu-
tenden Fest in Tirol
dürfen die Schützen
fehlen, die erst den
richtigen Rahmen ver-
leihen. – Bürgermeis-
terin Helga Machne
mit Landeshauptmann
Dr. Wendelin Wein-
gartner, Dr. Otto
Saurer, Landeshaupt-
mann-Stellvertreter
von Südtirol, und Dr.
Claudio Molinari,
Landesrat für Kultur
und Bildungswesen
der Autonomen
Provinz Trient.
Foto: Dr. Lois Ebner
Als Hinweis auf das
gemeinsame kulturelle
Großereignis in den
verschiedenen Lan-
desteilen des histori-
schen Tirol ist der Hof
von Schloß Bruck mit
den Fahnen von Tirol,
Südtirol und dem
Trentino geschmückt.
Foto: Brigitte
Pramstaller
Meinrad Pizzinini
„Leonhard & Paola. Ein ungleiches Paar“
Einführung in die Ausstellung aus Anlass der Eröffnung auf Schloß Bruck
zogen; sie war auch ein gefühlvoller
Mensch.
– Leonhard war umgeben von der Kunst der
späten Gotik, die er in den Bauten der Gör-
zer Bauhütte oder der Beauftragung von
Künstlern wie Simon von Taisten oder ein-
heimischer Goldschmiede förderte. –
Paola war mit der Renaissancekunst und
ihren neuen Ausdrucksformen vertraut.
– Leonhard war ein typischer Mensch des
ausgehenden Mittelalters; bezeichnend in
dieser Hinsicht auch seine Verbindung
zum St. Georgs-Ritterorden. – Paola war
offen gegenüber der „neuen Zeit“ mit
Humanismus und Renaissance.
Bereits in diesen beiden Personen, die
hier auf Schloß Bruck Hof halten, stoßen
zwei Kulturen, ja, zwei Welten aufeinan-
der. – Wesentliche Erkenntnisse zu den Be-
ziehungen des Paares und der Höfe Görz –
Gonzaga erhalten wir aus einem intensiven
Briefwechsel, überliefert in den Archiven
von Mantua und Innsbruck.
Steht auch das ungleiche letzte Görzer-
Paar im Mittelpunkt, so ist dennoch die
Möglichkeit gegeben, immer wieder
Rückblicke in die frühere Görzer-Zeit ein-
zublenden, unterstützt vom Einsatz multi-
medialer Installationen. Rückblicke in die
Zeit des Aufbaues ihres Territoriums um
Lienz, im Pustertal, in Ober- und Unter-
kärnten und jenseits des Plöckenpasses am
Isonzo, in Friaul, in Krain, in der Windi-
schen Mark, am Karst und in Istrien. Be-
trachtet man das Gesamthaus der Görzer,
so wurde ihr Besitz noch um Tirol und das
Herzogtum Kärnten ausgeweitet. Sie
waren mit zahlreichen Herrscherhäusern
Europas verwandt und lange Zeit führen-
den Dynastien ebenbürtig. Es gelang
ihnen, in ihren Territorien die volle Lan-
deshoheit auszubauen und standen im
Rang von Fürsten des Heiligen Römischen
Reiches.
In der Zeit des letzten Görzers, Graf
Leonhard, war der bedeutungsmäßige
Höhepunkt der Dynastie schon lange
überschritten und die Reputation, die man
ihm entgegenbrachte, war sicherlich größer
als es der tatsächliche Machtanspruch ver-
langt hätte.
Und dennoch war es für die Aufsteiger-
Familie der Gonzaga in Mantua ehrenvoll,