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tria Romana und ist trotz der Fehlstellen
einer der schönsten Römersteine aus
Tirol.
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Im wahrsten Sinn des Wortes eine Stütze
früherer Präsentationen der Schausammlun-
gen war ein achteckiger Pfosten: Der in sei-
nem Aussehen schlichte romanische Holz-
träger zur Stütze des Vordachs von St. Niko-
laus bei Matrei i. O. markierte den Übergang
von der Römerzeit zum Mittelalter.
Vergleichsweise klein, doch ebenfalls
von großer Bedeutung sind andere mittel-
alterliche Objekte: Für die Münzsamm-
lung des Ferdinandeums übersandte Franz
Ritter von Aigner, ein gebürtiger Lienzer,
zwischen 1856 und 1861 wiederholt
Münzstempel aus der Münzstätte der Gra-
fen von Görz(-Tirol). Mit Hilfe dieser
Stempel wurden in Lienz händisch Mün-
zen geschlagen. Die wenige Zentimeter
großen Prägewerkzeuge sind die einzigen
überlieferten mittelalterlichen Münzstem-
pel im Bereich des historischen Tirol. Das
Ferdinandeum besitzt auch eine ansehn-
liche Sammlung görzischer Münzen, die
das rund drei Jahrhunderte währende
Münzwesen der Görzer (sie ließen die
ersten Münzen in Lienz schon vor 1195
schlagen) bestens dokumentieren.
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Aus einem Garten in Lienz stammt das
einzige mittelalterliche Schmuckstück,
das in den Kunstgewerblichen Sammlun-
gen verwahrt wird: Der Goldring aus der
1. Hälfte des 14. Jahrhunderts mit hell-
blauem Glasstein könnte aufgrund seiner
lateinischen Inschrift („Gott, in deinem
Namen rette mich“) und der Verzierungs-
elemente – Löwe, Adler – einem Bischof
gehört haben.
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Anlässlich einer Besteigung des Groß-
glockners hatte der kartographisch inter-
essierte Apotheker Franz Keil die Idee, die
Glocknergruppe plastisch darzustellen: Das
1856 erarbeitete Gipsmodell „Der Groß-
Glockner und seine Umgebung“ im Maß-
stab 1:48.000 misst gerade 31 x 38 cm. Ins
Ferdinandeum gelangte es von seinem
Erbauer als Dank für seine Ernennung zum
Ehrenmitglied. Später folgten noch Karte
und Relief der Kreuzkofelgruppe, heute mit
den Lienzer Dolomiten gleichzusetzen, in
das Landesmuseum nach.
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– Eine andere
Begegnung mit dem Großglockner ist im
TIROL PANORAMA möglich, ist hier
doch das im Sommer 1999 während der
Restaurierung des Originalgipfelkreuzes
aufgestellte Ersatzkreuz – eine Leihgabe des
Kalser Bergführers Toni Gliber – zu sehen.
Einstimmig beschloss der Museumsaus-
schuss 1869 den Ankauf eines aufsehen-
erregenden Bildes von Franz von Defreg-
ger: Speckbacher und sein Sohn Anderl.
Der Kaufpreis von 1200 Gulden wurde
dem Künstler auf zwei Raten bezahlt.
Defreggers erstes „Historienbild“ zählt
zum hervorragenden Bestand dieses Gen-
res in der Galerie des 19. Jahrhunderts.
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Es bekam nach dem Museumsumbau der
1880er Jahre einen prominenten Platz:
Neben den beiden bereits von Mutsch-
lechner konzipierten Rundsälen stand nun
ein dritter im 2. Obergeschoß zur Ver-
fügung. Gemäß der traditionellen Auf-
fassung, dass in Museumsrundsälen die
kostbarsten Objekte gezeigt werden, prä-
sentierte man nun im 1. Obergeschoß
Andreas-Hofer-Reliquien, der Rundsaal
im 2. Obergeschoß beherbergte „Franz
Defregger‘s Compositionen aus den Be-
freiungskämpfen“ bzw. unter seiner An-
leitung entstandene Kopien davon.
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Diese Wertschätzung des Osttirolers
Defregger in Innsbruck gibt die Möglichkeit,
an eine schöne Reihe gemeinsamer Projekte
der beiden Museen Ferdinandeum und
Schloss Bruck zu erinnern: Z. B. wurde die
Tiroler Landesausstellung 1987 „Defregger
und sein Kreis“ ebenso in Kooperation er-
arbeitet wie die große Ausstellung „750 Jahre
Stadt Lienz“ 1992 oder die gesamttirolisch
ausgerichtete Landesausstellung 2000 „circa
1500“ mit dem Lienzer Schwerpunkt „Leon-
hard und Paola: Ein ungleiches Paar“ oder
das Ausstellungsprojekt „Spurensuche3“, an
dem die Vor- und Frühgeschichtlichen und
Provinzialrömischen Sammlungen 2005 und
die Historischen Sammlungen des Ferdinan-
deums 2006 maßgeblich beteiligt waren. –
Und das Stichwort „Historische Sammlun-
gen“ lässt mich zum ersten Titelwort zu-
rückkehren: Der Osttiroler Univ.-Doz. Dr.
Meinrad Pizzinini wirkte durch fast 40 Jahre
als Kustos der im Zeughaus Kaiser Maximi-
lians I. untergebrachten Historischen Samm-
lungen des Ferdinandeums. In Anerkennung
seiner Leistungen wurde er vomVerein 2008
zum Ehrenmitglied ernannt.
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Anmerkungen:
1 Ferdinandeum. Erster Jahresbericht von dem Verwal-
tungs-Ausschusse. 1824, Innsbruck 1825, S. 3.
2 Zit. nach Erich Egg: Chronik des Ferdinandeums 1823-
1973, in: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseum
Ferdinandeum 53, Innsbruck o. J. [1973], S. 5-93, S. 15.
3 Bemerkenswert ist, dass der Name des Museums bei
einer Neuauflage der Statuten 1849 in „Ferdinandeum,
oder: Verein des tirolisch-vorarlbergischen Landesmu-
seums“ abgeändert wurde!
4 Ferdinandeum. Erster Jahresbericht (wie oben), S. 8f.
5 Ferdinandeum. Vierunddreissigster Bericht des Ver-
waltungs-Ausschusses über die Jahre 1871, 1872 und
1873, Innsbruck 1874, S. VIII und LXVII.
6 Namensschreibung und Berufsbezeichnung lt. Mitglie-
derverzeichnis. Das Verzeichnis wurde nur bis zum Jahr
1858 geführt. Weitere Namen von Mitgliedern finden
sich in den Verzeichnissen der regelmäßig erscheinen-
den gedruckten Vereinsberichte.
7 Oswald von Wolkenstein c wird heute unter der Signa-
tur FB 1950, die Abschrift von „A“ unter FB 2688/1
verwahrt. Beda Webers Oswald-Ausgabe erschien 1847.
8 Zu ihm s. Georg Mutschlechner: Die Baumeister
Mutschlechner aus der Lienzer Gegend, in: Raimund
von Klebelsberg (Hg.): Lienzer Buch. Beiträge zur Hei-
matkunde von Lienz und Umgebung (= Festschrift zur
700-Jahr-Feier der Stadt Lienz = Schlern-Schriften 98),
Innsbruck 1952, S. 61-67.
9 Museumsarchiv, Bauakten, Anton Mutschlechner: Pro-
memoria, Mannheim, 8.1.1840. – Die Idee, Seitenflügel
an den Museumsbau anzusetzen, wurde im 20. Jahr-
hundert umgesetzt.
10 H[ans] S[emper]: Umbau des Ferdinandeums, in: Bote
für Tirol und Vorarlberg, 31.3.1884, S. 591f., und
gleichlautend in: Innsbrucker Nachrichten, 29.3.1884,
S. 1386-1389.
11 Natale Tommasi, geb. Cognola 1853, gest. Trient 1923;
Antonio Spagnoli, geb. Reviano d‘Isera 1849, gest.
ebenda 1932.
12 Josef/Joseph Gasser, geb. Wallhorn (= Valhorn)/Prä-
graten 1816, gest. Prägraten 1900; 1879 in den Ritter-
stand erhoben.
13 Innsbrucker Nachrichten, 4. April 1889, S. 3.
14 Zit. nach Ellen Hastaba: Ehrenmitglieder des Tiroler
Landesmuseums Ferdinandeum und anderweitig durch
den Museumsverein ausgezeichnete Persönlichkeiten,
in: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Fer-
dinandeum 78, Innsbruck 1998, S. 251-288, S. 255.
15 Diese kurze Vereinszugehörigkeit erklärt wohl auch,
weshalb sein Name nicht in den Mitgliederverzeichnis-
sen aufscheint. – Anton Mutschlechner (d. J., zur Un-
terscheidung von seinem gleichnamigen, als Baumeis-
ter tätigen Vater), geb. Tristach 1795, gest. Innsbruck
1846.
16 Er verabsäumte nicht, darauf hinzuweisen, dass er mit
den veranschlagten 600 fl unter dem Preis liege, der ihm
für das Herstellen der Modelle zu den Statuen der Wie-
ner Votivkirche bezahlt worden ist.
17 Wolfgang Sölder: Eisenzeit (ca. 800 bis 16/15 v. Chr.),
in: Spurensuche3. Teil I: Vom Schnabelmenschen zur
Zwergenstadt – ca. 8000 v. Chr. bis 610 n. Chr., Aus-
stellung des Museums der Stadt Lienz Schloss Bruck in
Zusammenarbeit mit dem Tiroler Landemuseum Ferdi-
nandeum, Innsbruck-Wien-Bozen 2005, S. 25-35, S.
32ff. – Ders.: 1891. Hasenjagd auf einer Situla, in: Gert
Ammann/Ellen Hastaba (Red.): SammelLust. 175 Jahre
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck-Wien
1998, S. 154f.
18 A[nton] H[öck]: 1865. Dioskurenstein, in: SammelLust
(wie oben), S. 102f.
19 M[einrad] P[izzinini]: 1861. Münzstempel aus der
Münzstätte Lienz der Grafen von Görz(-Tirol), mittel-
alterlich, in: SammelLust (wie oben), S. 94f.
20 E[leonore] G[ürtler]: 1957. Ring, 1. H. 14. Jahrhundert,
in: SammelLust, S. 286f.
21 M[einrad] P[izzinini]: 1857. Relief Großglockner und
Umgebung, 1856, in: SammelLust (wie oben), S. 86f.
22 G[ert] A[mmann]: 1869. Speckbacher und sein Sohn
Anderl, 1869, in: SammelLust (wie oben), S. 110f.
23 Führer durch das Tiroler Landes-Museum Ferdinan-
deum in Innsbruck, Innsbruck 1899, S. 29.
24 [o. Verf.]: Festakt und Ehrenmitgliedschaft für Meinrad
Pizzinini, in: Ferdinandea. Die Zeitung des Vereins
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum 5, August 2008,
S. 5.
OSTTIROLER
NUMMER 2/2012
4
HEIMATBLÄTTER
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift der Autorin dieser Nummer: Dr.
Ellen Hastaba, Ferdinandeum/Nachlassver-
waltung, Tiroler Landesmuseen-Betriebsge-
sellschaft m. b. H., Museumstraße 15, A-6020
Innsbruck, e.hastaba@tiroler-landesmuseen.at.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblät-
ter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
A-6176 Völs, Albertistraße 2 a.