Seite 6 - H_2002_09-10

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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
70. Jahrgang – Nummer 9-10
und Jakob Possenig, seelig, Vicar in Landl
ob der Enns, leibliche Gebrüder, gestiftet
worden ist.
Alle anwesenden frommen Christen
werden gebeten, im Namen der Stifter,
ihrer getreuen Eltern Balthasar Possenig
zu Oberdorf und Maria Gstinigen seelig
und der ganzen Freundschaft beim hl.
Meßopfer ein andächtiges Vaterunser, den
Englischen Gruß und das christliche
Glaubensbekenntnis zu beten: „Gott dem
Allmächtigen, Maria der allerreinsten
Jungfrau und dem hl. Sebastian, der S.
Magdalena zu Ehr und Lob und Preis zu
beten, damit der allerhöchste Gott der gan-
zen Possenigschen Freundschaft im
Leben wolle geben, was ihnen und für Seel
und Leib, hier und dort ersprießlich sei.
Den Abgestorbenen möge er die ewige
Ruhe, Freud und Seligkeit und uns allen
nach diesem Vergänglichen das Himmli-
sche Jerusalem in Secreto de Pater et ave.“
Diese „Verkündigung“ soll am S. Sebas-
tian und S. Magdalenatag erfolgen.
Anmerkungen:
1 Jahre später sagte man Unterthurn und Oberthurn.
2 In Lienz ging die Rede, dass der Scharlach von Thurn,
Oberdrum oder Oberlienz komme.
3 Ein Gerät, mit dem man den Leinsamen von Unkraut-
samen trennen konnte. OHBl 8/1966.
Für die weitere Verarbeitung des Flachses waren der
Arbeitsfolge entsprechend in Verwendung: der Riffl, ein
geschmiedeter Kamm zum Abreißen der Leinsamen-
kapseln; die Brechl zum Ausbrechen der Verholzung;
der Hachl, zwei rechteckförmige Kämme in Form eines
Nagelkissens mit versetzten langen, dünnen geschmie-
deten Stahlstiften auf einem Brett montiert zum Aus-
kämmen des Brechlgutes zu Reisten und Werch. Es gab
auch kreisförmige Kämme.
4 Die Badestuben lagen außerhalb der Wohnhäuser und
hatten einen „Saunaofen“ aus Feldsteinen. Über diesem
röstete der Flachs auf einem Stangenrost. Das Brecheln
geschah unmittelbar danach unter dem großen Vordach.
(Erhalten ist noch die Unterweger Badstube im Haus-
anger.)
Die Brechlgrube, ebenfalls außerhalb der Siedlungen,
war eine ausgemauerte Erdgrube, etwa 1 x 2 x 2 m, in
der ein mäßiges Feuer unterhalten wurde, das den
Flachs auf den darüber liegenden Holzstangen röstete.
Gebrechelt wurde neben der Grube.
5 Der Göppel war eine mechanische Vorrichtung un-
mittelbar neben dem Wirtschaftsgebäude. Er bestand
aus einem horizontal liegenden großen Zahnrad, dessen
Achse im Boden verankert und mittels langem Radius-
balken von einem Pferd (Ochs oder Rind) im Kreis be-
wegt wurde. Die Drehbewegung setzte man mit einem
Kegelzahnrad und einer Riemenscheibe an den Enden
einer langen Kardanwelle um in eine Vertikaldrehung,
welche dann mit einem Breitriemen auf die Dresch-
maschine oder den Häcksler übertragen wurde. In Thurn
gab es mehrere Göppel. Heute erinnert nichts mehr an
sie.
6 Die Radmühlen sind verzeichnet in den Verbauungs-
plänen der Wildbachverbauung von 1884.
7 Siehe Kapitel „Vom Geld“!
8 Die Kopie des Berichtes aus OHBl 1, 2/1933, die Maria
Reiter vom „Osttiroler Bote“ dankenswerter Weise zur
Verfügung gestellt hat, ist im Chronikarchiv Thurn
hinterlegt.
9 Der Moosweg bis zum Soaga war gepflastert. Das ver-
hinderte, dass abfließendes Wasser nach Gewittern oder
schweren Regengüssen einen Wassergraben aufriss.
10 Die Preise sind aus Rechnungen von 1865 und 1879
entnommen.
11 Entrichtvertrag, Vermögensübergabevertrag, Über-
gabsvertrag entsprechen etwa dem Testament von heute.
12 Das Geld stammt von fünf Kirchen, dem Bürgerspital
Lienz, dem Armenfond Thurn und zwölf Privatperso-
nen.
13 Für verhältnismäßig kleine Darlehen von ein paar hun-
dert Gulden musste meist der gesamte Besitz zu Pfand
gegeben werden.
14 In Thurn gab es den Kirchfonds St. Nikolaus und St.
Helena, den Armenfonds und Schulfonds. Letzterer war
nur mit 50 Gulden R. W. dotiert und stammte vom Tes-
tament des Stadtpfarrers und Dechanten Stanislaus Alt-
huber. Reichhaltiger Schriftverkehr und viele Pfandur-
kunden sind erhalten und im Chronikarchiv Thurn ge-
sammelt. K 11/T 4, 5 und 6.
15 Solche Schuldscheine sind mir bei der Arbeit im Tiro-
ler Landesarchiv (Innsbruck) immer wieder in die
Hände gekommen.
In den Verfachbüchern sind die bei Gericht abge-
schlossenen bzw. hinterlegten Verträge aller Art, wie
Schuldscheine, Quittungen, Hinterlassenschafts- und
Kaufverträge, Protokolle u. ä. jahrgangsweise geordnet
und in Leder gebunden. Man kann Einsicht nehmen,
sollte aber die Kanzleischrift (Kurrentschrift) des 19.
Jahrhunderts lesen können.
Die Transscriptionen aus dem Fami-
lienbuche von St. Andrä tätigte Raimund
Mußhauser, Chronist.
Weiterführende Literatur: Wilfried
Beimrohr, Thurn, Innsbruck 1984.
Wir dürfen nicht meinen, dass der Ver-
such der wirtschaftlichen Entwicklung der
Iselregion erst in der Zeit nach dem Zwei-
ten Weltkrieg Gestalt annahm und
schließlich Erfolge zeitigte. Schon 80
Jahre früher – gegen Ende des 19. Jahr-
hunderts – machten sich fortschrittliche
und weitblickende Männer in Lienz und
im Iseltal sehr wohl Gedanken, wie man
die Glockner-Venedigerregion an das da-
malige Verkehrsnetz, das von der Bahn
geprägt war, anschließen und damit den
Raum wirtschaftlich befruchten könnte.
Ein 22 Seiten umfassendes Ansuchen der
Bürgermeister von Lienz und der Ge-
meinden der Iselregion an den Reichsrat
in Wien mit obiger Überschrift erfolgte
bald nach der Eröffnung der Pustertalbahn
und hätte diesen Fortschritt ermöglichen
sollen.
Eine weitere Überschienung der Ostal-
pen zwischen Brenner- und Südbahn war
sicher im Eisenbahnkonzept der Monar-
chie vorgesehen, und es standen letztlich
drei Möglichkeiten zur Auswahl: der Rad-
stätter Tauern, der Mallnitzer Tauern und
schließlich der Felber Tauern. Alle Be-
wohner waren an der Verwirklichung der
Bahn in ihren Tälern interessiert. So auch
Lienz und das Iseltal. Selbstverständlich
suchte man nach plausiblen Gründen, dass
der Felbertauern die günstigste und am
leichtesten zu verwirklichende Lösung sei
und viele Vorteile biete, die die anderen
Trassen nicht bieten könnten. Diese Vor-
teile wurden in drei Punkten aufgelistet.
I. Streckenlänge
Die Bahn über die Tauern müsse
schließlich den Anschluss an den süd-
deutschen Raum mit dem bedeutendsten
Verkehrsknoten München erreichen und
da wäre der Weg Lienz-Matrei-Mittersill-
Kitzbühel und weiter auf der bereits vor-
handenen Strecke über Wörgl nach Kuf-
stein mit 235 km ab Spittal gerechnet zwar
nicht der kürzeste jedoch der mit den ge-
ringsten Schwierigkeiten beim Bau. Die
Trasse
Spittal-Mallnitz-Schwarzach-
Salzburg wäre mit 175 km zwar kürzer, je-
doch am Eingang ins Gasteinertal und von
Mallnitz bis Spittal äußerst arbeits- und
kostenaufwendig. Die Strecke Spittal-Rad-
statt-Salzburg wäre ungefähr gleich lang
wie die Felberbahn, jedoch wegen der gro-
ßen Höhenunterschiede und damit not-
wendigen Schleifen und Geländeschwie-
rigkeiten kostenaufwendiger als die Bahn
über den Felbertauern.
Siegmund Kurzthaler
Petition
der Gemeinden des Bezirks Lienz-Pustertal an das Hohe Abgeordnetenhaus des Reichsrates
um Erstellung der Felbertauern-Bahn (Verfasst am 10. Jänner 1885)
Petition für den Bau der Felbertauern-
Bahn, datiert mit 10. Jänner 1885.
„Brechl“, 1956. – Damit trennte man die
Verholzung von der Faser.