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ZUM GEDENKEN
PUSTERTALER VOLLTREFFER
JULI/AUGUST 2012
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Walter Pichler schickte seine
Werke, die in jahrzehntelanger
Arbeit entstanden, selten auf
Reisen. Eine Ausstellung von
ihm war schon ein besonderes
Ereignis. Meist „lagerte“ sein
Schaffenswerk daheim in St.
Martin/Raab im Burgenland,
wo er sich Anfang der 70er
Jahre ein altes Gehöft zugelegt
hatte. Sein Leben finanzierte er
mit demVerkauf der Zeichnun-
gen und Modelle, die als Ne-
benprodukte entstanden waren.
So bestimmte er auch viele
Jahre lang das grafische Er-
scheinungsbild des Salzburger
Residenz-Verlages und
gestaltete für den Verlag
„Jung und Jung“ Bücher.
Dennoch prägte Pich-
ler die Kunstszene stark.
Metall, Blei, Holz,
Beton, Glas, Bronze,
Zeichenstifte und vor
allem die wertvolle Zeit
waren seine Werkstoffe.
„Mit seiner konsequen-
ten Verweigerung ge-
genüber der Hast der
Moderne lebte er eine
Haltung, an der wir uns
eigentlich alle orientie-
ren sollten. Mit seinem
sozialen Gedächtnis und
seinem großen Herz war
er beispielgebend“, be-
tont die Tiroler Kultur-
landesrätin Beate Palfra-
der.
Eleganter
Stadtmensch
Er schuf Zeichnungen,
Modelle, Skulpturen und
Häuser und war ein ele-
ganter Stadtmensch, der
gerne rauchte. Jemand,
der weniger in seinem
Atelier in der Wiener
Innenstadt daheim war
als auf seinem Gehöft im
Burgenland, wo er am
liebsten Häuser für seine
Skulpturen baute – wie das Haus
für den „Rumpf und die Schä-
deldecken“ oder das Haus für
„zwei Tröge“.
In der kleinen Gemeinde
Deutschnofen im Südtiroler Eg-
gental kam der Sohn einer Hand-
werkerfamilie als eines von sie-
ben Kindern zur Welt.
Doch viel Zeit verbrachte
er nicht mehr in Südtirol.
„In Folge der 1939 zwi-
schen dem faschistischen
Italien und dem NS-Re-
gime in Berlin vereinbar-
ten ethnischen Flurberei-
nigung für Südtirol, die
als ‚Option’ in die Ge-
schichte einging, übersie-
delte die Familie 1940
nach Telfs“, so Palfrader.
Weg in die Kunst
Mit der Kunstgewer-
beschule in Innsbruck
begann sein Weg in die
Kunst. Es folgte die
Hochschule für Ange-
wandte Kunst in Wien
und er begann dann als
Künstler im Grenzbe-
reich von Skulptur und
Architektur zu arbeiten.
Seine Mitstreiter in den
60er Jahren waren der
Osttiroler Raimund
Abraham, Coop Him-
melblau und Hans Hol-
lein. „Doch dramati-
sche Kindheitserinne-
rungen, Verwundungen,
Bedrohungen und Ver-
lustängste bestimmten
über Jahre das zeichne-
Mit dem Tod des Süd-
tirolers Walter Pichler
ging am 16. Juli ein
großer Künstler verlo-
ren. Er erlag im Alter
von 75 Jahren einem
Krebsleiden. Pichler war
einer der bedeutend-
sten visionären Künstler
der Gegenwart, obwohl
er seine Hauptwerke nie
veräußerte.
rische Werk Walter Pichlers“,
erzählt die Landesrätin.
Er lebte eine Weile in Paris,
New York und Mexiko und er-
regte in den 60er-Jahren bereits
internationales Aufsehen mit
radikalen Entwürfen visionärer
Architektur, die in Zusammen-
arbeit mit Hollein und Abraham
entstanden und 1967 im Mu-
seum of Modern Art in New
York gezeigt wurden.
Auszeichnungen lehnte
er meist ab
Mit seinen Objekten, Skulp-
turen und Installationen war er
im selben Jahr auf der Biennale
von Paris zu sehen, 1968 und
1977 auf der documenta in Kas-
sel, 1982 vertrat er Österreich
auf der Biennale in Venedig. Mit
dem Satz „Ich könnte kaum
denken, ohne zu zeichnen“ ver-
ewigte sich Walter Pichler im
Katalog zu seiner letzten Aus-
stellung 2008 im Tiroler Lan-
desmuseum Ferdinandeum.
Preise und staatliche Aus-
zeichnungen lehnte er meist ab.
Ausnahmen waren der Arnold-
Bode-Preis 1984 und der Große
Österreichische Staatspreis für
Bildende Kunst 1985. Auch die
höchste kulturelle Auszeichnung
des Landes Tirol, den Tiroler
Landespreis für Kunst, der 1984
gestiftet wurde, nahm Pichler als
erster Träger an – das Preisgeld
ließ er seinem Künstlerfreund
Max Peintner überweisen.
Kopfgeburt, 2006.Foto: Archiv Walter Pichler
Walter Pichler beim Aufbau der Ausstellung im Ferdinandeum, 2008.
Foto: Frischauf
Er war eigenwillig und genial