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kräftig beteiligte sich Mayr bei der Grün-
dung und im Aufbau weiterer Missions-
stationen wie „St. Joseph“, „St. Joachim-
Mt. Kerry“, „St. Francis Xavier“ oder
„Oakford“. Die Arbeit verrichtete er
nicht allein. Es assistierten ihm andere
europäische Priester, häufiger aber afrika-
nische Katechisten. Leider ist deren Rolle
im Missionierungsprozess noch sehr
wenig erforscht. Lobend erwähnte der
Nußdorfer Priester beispielsweise Jacob
Mlaba, den Sohn eines
Chiefs
aus Lesotho:
„Der Konversion dieses und zweier ande-
rer protestantischer Prediger, welche jetzt
alle drei als eifrige verlässliche Katechis-
ten wirken“, berichtete Mayr, „verdankt
die junge katholische [Mission in Pieter-
maritzburg] ihren gegenwärtigen blühen-
den Stand“. Mlaba war schließlich nicht
nur ein tüchtiger Assistent, sondern auch
Bürgermeister von Maryvale.
Die Missionsarbeit verließ Mayr ledig-
lich für eine Europareise im Jahr 1900, bei
der ihn der erste einheimische Priester
Eduard Kece Mnganga begleitete.
Mnganga machte die Reise des Spenden-
sammelns wegen, sein europäischer Kol-
lege auch um seine angegriffene Gesund-
heit wieder aufzurichten. Die beiden hiel-
ten Vorträge in Tirol und wurden vom
Papst höchstpersönlich empfangen. 1904
unternahm der Osttiroler noch eine Reise
„Von Natal nach Kanada“. Die
„Neuen Ti-
roler Stimmen“
publizierten seinen Fort-
setzungsbericht über diesen Ausflug. Er
bringt Mayrs Interesse an afrikanischen
Kulturen, seine gegenwärtige Einstellung
zur Missionsarbeit und zu den politischen
Gegebenheiten in Natal zum Ausdruck.
Letzter Lebensabschnitt:
Südrhodesien – Holland – Swaziland
Obwohl Franz Mayr „Mariannhill“
früh verließ, war er stets ein gern gesehe-
ner Gast der jeweiligen Äbte und Admi-
nistratoren dieses Klosters. Sie schätzten
seine Persönlichkeit und seine missionari-
sche Erfahrung und gaben ihm die Gele-
genheit, sich am Aufbau eines neues Mis-
sionsfeldes für die „Missionare von Mari-
annhill“ zu betätigen. Von 1909 bis 1912
wurde er auf die Station „St. Triashill“ in
Südrhodesien (heute: Zimbabwe) ge-
schickt. Diese lag im „Manyikaland“. Der
Priester erlernte die Sprache
chiManyika
und verfasste eine kurze Grammatik und
religiöse Bücher, sammelte Gebrauchs-
gegenstände der einheimischen Bevölke-
rung und schrieb Missionsartikel über den
Fortgang seiner Arbeit.
Im Juni 1912 übersiedelte Mayr nach
Arcen bei Venlo (Holland), um im neu er-
richteten Missionshaus „St. Paul“ eine
neue Herausforderung als Englisch- und
Zululehrer für junge „Mariannhiller Mis-
sionare“ anzunehmen. Auch wenn er am
29. November 1912 noch meinte, sich in
dieser „untergeordneten, leichten Stellung
als Lehrer ganz wohl“ zu fühlen, war er
wenige Monate später davon überzeugt,
„in Bezug auf Arbeit [...] vom Regen in
die Traufe gekommen“ zu sein, da sie
„enorm zugenommen“ hatte. Zudem
machte ihm das kalte Klima zu schaffen
und seine Gedanken begannen nach
„wärmeren Gegenden zu schweifen“. Er
kam zur Überzeugung, dass er die „liebe
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
72. Jahrgang – Nummer 1
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift des Autors: Mag. Clemens Gütl,
A-1020 Wien, Arnezhoferstraße 5/22, E-Mail:
Clemens_Guetl@yahoo.com
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion
des „Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Piz-
zinini, A-6176 Völs, Albertistraße 2a.
Mfanyana Mdluli, der Mörder von Franz
Mayr; Frühjahr 1915.
Sonne Afrikas, an die [er] sich so sehr [...]
gewöhnt hatte, nicht vermissen“ konnte
und reichte schon Ende August seine Kün-
digung ein.
Franz Mayr kehrte nach seiner missio-
narischen Tätigkeit in Natal und Süd-
rhodesien und als Englisch- und Zululehrer
in Holland noch ein letztes Mal nach
Afrika zurück und zwar nach Swaziland.
Das Königreich war damals dünn besie-
delt. Etwa eintausend Europäerinnen und
Europäer und ca. hunderttausend Afrika-
nerinnen und Afrikaner lebten 1914 in dem
nur ca. 17.000 km
2
großen Königreich.
Swaziland gehörte seit 1903 dem apostoli-
schen Vikariat Natal an. Der eigentliche
Aufbau eines Missionsgebietes wurde
aber wegen Personalmangel verschoben.
Erst 1913 bekam die Tiroler Provinz des
Servitenordens den Auftrag zu katholi-
schen Missionsgründungen in Swaziland.
Mayr war fest entschlossen, seine
„schwachen Kräfte“ zur Unterstützung
dieses Unternehmens zur Verfügung zu
stellen und unterschrieb am 1. Dezember
1913 in Innsbruck einen entsprechenden
Vertrag. Bereits am 27. Jänner 1914 traf
Mayr in der Hauptstadt Mbabane ein. Er
gründete in seinem letzten Lebensjahr
zwei weitere Missionsstationen, „Mater
Dolorosa“ und „St. Josef“. Bei den Swazis
fühlte sich Mayr laut eigenen Aussagen
„vollständig sicher“. Missionserfolge
blieben anfangs aus und mit dem Aus-
bruch des Ersten Weltkrieges in Europa
auch die finanzielle Unterstützung aus der
Heimat. In der letzten Nachricht des Ost-
tirolers, datiert mit dem 10. August 1914,
verlieh er noch seinem Wunsch Ausdruck,
Europa möge „von einem furchtbaren
Kriege“ verschont bleiben.
Am 15. Oktober erhielt sein Mitbruder
Pater Arimath Maria Gratl eine böse Nach-
richt: Franz Mayr war dem Raubmord von
Mfanyana Mdluli zum Opfer gefallen.
Briefe von Pater Arimath schildern detail-
liert die Geschehnisse dieses Tages.
Einer endet mit den Worten: „Den Mörder
haben die Schwarzen selber gefangen und
[der Regierung] übergeben. Wohl über 50
Jahre sind schon Europäer in Swaziland
und noch niemals ist ein Mord eines Wei-
ßen vorgekommen; dies muss zur richtigen
Beurteilung der Schwarzen hier bemerkt
werden.“
Am 17. Oktober 1914 fand in „St. Josef“
das Begräbnis statt. Die kleine katholische
Gemeinde hatte Geld zum Ankauf eines
„hübschen Grabsteines“ gesammelt und
verabscheute „das Verbrechen allgemein“.
Für Ende Jänner 1915 wurde der Gerichts-
termin angesetzt, der für den Mörder am 3.
Feber mit dem Urteil „Tod (durch Strang)“
endete. Pater Arimath hatte bis zur Voll-
streckung am 12. April 1915 Zeit, den Afri-
kaner auf die katholische Taufe vorzube-
reiten. Sie fand einen Tag vor der Hinrich-
tung statt. Mdluli, einer der ersten
einheimischen Katholiken von Swaziland,
erhielt den Namen „Franz Joseph“.
Die Kunde von der Ermordung Franz
Mayrs breitete sich wie ein Lauffeuer aus.
Viele Missionszeitschriften und Tageszei-
tungen brachten seitenlange Nekrologe, in
denen dem Verstorbenen Respekt für seine
über zwanzigjährige Tätigkeit in Afrika
gezollt wurde. Für Mayr war es notwen-
dig, die lokalen Sprachen zu lernen, weil
er das Evangelium verkünden wollte. Er
ging aber einen Schritt weiter und publi-
zierte im Lauf seines Lebens mehrere
Bücher, wie sein Erstlingswerk
„Zulu Sim-
plified“,
eine Kurzgrammatik der Zulus-
prache, ein „Buch über die Anfänge der
englischen Grammatik und Geographie“,
das er im Auftrag des Landesschulinspek-
tors von Natal „für die Zuluschulen“ ver-
fasste oder ein Liederbuch in
isiZulu
und
diverse religiöse Bücher in der Sprache
chiManyika. Viele dieser Arbeiten sind
leider nicht mehr erhalten.
Mayr hatte sich nicht nur für Sprachen
interessiert. Die Quellen geben Auskunft
über sein Faible für Musik und Photogra-
phieren und seine Leidenschaft, ethnolo-
gische
Gegenstände,
Tierpräparate,
Steine und Pflanzen zu sammeln und di-
versen Museen zur Verfügung zu stellen.
Erst kürzlich entdeckte man im Herbarium
der „Universität von Natal“ eine von ihm
angelegte Pflanzensammlung. Sie wird
derzeit von Botanikerinnen ausgewertet.
Mayr war also auch einer der ersten, die
den Gebrauch und die Wirkung von süd-
afrikanischen Heilpflanzen dokumentiert
haben. Neunzig Jahre nach seinem Tod
scheint nun das Interesse an der Person des
Osttirolers zuzunehmen.
* Die Grundlage, die Zitate und die Fotografien für diesen
Artikel stammen aus meiner kommentierten Quellen-
edition „Adieu ihr lieben Schwarzen – Gesammelte
Schriften des Osttiroler Afrika-Missionars Franz Mayr
(1865 bis 1914)“, die in Kürze im Böhlau-Verlag als
Buch erscheint.