Seite 6 - H_2002_02-03

Basic HTML-Version

hang vorerst noch verborgen – eine kleine
Statue des Auferstandenen aufgestellt
war. Nach dem feierlichen Jubelruf
„Christus ist erstanden“ im Rahmen des
Hochamtes am Hauptaltar zog der Mesner
bzw. einer seiner Helfer dieses Tuch bei-
seite und ließ den Auferstandenen im
Strahlenkranz nach oben schweben.
Gleichzeitig wurden noch andere Helfer
aktiv, die vorher hinter den Kulissen und
unter dem Bühnenboden verborgen
waren und nun eine Leinwandrolle mit
dem gemalten leeren Grab vor den ruhen-
den Leichnam Christi herabließen, am
Bühnenboden Figuren fliehender Wächter
nach vorne schoben und dahinter eine Dar-
stellung des Grabes in Tumbaform mit
dem geöffneten schweren Deckel aus
Stein, einem auf einer Wolke sitzenden
Engel und einer der Frauen aufrichteten.
Diese Figurengruppe war vorher am
Boden gelegen und wurde mittels einer
Stange durch ein Loch im Bühnenboden
aufgekippt. Diese Szene, noch um zwei
weitere, das Grab besuchende Frauen er-
gänzt, blieb den ganzen Ostersonntag über
stehen. Anton Zoller lässt den Engel seine
Belehrung an die Frauen durch eine viel
sagende Geste ausdrücken. Die himmli-
sche Gestalt – am Grab sitzend – weist
nach oben, auf die Strahlengloriole mit
dem Auferstandenen.
Der Abschluss der von Zoller gemalten
Szenenfolge des Lienzer Heiligen Grabes ist
am Ostermontag mit der Darstellung
Christi als Gärtner gegeben, die auf Johannes
20, 14–17 beruht. Der Künstler folgt natür-
lich
auch
dem
weit
zurück-
reichenden Irrtum der künstlerischen Inter-
pretation, die den Auferstandenen als Gärt-
ner mit Schaufel darstellt; dabei hatte ihn
Maria Magdalena ja bloß mit dem Gärtner
verwechselt! Vielfach wird die Szene als
„Noli me tangere“ („Rühr’ mich nicht an!“)
bezeichnet, was das Wesentliche der Bege-
gnung Maria Magdalenas mit Jesus, der von
ihr absoluten Glauben verlangte, trifft. Auf
der Darstellung in Lienz scheint Maria Mag-
dalena dieser Forderung zu entsprechen,
indem sie fast erschreckt zurückweicht.
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
70. Jahrgang – Nummer 2-3
Aufnahmen aus dem Jahr 1967, in dem das Ostergrab von St. Andrä zum letzten Mal in der herkömmlichen Art aufgestellt worden
ist: Zwei Details aus der Holzkonstruktion des ehemaligen Gerüstes (oben) – Die Bretter des „Bühnenbodens“ werden auf das Grund-
gerüst gelegt und eingepasst (unten links) – Verdiente Jause in der ehemaligen Sakristei: Gabriel Forcher jun. mit Gesellen und Lehr-
lingen seiner Tischlerwerkstätte, die das Aufstellen besorgten (unten rechts) – Montieren der Kulissenteile am Holzgerüst (rechte Seite,
unten) – Ein Blick hinter die Kulissen: Gerüst, bestehend aus den alten Holzbalken von 1752 und das seit 1987 in Verwendung ste-
hende Stahlgerüst, auf dem die Kulissen befestigt sind (rechte Seite, oben).
Alle Fotos: M. Pizzinini
Vom Ablauf des Aufrichtens
Das Heilige Grab von St. Andrä hat die
Verbotszeiten unter Kaiser Joseph II. und
der bayerischen Herrschaft zu Beginn des
19. Jahrhunderts überdauert, wenn es auch
vermutlich nicht durchgehend aufgestellt
werden durfte. Bezeichnend, dass es im
Jahr 1816 restauriert worden ist, um wie-
der der frommen Erbauung zu dienen.
Das Heilige Grab hat dem gläubigen
Menschen im Ablauf der Karwoche mit
ihren liturgischen Feiern und dem religiö-
sen Brauchtum einen Höhepunkt ver-
mittelt, ausgehend vom Palmsonntag als
festlichem Auftakt. Nicht nur für die
Geistlichkeit, auch für Chorregent, Orga-
nist und besonders den Pfarrmesner be-
deutete die ganze Karwoche einen beson-
deren Stress im Verlauf des Kirchenjahres.
Eine interessante Quelle, die sich mit
dem Ablauf dieser Woche in Lienz und
auch mit dem Heiligen Grab befasst, ist
das Mesnerbuch des Josef Weiß
18
. Im Mai
1845 trat Weiß den Dienst als Mesner von
St. Andrä an, den er über zweieinhalb
Jahrzehnte mit Eifer und innerer Begeis-
terung erfüllt hat. Im ersten Jahr hat er für
jeden Tag die Mesnerdienste in einem
Buch festgehalten, die Uhrzeit der Gottes-
dienste, die jeweilige liturgische Farbe, die
Art des Altarschmucks, die Zahl der Ker-
zen usw. Später hat er noch Ergänzungen
und Änderungen, aber auch Ereignisse von
lokal- und selbst weltpolitischer Bedeu-
tung eingetragen. Im Jahr 1846 erlebte
Weiß erstmals die Karwoche als Pfarr-
mesner. Zu den üblichen Verrichtungen
kam auch die Betreuung des Heiligen Gra-
bes, worauf einige Eintragungen bezug
nehmen:
„6. [April] … Montag angefangen,
Heiliges Grab aufzumachen. 4 Personen
den ersten halben Tag, den Nachm(ittag)
drei Personen, die gezahlt werden.
Demselben Tag bereits das ganze Gerüst-
werk aufgestellt. 7. [April] Dienstag …
Nachm(ittag) die Farben für die Grab-
kugeln richten.“
Am Mittwoch mussten Vorbereitungen
für die nachmittägige Vesper getroffen
werden:
„Nachm(ittag) den drei eckigen Leuch-
ter mit 14 gelben und eine weiße Kerze zu
richten, aufn Hochaltar sechs gelbe Ker-