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OSTTIROLER
NUMMER 4-5/2005
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HEIMATBLÄTTER
1894 wurde die als Zweigniederlassung
protokollierte Firma GEBRÜDER KURZ-
THALER liquidiert und „die Eintragung
der Firma GEBRÜDER KURZTHALER,
Zweigniederlassung in Wels, zur Haupt-
niederlassung in Domzˇale mit Alois Kurz-
thaler, Strohhutfabrikant in Linz, als Inha-
ber dieser Firma im dg. Handelsregister für
Einzelfirmen verordnet und die Verlaut-
barung dieser Eintragung verfügt“. (Wels,
26. Juni 1894 Zl. 1577/I).
1903, am 3. Juli, erhält die Firma
GEBRÜDER KURZTHALER, Inhaber
Johann-Alfons Kurzthaler, von der Bezirks-
hauptmannschaft Wels einen Gewerbe-
schein zur Ausübung der freien Erzeugung
von Strohwaren und Verschleiß derselben,
dann mit Herren- und Damenhüten – mit
und ohne Garnierung – mit Blumen und
Federn, Kappen verschiedener Gattung,
Kotzen, Decken und Teppichen mit dem
Standorte Untere Ringstraße Nr. 20, Ge-
meinde Wels (K.K. Bez.-Hauptm. Binder).
Die Welser Filiale behielt nach dem
Tode des Firmeninhabers der Zweignie-
derlassung in Linz und Wels und dem
Hauptsitz in Domzˇale, Herrn Alois Kurz-
thaler, im Jahre 1902, weiterhin die Fir-
menbezeichnung GEBRÜDER KURZ-
THALER bis zum endgültigen Verkauf im
Jahre 1962 an die Familie Illensberger, der
das Geschäftshaus gehörte.
Sein Sohn Johann-Alfons übernahm die
Führung der Firma GEBRÜDER KURZ-
THALER in Domzˇale, Linz und Wels.
Er übergab nach der Vertreibung aus
Domzˇale 1932 seinen Schwägerinnen
Vera und Hermine Ladstätter die Filiale in
Wels, „damit sie wieder ein Einkommen
hatten“. Die Konzessionsdekrete sind auf
die Namen Hermine Ladstätter und Vera
Ladstätter, am 4. Dezember 1933, von der
Bezirkshauptmannschaft Wels ausgestellt
worden.
Von Marostica nach Domzˇale
Im einleitenden Abschnitt ist dargestellt,
wie es zur Gründung der Strohhutfabrik in
Marostica gekommen ist.
Das Jahr 1866 brachte die Niederlage
Österreichs gegen Preußen in der Schlacht
bei Koniggrätz und trotz des Sieges bei
Custozza im Venezianer Krieg verlor
Österreich im Frieden zu Wien Venetien an
Italien.
Nun entstanden Zollschranken, die den
Warenhandel so erschwerten und verteuer-
ten, dass die Verlegung der Deferegger
Hutproduktion im Raume Florenz – Bas-
sano – Marostica für vorteilhaft erschien.
Es bot sich das Krainische Feistritztal
an, in dem die Deferegger viele Jahre vor-
her den von Pogatschnig dargestellten
Warenaustausch betrieben hatten. Noch im
gleichen Jahr (1866) reagierte auf die neue
Situation die Gesellschaft Oberwalder &
Ladstätter, die in Domzˇale einen Fabriks-
betrieb einrichtete. Dann folgten die Fir-
men Mellitzer und Kleinlercher, Blaßnig
und 1868 die GEBRÜDER KURZTHA-
LER, die im Domzˇale (Oberdomzˇale) Nr.
2 (später Reichsstraße 837) die Strohhut-
fabrik mit den nötigen Wohn- und Neben-
gebäuden errichtete.
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Wie aus der weiteren
Entwicklung abgeleitet werden kann, ist
der Teilhaber Alois Kurzthaler die trei-
bende Kraft gewesen. Sein nächstes Vor-
Wohnhaus von Johann-Baptist Kurzthaler in Wels, Kaiser Josefplatz 57, ehemals Vor-
stadtplatz 57. Das Gebäude hat beide Weltkriege unbeschadet überstanden.
Foto: Barbara Blaßnig
haben war der Aufbau der Filiale in Linz.
Bevor ich diese Kapitel weiter verfolge,
lasse ich Klaus Kurzthaler in Linz zu Wort
kommen, der die Geschichte der Haupt-
niederlassung in Domzˇale bis zum bitteren
Ende kennt. Er schreibt:
„Mein Urgroßvater Alois Kurzthaler
übernahm 1878 die Firma (er war 35 Jahre
alt). In diese Zeit fällt auch die Ausdeh-
nung der Absatzgebiete auf viele europäi-
sche Staaten und Errichtung von Zweignie-
derlassungen, die Kurzthaler‘s in Wels und
in Linz 1872 geschaffen haben. Alois starb
überraschend früh 1902. Mein Großvater
Johann-Alfons Kurzthaler übernahm so-
wohl die Hauptfirma in Domzˇale, als auch
die Niederlassungen in Linz und Wels.“
Domzˇale war damals ein Zentrum der
Huterzeugung, insbesondere der Strohhut-
fabrikation. Man findet Deferegger Namen
wie Ladstätter (meine Großmutter war
eine geb. Ladstätter), aber auch Oberwal-
der, Stemberger, Kleinlercher, Mellitzer.
1909/10 wurde in Domzˇale nochmals
kräftig investiert und ausgebaut. Man er-
richtete eine elektrische Zentrale mit
Dampfbetrieb, eine neue Färberei und
Bleicherei. Zusätzliche Nebengebäude
wurden errichtet. Für Arbeiter gab es
eigene Wohnungen und für deren Kinder
war eine Schule bzw. Kindergarten vor-
handen. Der Großvater baute dann
1912/13 eine repräsentative Villa, die
heute noch in bestem Zustande, baulich
unverändert, vorhanden ist, während an
der Stelle, wo die Fabrik stand, das Tele-
comzentrum gebaut wurde. Auch die ande-
ren Fabriken florierten. Es gab mehrere
hundert Arbeitsplätze.
Die Probleme begannen 1914, als mein
Großvater einrücken musste. Die Firma
produzierte zwar weiter, aber der Ausgang
des Krieges 1918 veränderte die Situation
grundlegend. Die Firma GEBRÜDER
KURZTHALER wie auch alle anderen
Firmen „deutscher“ Nationalität wurden
unter Staatsaufsicht gestellt und sloweni-
sche Geschäftsführer von Staatswegen be-
stellt. Unsere Firma erhielt z. B. einen Se-
quester, der Regierungsbeamter und Zim-
mermann war, aber keine Ahnung vom
Betrieb hatte.
Diese Situation dauerte mehrere Jahre,
die wirtschaftliche Lage war katastrophal.
Dazu kam, dass man fast nur mehr gegen
Barzahlung Waren beschaffen konnte, an-
dererseits aber den Kunden Kredite bzw.
lange Zahlungsfristen einräumen musste.
Nicht zuletzt war am Niedergang aller fünf
Deferegger Firmen in Domzˇale auch Mit-
schuld, dass sie nicht zusammen hielten,
sondern in dieser Situation jeder im andern
nur die „unerwünschte“ Konkurrenz sah.
Mit Ende der Zwanzigerjahre (20. Jahr-
hundert) gestaltete sich die Lage immer
schlechter (28 % Zinsen für Kredite, Ein-
und Ausfuhrverbote usw.), sodass die
Firma GEBRÜDER KURZTHALER um
1930/31 stillgelegt wurde. Wenig später
stellte auch „Mellitzer & Stemberger“ den
Betrieb ein. Im Jahre 1932 kam es zu-
nächst zur Wiederaufnahme der Arbeiten
in unserer Fabrik, gemeinsam mit Mellit-
zer & Stemberger, wenig später zum Zu-
sammenschluss mit „J. Oberwalder &
Co.“ und „Kellerer & Co.“. Die Geschäfts-
führer dieser zusammengelegten „neuen“
Firma waren Dr. Stemberger, Alfons
Oberwalder und mein Großvater Johann-
Alfons Kurzthaler.
Die einzige noch selbstständige Firma
„P. Ladstätter & Söhne“ befand sich im
Ausgleich. Jetzt gab es eine Fusion aller
Hutfirmen. Die neue Firma hieß „TO-
VARNE KLOBUKOV in SLAMNIKOV
Ladstätter-Kurzthaler-Oberwalder-Stem-
berger GmbH. Domzˇale.“
Auf Druck der Banken wurde wieder
ein neuer Geschäftsführer eingesetzt, der
Bankbeamter war, aber keine Ahnung von
der Fabrikation hatte. Die früheren Fabri-
kanten waren zwar in der Firma, sogar in
der Geschäftsführung, hatten aber in
Wahrheit keinen Einfluss auf das Gesche-
hen. Aufgrund der politischen Situation
wurden auf Betreiben der Behörden alle
österreichischen bzw. „deutschen“ Fach-
arbeiter entlassen.