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Nummer 1/2004
72. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Er war einer der interessantesten katho-
lischen Missionare: Der Osttiroler Franz
Mayr (1865 bis 1914). In seiner Heimat-
gemeinde Nußdorf-Debant gibt es eine
nach ihm benannte Straße. Trotzdem ist er
hierzulande fast völlig in Vergessenheit
geraten. Anders ist das in den Orten des
südlichen Afrika, wo er jahrzehntelang als
Priester gelebt und gewirkt hat. Die Men-
schen auf der von ihm gegründeten
Missionsstation „St. Josef“ im kleinen
Binnenstaat Swaziland beten ihn in der
Dürrezeit sogar um Regen an. Es ist kein
Zufall, dass sich hier das landesweit be-
deutendste Zentrum für behinderte Men-
schen entwickelte. Franz Mayr litt selbst
an einer Rückgratverkrümmung (Kyphose).
Der französische Bischof Charles Constant
Jolivet vom Vikariat Natal (Südafrika)
nannte ihn wegen seiner Statur „einen
guten kleinen Mann“, „un bon petit
homme“ oder liebevoll „mon petit Bos-
suet“, „mein kleiner Buckliger“. Anläss-
lich eines Europaaufenthaltes im Jahr
1900, bei dem Mayr in Innsbruck einen
Afrikavortrag hielt, schilderte ihn der
Redakteur eines Artikels in der Tageszei-
tung
„Neue Tiroler Stimmen“
als „kleines
verwachsenes Männchen […] dem nie-
mand ansieht, was er schon geleistet hat“.
Ähnlich lautete der Kommentar eines
Trappistenpaters, der die Gelegenheit
hatte, eine Missionsstation des „an Körper
zwar kleinen, aber an Thatkraft großen
P. Mayr‘s in Augenschein zu nehmen“.
Auch wenn in Afrika schon vor rund
2.000 Jahren Anfänge des Christentums
nachweisbar sind – so an der nordafrika-
nischen Mittelmeerküste, in Ägypten, in
Sudan und in Äthiopien – begannen euro-
päische Missionierungsversuche erst ab
dem 15. Jahrhundert in alten innerafrika-
nischen Reichen wie „Kongo“, „Mwene
Mutapa“ (Zimbabwe, Mozambique), in
Angola und entlang der ostafrikanischen
Küste. Diese eher bescheidenen und
schließlich gescheiterten Experimente
gingen vom katholischen Portugal aus,
Kolonien. Sie orientierte sich politisch in
Richtung Balkan, wo eine Art „Binnen-
kolonialismus“ angestrebt wurde. Außer-
dem darf nicht übersehen werden, dass Ös-
terreich-Ungarn sehr wohl koloniale
Ideen und Pläne hatte und aktiv an Maß-
nahmen zur Durchsetzung der europäi-
schen Herrschaft in Afrika teilnahm. Die
Kriegsmarine, Wirtschafts- und Wissen-
schaftskreise und politische Abenteurer ar-
beiteten diesbezügliche Projekte aus und
versuchten, sie zu realisieren.
Überdies meldete sich eine große Zahl
von Männern und Frauen für die Mis-
sionsarbeit. Als ein Redner beim „Ersten
Österreichischen Antisclaverei-Congress“
in Wien die Meinung äußerte, das katho-li-
sche Volk würde eine größere Begeiste-
rung für die Missionen entwickeln, wenn
Österreich Kolonien in Afrika besäße,
konnte die Organisatorin, Gräfin und
Ordensschwester Maria Theresia Ledó-
chowska, ihm nur kräftig widersprechen.
Begleitet von großem Applaus erklärte sie,
stolz darauf zu sein, dass Österreich keine
Kolonien besitzt, „weil dadurch seine Mis-
sionsthätigkeit umso idealer hervortritt“
und erinnerte an die „Zentralafrikanische
Mission“, die bereits seit 1848 unter dem
persönlichen Schutz des Kaisers Missio-
nare in den Sudan entsandte. Besonders
viele Österreicher waren auch als „Sankt-
Josefsmissionare von Mill Hill“ in
Afrika, die 1891 als Zweigstelle der briti-
schen Niederlassung dieses Ordens in
Brixen gegründet wurde. Der österrei-
chisch-ungarischen Provinz der Jesuiten
vertraute Rom von 1880 bis 1906 eine
Mission im Gebiet des Zambezi an und
dutzende Männer und Frauen folgten den
Aufrufen des Vorarlberger Trappisten-
paters Franz Pfanner, der ab 1882 in der
ehemaligen britischen Kolonie Natal mit
seinen Leuten gemäß der benediktinischen
Ordensregel „Bete und arbeite“ den Ein-
heimischen nicht nur das Evangelium,
sondern auch die europäische Zivilisation
„predigte“.
dessen Seefahrer den Kontinent umsegel-
ten und Stützpunkte an strategisch wichti-
gen Punkten errichteten. Die umfang-
reichste Bekehrungsarbeit der Kirchenge-
schichte fand ab dem ausgehenden 18.
Jahrhundert und dem beginnenden 19.,
dem „Missionsjahrhundert“, auf dem
afrikanischen Kontinent statt. Diese
Phase wurde vorerst von pietistischen bzw.
protestantischen Kreisen eingeleitet. Die
Missionsbestrebungen der katholischen
Kongregationen und Orden nahmen erst
ab etwa 1870 deutlich zu.
Die Habsburger-Monarchie kam in
Afrika nie in den Besitz von eigenen
Clemens Gütl
In Memoriam Franz Mayr – Zum 90. Todes-
jahr des Nußdorfer Afrika-Missionars
Der Katechist Jacob Mlaba und Missionar
Franz Mayr, ca. 1900.