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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
71. Jahrgang – Nummer 11
bezogene Gebäude am Donaukanal be-
steht heute noch.
Betreffend die Vermittlung von ergän-
zendem Wissen zur Schulbildung muss
man in Lienz über die 50 Jahre des Beste-
hens der VHS ein Stück zurück gehen. Die
große Blüte der Urania liegt in der
Zwischenkriegszeit. Von Wien aus grün-
dete man mehrere Zweigstellen, so auch in
der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck
und von dort aus ging die Initiative zur
Gründung der Urania Lienz.
Die Ortsgruppe Lienz wurde am 25.
März 1925 ins Leben gerufen,
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wobei – für
damalige Zeiten fast unglaublich – politi-
sche Absichten bewusst ausgeklammert
worden sind. Mittels eines verhältnismäßig
breit gefächerten Programms verfolgte
man die Ziele:
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Verbreitung wissenschaftlicher und
technischer Kenntnisse und auch die För-
derung von Kunstverständnis und allge-
meine Bildung – und zwar in allen sozia-
len Schichten der Bevölkerung.
In einem Schreiben
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gab der Vorstand
der Urania dem
„löblichen Gemeindeamt“
der Stadt Lienz die Gründung des neuen
„Bildungsinstituts“
bekannt, um dieses
auch
„gleichzeitig zur weitgehendsten
Förderung und Unterstützung anzuemp-
fehlen“.
Das Schreiben endet mit den Wor-
ten:
„In der zuversichtlichen Hoffnung,
dass der Gemeinderat die Uraniagründung
in Lienz freudigst begrüßen und nach Kräf-
ten fördern und unterstützen wird, zeichnet
mit vorzüglicher Hochachtung ...“
der
Vorstand der Lienzer Urania.
Im Antwortscheiben vom 7. Juli 1925
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wird der Lienzer Urania für 1925 eine Sub-
vention von 200 S zugesagt, was für da-
mals einen nicht geringen Betrag darstellte.
Irgendwann in den dreißiger Jahren
scheint die Lienzer Urania entschlafen zu
sein. Der Grund ist wohl nicht in man-
gelndem Interesse der Bevölkerung zu su-
chen, sondern eher in einer mangelnden
Finanzierung, an der in jener wirtschaftlich
schwierigen Zeit so viele gute kulturelle
Initiativen gescheitert sind.
Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte im
wiedererstandenen Österreich der Volks-
bildungsgedanke gleich wieder auf. Und
nun, nach einem offensichtlichen Reife-
prozess kam es endlich zu einer Koopera-
tion der durchwegs privaten Trägerver-
eine. Die Bedeutung der Volksbildung er-
kennend – seit den sechziger Jahren wird
durchwegs von Erwachsenenbildung ge-
sprochen –, wurde 1945/46 beim damali-
gen Unterrichtsministerium eine Zentral-
stelle für Volksbildung eingerichtet.
„Nun hat auch Lienz eine
Volkshochschule“
Die Volkshochschule für Tirol konnte
noch 1945 gegründet werden. Auch in
Lienz gab es Bestrebungen zur Gründung
einer VHS; das konkrete Verdienst, sie
auch tatsächlich gegründet zu haben, fällt
dem damaligen Leiter der Lienzer
Zweigstelle der Tiroler Arbeiterkammer,
Dr. Hans Blecha
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, zu, dem späteren Vize-
bürgermeister der Stadt Lienz. Vorher der
Amtsstelle Kufstein der Arbeiterkammer
zugeteilt, hat er das dortige Volksbil-
dungswesen kennen gelernt und auch die
Aufspaltung in eine berufliche Fortbildung
(später BFI – Berufsförderungsinstitut)
und den Bereich der allgemeinen Volks-
bildung zur VHS kennen gelernt. Aus die-
sem Engagement heraus kam es zum offi-
ziellen Gründungsakt um den 20. Novem-
ber 1953; der genaue Tag scheint nicht
mehr eruierbar zu sein.
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Die „Volkszei-
tung“ vom 25. November meldete ge-
radezu triumphierend:
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„Nun hat auch
Lienz eine Volkshochschule“!
Der Bedeutung dieses Ereignisses ent-
sprechend, ging dieses nicht etwa sang-
und klanglos über die Bühne oder wurde
bloß mit einer Pressemeldung abgespeist,
sondern es reiste aus Innsbruck – was da-
mals wesentlich schwieriger war als heute
– der Leiter der Tiroler Erwachsenenbil-
dung und Vorsitzende der VHS Innsbruck,
Univ.-Prof. Dr. Leonhard Franz, an.
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Mit
der Leitung der Lienzer VHS wurde Josef
Kreiner, tätig beim Österreichischen Ge-
werkschaftsbund, betraut.
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Über Zielsetzung, Sinn und Zweck be-
richtete die Zeitung:
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„Diese Neueinrich-
tung wird zweifellos von allen Osttirolern
freudig begrüßt werden. – Jedermann, ob
Arbeiter, Geschäftsmann, Bauer oder An-
gestellter, Beamter oder Gewerbetreiben-
der, gleichgültig, zu welcher Weltanschau-
ung er sich bekennt, kann an den Veran-
staltungen der Volkshochschule teilnehmen,
deren Hauptziel die Volksbildung im Sinne
der Förderung des österreichischen
Staatsgedankens ist. In Kursen und Vorträ-
gen, Exkursionen und Studienzirkeln soll es
allen Bildungsbeflissenen unter der Leitung
von Fachkräften ermöglicht werden, in ver-
schiedene Wissensgebiete einzudringen
und sich neues Bildungsgut anzueignen.“
Die Kursbeiträge waren bewusst niedrig
gehalten, so dass tatsächlich eine günstige
Voraussetzung für eine allgemeine Inan-
spruchnahme gegeben war. Trotzdem hat
man sich gleich um Sponsoren bemüht:
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„... es ist auch eine schöne und wichtige
Aufgabe für Gemeinde, Wirtschaftsorga-
nisationen, Kammern und Firmen, diese
Bestrebungen, wenn der Ruf an sie ergeht,
durch finanzielle Zuwendungen zu unter-
stützen.“
Der erste Kurs begann noch im Dezem-
ber 1953, knapp vor Weihnachten.
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Es
wurde betont, dass das Programm für das
Wintersemester 1953/54 erst ein Anfang
sei. Von der Leitung der Lienzer VHS
werde alles unternommen, dieses Pro-
gramm bereits im folgenden Jahr wesent-
lich zu erweitern.
Zunächst wurden geboten:
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Erweite-
rungsmöglichkeiten der italienischen und
englischen Sprachkenntnisse in Anfänger-
und Leichtfortgeschrittenenkursen (Kurs-
beitrag für 30 Stunden jeweils 45 S), Be-
herrschung der deutschen Sprache in Wort
und Schrift („Rechtschreiben und Stil“) und
Veranstaltungen über österreichische
sowie europäische Wirtschaftsgeographie.
Eine Bilanz findet man einige Wochen
später in den „Tiroler Nachrichten“ vom
4. Jänner 1954:
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An diesem ersten (Infor-
mations-)Kurs in italienischer Sprache
nahmen bereits 23 Schüler teil. Diesen
Kurs leitete Fräulein Dellacher, eine Leh-
rerin, wohnhaft in Gaimberg. Damit be-
gann also das Arbeitsprogramm.
Wenn manchmal ganz allgemein ver-
sucht wurde, die Volkshochschule und das
Katholische Bildungswerk gleichsam
gegenseitig auszuspielen und beide erfolg-
reichen Institutionen in ein bestimmtes
politisches bzw. weltanschauliches Lager
abzudrängen, so ist dies zum Glück nicht
gelungen. Gerade in der Frühzeit bestand
diesbezüglich eine größere Gefahr wie
später. – Bezeichnend für die über den po-
litischen Lagern stehende Position der
Volkshochschule ist – als Beispiel dient
die Lienzer VHS –, dass die ersten gänz-
lich wertfreien Meldungen einerseits in der
sozialistischen „Volkszeitung“ und in der
Parteizeitung der ÖVP, den „Tiroler
Nachrichten“ erschienen sind. Und in bei-
den Berichten wird das Positive im Sinne
der Erwachsenenbildung hervorgehoben.
Anna Waldeck – 28 Jahre Leiterin der
VHS mit vielen Initiativen
Bezüglich der Leitung der Lienzer
Volkshochschule hatte man im Anfangs-
stadium kein großes Glück: Der Leiter
kam sozusagen abhanden. Josef Kreiner
übersiedelte wenige Wochen nach der
Gründung nach Wien.
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Daher übernahm
Dr. Josef Steinböck, Professor an der Städ-
tischen Handelsschule, im ehemaligen
Dr. Hans Blecha von der Tiroler Arbei-
terkammer, der die Volkshochschul-Idee
im Jahr 1953 nach Lienz brachte.
Foto: Dina Mariner
Anna Waldeck, Leiterin der Lienzer
Volkshochschule von 1955 bis 1983.
Foto: Egmont Kohlhofer