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Es scheint nicht immer das Vordergrün-
dige und Offensichtliche die meistens be-
vorzugte Aufmerksamkeit beimWahrneh-
men von Kunstobjekten auf sich zu ziehen.
Obwohl die genügend zitierte Feststellung
von der „Macht der Bilder“ sich im
Grunde genommen einer ganz einfachen
Eigenschaft des menschlichen Naturells
bedient, nämlich dem vordergründig
Schwierigen weniger Zeit zum Erkennen
einzuräumen als dem Gefälligen ohne
näheren Aussagewert. In dem Sinn konsta-
tierte der Publizist Conrad Fiedler (1841-
1895) bereits 1887 eine durchaus Zeiten
und Generationen unabhängige Grundein-
stellung: „Gelingt es, den Punkt zu erken-
nen, wo aus dem Reichtum geistig-körper-
licher Manifestationen, zu denen der
menschliche Organismus werdelustig
emporstrebt, diejenige Thätigkeit sich ab-
zusondern beginnt, die wir in ihrer weite-
ren Entwicklung als die künstlerische be-
zeichnen, so ist in der That der einzige Zu-
gang gewonnen, der in die innere Welt
jener Thätigkeit einführt.“
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Alles andere als vordergründige Arbei-
ten, die leicht zu durchschauen und mit
kurzgehaltenen Blicken konsumierbar
wären, zeigt der heute in Stettfurt in der
Schweiz lebende Osttiroler Kunstschaf-
fende Othmar Eder. In jenem Punktbereich
nun, in dem ein Talent, wie es Othmar
Eder zugesprochen werden kann, als Aus-
nahmeerscheinung erfahrbar wird, bedient
sich der Akteur nicht schablonenhafter
Ausdrucksinstrumente, sondern festigt
seine Vorstellung in konstant durchdachten
Arbeitszyklen.
Othmar Eder wurde am 22. April 1955
in Kufstein geboren, da die Familie Eder
in den 1950er-Jahren berufsbedingt durch
den Vater für einige Zeit in Kössen in Tirol
lebte. Wenige Jahre später übersiedelte die
Familie wieder nach Lienz, wo er mit sei-
nen drei jüngeren Brüdern die Kindheit
verbrachte. Die Schulzeit in Lienz gestal-
tete sich für den jungen Mann relativ
wechselreich und turbulent, während der
Hauptschulzeit entschieden die Eltern, ihn
wieder in Kössen die Schule für zwei
Jahre fortsetzen zu lassen, und die folgen-
den Jahre an der Lienzer Handelsakademie
schienen eine geplante Berufslaufbahn als
solche zu sichern. Eineinhalb Jahre vor der
Matura überraschte Othmar Eder seine
Eltern jedoch mit dem Entschluss, seine
weitere Ausbildung an der Kunstakademie
in Wien beginnen und dort beenden zu
wollen und überzeugte sie schließlich auch
mit den bereits zu dieser Zeit ständig ge-
zeichneten und gemalten Blättern, diese
Entscheidung zu unterstützen.
„Ich war so begeistert von der Idee,
nach Wien zu gehen und mich endlich in
meiner Leidenschaft, dem Zeichnen und
Malen, ausbilden zu lassen, dass ich mir
wahrscheinlich zu wenig Gedanken über
die anstehende Vorbereitung machte. So
kam es, dass ich bei der ersten Aufnahme-
prüfung abgelehnt wurde!“
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Die Kunstschule und Akademiezeit
in Wien
Jedenfalls setzte Eder ambitioniert seine
Absicht fort und besuchte 1975 in Wien für
ein Jahr die Kunstschule bei Fritz Martins.
Man kann durchaus rückblickend von einer
für den jungen, sich orientierenden Eder
besonders belebenden und motivierenden
Zeit sprechen, die schlussendlich auch als
erfahrungsreich und in seiner malerischen
NUMMER 6/2005
73. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Eleonora Bliem-Scolari
Othmar Eder: Im Inneren der
Anfang, im Bild das Weitere
Die Tuschezeichnung auf Papier, 19 x 20 cm,
entstand am Beginn der Akademiezeit in
Wien, 1977.
Serie von insgesamt 106 Holzkästen, 34 x 49 x 7 cm, vorwiegend Kohle, Eitempera und Pigment auf Karton und Holz; V. l.: Ohne Titel,
1996-98, Vormals Stillzeit, 1996/97/99/03, Behausung, 1997, Wanderer, 1998-2003.
Fotos: Pargger, Bliem-Scolari