Seite 7 - H_2006_07-08

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mals erwähnte Lehrer Obbrugger:
„Als
Garbenstand werden die Harpfen benützt.
Die zahlreich vorkommenden Harpfen
lassen wahrscheinlich auf die slawische
Bevölkerung schließen. (…) Die Höhe be-
trägt durchschnittlich 4-5 m. Die Kisten-
stangen (Harpfsäulen) sind aus Lärchen-
holz und unten angebrannt. Die Querstan-
gen sind rund (Wipfel und Jungbäumchen)
und sind 5-6 m lang. Die Entfernung der
Querstangen beträgt 25 cm und es sind 12-
18 Stangen angebracht. Unten sind an Trä-
gern Querstangen, die Harpfbank. Ein Törl
ist 5 m breit und Törl ist zugleich Farben-
maß. Es gibt Harpfen (nicht Herpfen, wie
in anderen Orten Osttirols) mit 1,2,3 und
4 Tealen (Törlen). Die Dachharpfen
(schmales Schindeldach) und Doppel-
harpfen (2 parallel stehende Harpfen mit
Dach und Gestänge verbunden) kommen
hier nicht vor. Die Löcher der Harpfsäulen
sind prismatisch (viereckig).
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Freilich entspricht der Hinweis auf die
slawische Bevölkerung nicht mehr dem
neuesten Stand wissenschaftlicher For-
schungen. Dies mindert den Quellenwert
der Darstellung jedoch kaum.
7. Volkskundliche Forschung im ADV
Wenn hier abschließend auf unscheinbar
wirkende und deshalb oft unberücksich-
tigte Bereiche der Kultur, wie Lockrufe
oder Maipfeifensprüche, hingewiesen
wurde, so sollte ein kleiner Eindruck ver-
mittelt werden, welche kaum zu über-
schauende Fülle an Wissen durch das
Atlasprojekt angesammelt worden ist.
Freilich würde es in Zeiten eines ständig
schrumpfenden Kulturbudgets selbst für
eine kleine Region wie Osttirol ein mühe-
volles Unterfangen darstellen, die vielen
Antworten vollständig auszuwerten und sie
in einen kulturtheoretischen Kontext zu
stellen. Unberücksichtigt blieben in dieser
Darstellung Fragen zu Nahrung und (Fest-
) Speisen, die großen Bereiche der Stereo-
type und Träume, die sprachwissenschaft-
lich wertvollen Dialektbezeichnungen von
Tieren oder Alltagsgeräten oder die um-
fangreichen Antworten zu Verlobung und
Hochzeit. Nur auf drei inzwischen viel-
leicht vergessene Gustostücke sei kurz hin-
gewiesen: Erstens auf die religiös betonte
Hochachtung des Marienkäfers, der in St.
Jakob oder Kals
„Unseres Herren Rössl“
,
in Abfaltersbach und Kartitsch
„Mutter-
gotteskäfer“
und in Lienz
„Frauenkäfer“
genannt wurde. Man befürchtete sogar
„Wenn man das Marienkäferchen tötet,
gibt die Kuh rote Milch.“
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Zweitens auf die in Virgen früher übli-
chen Gebildbrote: Paul Berger schreibt:
Für Patenkinder werden beim Bäcker von
den Paten um Neujahr Hasen, um Ostern
Hühner, um Allerheiligen Brezen gekauft.
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Schließlich – drittens – auf das so genannte
„Gottsnamens-Miasl“
: Der äußerst fleißige
Oberlehrer Franz Föger schrieb aus Kar-
titsch:
„Morgens nach der Hochzeit wird
dem Brautpaar in einem kleinen Pfännchen
ein gekochtes Mus, das ‚Gottsnamensmiasl‘
zum Bett gebracht, das sie, im Bett liegend,
aus der Pfanne essen. Bemerkenswert ist,
dass die Mütter der Brautleute an der
Hochzeit nicht teilnehmen dürfen, da dies
Unglück bringen soll. Die Väter der Braut-
leute sitzen nicht an den Ehrenplätzen, son-
dern am untersten Tischende.“
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Bei all diesen netten und schönen Ge-
schichten darf jedoch nicht vergessen wer-
den, dass die Fragebögen auch mit einem
politischen Interesse verschickt worden
OSTTIROLER
NUMMER 7-8/2006
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HEIMATBLÄTTER
Verbreitungskarte 74, ADV 4. Lieferung – Herkunft der kleinen Kinder.