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seine Frau übersiedelte im selben Jahr mit
drei Kindern nach Tirol, während er selbst
noch eine Arbeit in Kärnten abschließen
musste. Im folgenden Jahr starb Zollers
Gattin.
Mit der Rückkehr nach Tirol wird sich
Anton Zoller eine wirtschaftliche Besser-
stellung erwartet haben. Ein Missgeschick
für ihn, dass – neben anderen Malerkolle-
gen – gerade in diesen Jahren der aus Ro-
daun bei Wien stammende Maler Josef
Adam Mölck in Tirol wirkte. Während er
es offiziell zum „k.k. Hofkammermaler in
Tirol“ brachte, war er bei seiner Kolle-
genschaft in diesem Land verhasst.
Mölck war tüchtig, übernahm selbst Ge-
samtrestaurierungen von Kirchen in Ei-
genregie und hatte mit seinen komposito-
risch und farblich ausgewogenen Arbeiten
bei Auftraggebern und Betrachtern Erfolg.
Überdies war er ein ausgesprochener
„Schnellmaler“, was Kosten sparen half,
die Konkurrenten allerdings vom
„Wind-
beutel Mölck aus Wien“
sprechen ließ, wie
sich einmal Anton Zoller äußerte. Beson-
dere Verärgerung muss bei Zoller hervor-
gerufen haben, wenn knapp vor der Über-
siedlung nach Hall Mölck ausgerechnet
die dortige Pfarrkirche ausmalte! Auch in
der ihm bereits vertrauten Kirche St.
Andrä in Lienz wurde Zoller bei der
Barockisierung des Presbyteriums nach
einem Brand lediglich die Ausführung des
Altarblattes (1761) übertragen, während
im selben Jahr Josef Adam Mölck die Ge-
wölbefresken schuf.
Erst als sich eine Zusammenarbeit mit
dem Pfarrer-Architekten Franz de Paula
Penz ergab, den der Brixner Bischof über-
all dorthin entsandte, wo es galt, ein Got-
teshaus zeitgemäß zu erneuern, war
Anton Zoller voll ausgelastet. Immerhin
hat er in den 14 Jahren, die er nach seiner
Übersiedlung in Tirol wirkte, noch sechs
Kirchen ausgemalt, nämlich Telfes,
Schmirn, Gschnitz, Mutters, Obertilliach
und Patsch. Nebenher schuf er mehrere
Altarblätter. Gegen Jahresende 1767 er-
krankte Anton Zoller an Wassersucht und
starb am 16. April 1768.
Das Werk des Anton Zoller reicht si-
cherlich nicht an die Qualitäten der ganz
Großen der Tiroler Malerei des 18. Jahr-
hunderts heran wie Paul Troger, Ignaz
Mildorfer, Johann Ev. Holzer usw. Seine
Kunst, die eigentlich schon über das Ba-
rock hinauswuchs und an der Schwelle zur
Rokokomalerei steht, besitzt aber ein Ni-
veau, dem eine beachtliche Bedeutung,
verbunden mit einer echten Bereicherung
der Tiroler Kulturlandschaft, voll zuer-
kannt wird.
Über das Lienzer Heilige Grab schreibt
Franz Carl Zoller, des Künstlers Sohn
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:
„Von seinen übrigen Arbeiten verdient
noch bemerkt zu werden das Hochaltar-
blatt in der Pfarrkirche zu Lienz, den hei-
ligen Apostel Andreas vorstellend, und ein
Heiliges Grab daselbst, welches wegen
seiner täuschenden Perspektive Jeder-
manns Verwunderung auf sich zog, und
wovon man sagte, daß ein Bauer gerade
auf die gemahlte Stiege zugieng, und wirk-
lich darüber hinauf steigen wollte.“
Ob diese Geschichte nun wahr ist oder
bloß gut erfunden, sie drückt auf jeden Fall
Anton Zollers überzeugende Beherr-
schung der perspektivischen bzw. illusio-
nistischen Malerei aus. Alle Künstler, die
in dieser Manier arbeiteten, orientierten
sich letztlich an Andrea Pozzo
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, Meister in
der Anwendung vielseitiger Mittel der
Raumtäuschung. Pozzo (1643 – 1709), aus
Trient gebürtig, trat als Laienbruder der
Gesellschaft Jesu bei und wurde von sei-
nem Orden zu künstlerischen Aufgaben
herangezogen. Er wirkte hauptsächlich in
Mailand, Rom und Wien. Überall erregte
seine Beherrschung der perspektivischen
Malerei mit Fassaden, Räumlichkeiten und
Kuppeln höchste Bewunderung. Seine
Fähigkeiten und Erfahrungen legte er in
seinem zweibändigen Werk „PERSPE-
CTIVA PICTORUM ET ARCHITE-
CTORUM“ nieder, das in erster Auflage
in Rom 1693/1698 erschien und mehrere
Ausgaben erlebte.
Was Anton Zollers praktische Erfahrung
anbelangt, so hatte er schon bei seinem ers-
ten Lehrmeister, Franz Michael Hueber,
Gelegenheit gehabt, sich in perspektivi-
scher Malerei zu erproben. Vervollständigt
wurde dieses Können als jahrelanger The-
atermaler bei den Jesuiten in Klagenfurt.
Gestaltung, Inhalt und Aussage des
Heiligen Grabes
Ganz eindeutig besteht eine Verwandt-
schaft zwischen dem Lienzer Heiligen
Grab
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und einem barocken Kulissenthea-
ter mit seinen scheinperspektivisch ge-
malten Architekturen. Es ist für diese Art
von Malerei bezeichnend, wenn drei
hintereinander gerückte symmetrische
Bogenkulissen in Verbindung mit einem
Schlussprospekt eine erstaunliche illusio-
nistische Tiefe erreichen. Die architekto-
nischen Teile sind auf Leinwand gemalt
und auf Holzrahmen gespannt. Die Figu-
ren hingegen bestehen aus Holzplatten
bzw. Brettern, genau nach den entspre-
chenden Konturen ausgesägt.
Das Heilige Grab passt sich den archi-
tektonischen Gegebenheiten des linken
Seitenschiffes der gotischen Basilika von
St. Andrä genau an. Es füllt nahezu die
ganze Höhe des Schiffes mit 10,2 m und
die Breite von 6,6 m. Das Raumvolumen
ist beträchtlich. Die Vorderfront ist 6,24 m
breit; der Abstand zur ersten Kulisse
beträgt 1,68 m, von dieser zur zweiten
1,65 m und von hier zum abschließenden
Hintergrund 1,68 m. Dieser ist genau
1,65 m von der Rückwand des Kirchen-
schiffes entfernt. Damit reicht das Heilige
Grab 6,6 m bzw. etwas mehr als zwei
Joche in den Raum herein. Zur Gewin-
nung optischer Tiefe trägt auch die richtige
Anwendung der Farben bei. Die seitlich
herein ragenden Architekturteile sind
nämlich bewusst abwechselnd heller und
dunkler gehalten. Insgesamt zeigt das
Kolorit eine reiche Palette von harmonisch
aufeinander abgestimmten Farben.
Die Vorderfront besitzt geradezu die
Form eines Triumphbogens, der den
Blick auf die dahinterliegenden Palast-
bauten freigibt. Der „Bühnenboden“ ist er-
höht. Zu ihm führen zwei gemalte seitliche
Treppen hinauf. Dazwischen, leicht nach
vorne gewölbt, befindet sich das fast
mensaartig wirkende Grab zur Aufnahme
des Leichnams Christi. Neben den Auf-
gängen sieht man Vasen und Scheinposta-
mente mit den Darstellungen von Moses
und König David, Persönlichkeiten des
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
70. Jahrgang – Nummer 2-3
Abendmahlszene (links) und „Christus am
Ölberg“, aufgestellt am Gründonnerstag.
Fotos: M. Pizzinini