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chische Akademie der Wissenschaften) er-
arbeiten gemeinsam die Etymologien der
Berg- und Almnamen sowie die kulturhisto-
rische Auswertung im Hinblick auf die
Frühzeit der Besiedlung und Bewirtschaf-
tung des Alpenraumes. Prof. Dr. Wolfgang
KAINZ (Universität Wien, Institut für Geo-
graphie und Regionalforschung) entwi-
ckelte die geographische Namendatenbank
und wird in weiterer Folge für die Einbin-
dung der Daten in ein geographisches Infor-
mationssystem zuständig sein. Die Ergeb-
nisse des Projektes sollen als Internetpubli-
kation zur Verfügung gestellt werden:
Einerseits sollen die Berg- und Almnamen
bezüglich ihrer Sprachzugehörigkeit auf
einer Karte visualisiert werden, andererseits
soll aber auch eine Textsuche nach soge-
nannten Alpen- oder Kulturwörtern und
ihrer Verbreitung möglich sein.
Im Folgenden möchten wir einige Bei-
spiele anführen, die die sprachliche Viel-
falt der Osttiroler Berg- und Almnamen
verdeutlichen sollen.
Golzentipp, Folmasei
(Gemeinde Obertilliach)
Um die Alpe
Folmasei
, die heute zur Ge-
meinde Obertilliach gehört, gab es lange Zeit
einen Streit mit der Gemeinde Anras. Da die-
ser ausführlich dokumentiert ist, haben wir
vom Almnamen bereits relativ alte Belege:
1580: Item die Stainwisen ob dem Val-
masay, die an den Spizenstain zu Joch stost
1693: Alpen Vollmäsey
1642-93: die Albm Malfasey
1694: Albm Valmesey
E. Obererlacher nimmt an, dass der Name
von romanisch *
valle busaria, -anea
, Sacktal,
Lochtal, ,wo das Tal zu Ende ist‘ abstammt
(2002, 52). Diese Deutung stimmt mit der
topographischen Situation sehr gut überein.
Direkt über der Folmaseialpe erhebt sich
die Kuppe des
Golzentipp
. Die Belege für
den Bergnamen lauten:
1775: Items Golzentüp genant
1775/80: Golzentübt
1780: die Bergwiesen Golzentipl genannt
1780: das Bergwiesele Galzentippl
1820: Bergwiesen ... Galzentübt
Nach G. A. PLANGG könnte der Name
zu lat.
collis sursum tubu
‚Hügel über der
Klamm‘ – ,über dem Tobel‘ zu stellen sein
(2004, 288). Allerdings ist hier die Beleg-
lage nicht sehr gut, so dass die Deutung
unsicher bleibt.
Überraschenderweise findet man für den
Golzentipp
in älteren Karten auch den
Namen
Wolfserau
(z. B. in der Kataster-
mappe von 1859). Die Benennung eines
Gipfels als
Au
wäre äußerst ungewöhnlich,
aber das Rätsel löst sich schnell, wenn man
die Aussprache der
Folmaseialpe
im Dialekt
von Anras hört: dort heißt diese [
wolfe’sa:
].
Die Kartographen, die mit dem Wort nichts
anzufangen wussten, haben einfach eine
Wolfes-Au
hineininterpretiert. Und weil die
Alpe direkt unter dem Gipfel des
Golzentipp
liegt, wurde sie noch zusätzlich mit diesem
verwechselt (vgl. Obererlacher 2002, 57).
Daberalm, Alm an der Daber
(Gemeinde Prägraten)
Die Daberalm ist bereits in den ersten
Dokumenten mit der gleichen Schreibung
belegt.
Daber
wird bei J. Schatz als Dia-
lektwort für ‚Klamm‘ angeführt und ist zu
slowenisch
deber
‚Talschlucht‘ zu stellen
(1956, 125). Die Bedeutung scheint aller-
dings schon in früher Zeit nicht mehr
durchsichtig gewesen zu sein, wovon Be-
lege wie
Daberklamm
zeugen, was wört-
lich übersetzt ‚Klamm-Klamm‘ heißt.
Rauchkofel (Gemeinden Anras
und Amlach)
Der Bergname
Rauchkofel
ist in Osttirol
mehrmals vorhanden. Er geht jedoch nicht,
wie die Schreibung vermuten ließe, auf
Rauch
zurück, sondern vielmehr auf
rauh
im Sinne von ‚bewachsen‘ im Gegensatz zu
‚felsig‘. Gerade bei den
Rauchkofeln
im
Gemeindegebiet von Anras und Amlach ist
der Unterschied zwischen den bis zum Gip-
fel bewachsenen Kuppen und den felsigen
Spitzen der Lienzer Dolomiten auffällig.
Gumriaul (Grenze zwischen den
Gemeinden Anras und Außervillgraten)
Dieser Name ist ein Beispiel dafür, dass
auch vor den oben beschriebenen Völkern
bereits in Osttirol gesiedelt wurde. K. Fins-
terwalder stellt den Namen
Gumriaul
zu
keltisch
comboros
‚Schutt‘ mit romani-
schem Suffix -
ule
, das eine Menge be-
zeichnet (Finsterwalder 1, 33). Die Bedeu-
tung wäre in etwa als ‚Bruchwandspitze‘
anzusetzen. In der Katastermappe von
1859 wird bemerkenswerterweise der
Name dreifach als
Gumriaul/Bruchwand-
spitze/Bruchsteinwand
angeführt.
Die Erhebungsphase des Projektes in den
großen Archiven ist fast abgeschlossen.
Unbekannt ist die Anzahl der Privat-
bestände, in denen für das Thema relevante
Dokumente lagern. Die Mitarbeiter des
Projekts sind für diesbezügliche Informa-
tionen dankbar und sind unter folgender
Adresse erreichbar: Institut für Sprachwis-
senschaft, Innrain 52, 6020 Innsbruck, oder
unter gerhard.rampl@uibk.ac.at.
Literatur:
Finsterwalder, Karl:
Tiroler Ortsnamenkunde
. 3 Bände.
Innsbruck: Wagner 1990.
Obererlacher, Elisabeth:
Tilliacher Namenbuch
. Diplom-
arbeit. Innsbruck 2002.
Plangg, GuntramA.:
Romanische Namen in Obertilliach
.
In Ladinia XXVIII 2004, 279-292.
Schatz, Josef:
Wörterbuch der Tiroler Mundarten
. 2 Bände.
Innsbruck: Wagner 1956.
OSTTIROLER
NUMMER 1/2006
4
HEIMATBLÄTTER
Projekt-
mitarbei-
terinnen
bei der
Realprobe
auf der
Jagdhaus-
alm (v. l.):
Theresa
Hohenauer,
Claudia
Posch,
Informant
Viktor
Ladstätter
(St. Jakob
i. D.).
Projektmitarbeiterinnen bei der Realprobe auf der Jagdhausalm (v. r.): Claudia Posch,
Kathrin Sohm, Theresa Hohenauer, Informant Viktor Ladstätter (St. Jakob i. D.).
Alle Fotos Privatarchiv Gerhard Rampl
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren ver-
antwortlich.
Anschrift der Autoren dieser Nummer: Mag.
Christian Chapman, Theresa Hohenauer, Mag.
Claudia Posch, Mag. Gerhard Rampl, Kathrin
Sohm, Mag. Eveline Wandl-Vogt; alle Öster-
reichische Akademie der Wissenschaften, Insti-
tut für österreichische Dialekt- und Namenlexika,
A-1010 Wien, Postgasse 7.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
A-6176 Völs, Albertistraße 2 a.