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NUMMER 2/2007
75. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
„Noch liegt die Seewand im Schatten.
Kein Laut, nur ein Zilpzalp unterbricht die
Stille. Vor der Wand erkenne ich drei Alpen-
segler an ihren sichelförmigen Flügeln, die
ihre rasanten Bahnen ziehen. Die weiße
Unterseite blitzt immer wieder kurz auf.
Man kann die Segler, wenn sie im Himmels-
blau oberhalb der Wandkante erscheinen,
gut zählen. Sie kehren aber gleich wieder in
den Schatten der Steilwand zurück. Nach
einer halben Stunde höre ich erstmals ihr
typisches „tri-ti-tititititi“, das auf- und ab-
steigende Trillern. Versuche, wenigstens
einem Segler mit dem Fernglas zu folgen,
ob er nicht doch eine Felsnische anfliegt.
Möglichkeiten, in der steilen Wand zu
brüten, gibt es wirklich genug. Überdachte
Felsbänke zum Beispiel, auch Nischen und
Spalten werden sehr gerne angenommen.
Mein verwegener Sitz liegt versteckt im
Dickicht, doch habe ich die Wand voll im
Blickfeld. Kein Radfahrer oder Wanderer
kommt hier vorbei und könnte mich beim
Beobachten ablenken ...“
Aus meinen Tagebuchaufzeichnungen
vom 25. Juli 2006, ab 9 Uhr.
Der Alpensegler, auch über Tirol hinaus als
Almspeier oder Jochspeier benannt, ist eine
Vogelart der Berge. Gerade Westkärnten und
Osttirol bilden in Österreich seinen Verbrei-
tungsschwerpunkt. Dieser liegt am Südrand
der Hohen Tauern. In Kärnten, in den Gurk-
taler Alpen, gibt es sogar ein „Speiereck“.
Den Vogelkennern ist der Segler gut be-
kannt. Aber nur das geübte Auge kann ihn
von den Schwalben trennen. Er ist fast
doppelt so groß wie sein naher Verwandter,
der Mauersegler
Apus apus
. Sein Gefieder
ist viel heller, brauner, die Kehle und Un-
terseite sind leuchtend weiß, voneinander
getrennt durch ein braunes Kropfband.
Seine Flügelspannweite beträgt bis zu 55
cm, bei einem Gewicht von 100 g. An sei-
ner Stimme ist er aus großer Höhe leicht zu
erkennen: ein an- und absteigender Triller,
den er bei Flugspielen hören lässt. Über
dem Lienzer Talboden wird er alljährlich
des Rauchkofels, oberhalb vom „Natur-
denkmal Alter See“ (Gemeinde Amlach).
Hier wurden früher schon Alpensegler bei
ihren sommerlichen Flugjagden beobach-
tet. Aber da die Altvögel ihre Jungen in
großen Zeiträumen füttern und das Nest
nur selten aufsuchen (höchstens alle ein
bis zwei Stunden), braucht der Feldorni-
thologe viel Geduld. Und gute Vorkennt-
nisse zum Verhalten der Segler, das viele
Besonderheiten aufweist.
Diese erwarb ich mir beim Mauersegler.
Ein Segler-Projekt in Lienz wurde von der
Stadtgemeinde Lienz unterstützt. Dank an
Bürgermeister Dr. Johannes Hibler. An
meinem Haus in der Kärntner Straße 7
wurden zwei Nistkästen angebracht und
vom Mauersegler angenommen. Seine
Brutbiologie ist mir dadurch gut bekannt.
Am 23. Juli 2006 flogen 13 Alpensegler
vor der oberen Hälfte der Seewand, am
folgenden Tag waren dort nur zwölf.
Meine tägliche Anwesenheit bringt am 28.
Juli den ersehnen Erfolg: Um 9.15 Uhr
fällt ein Segler gleich unterhalb des jähr-
lich bewohnten Kolkrabenhorstes ein. Dort
öffnet sich eine vertikale Felsspalte, zu der
weitere drei Vögel fliegen und sie mehr-
mals aufsuchen. Ein Blick durch das mit-
gebrachte Spektiv bestätigt zwei Tage spä-
ter das Gewünschte: Anfliegen der Brut-
stelle um 9.41 Uhr, Verlassen um 9.44 Uhr.
Das wiederholt sich noch einmal. Insge-
samt wurden 16 Individuen gezählt.
Am 31. Juli zähle ich wieder 16 Segler.
Und entdecke einen neuen Brutplatz. Sein
Arbeitstitel heißt „Bischofsmütze“, der
helle Felsblock erinnert mich daran. Dort
mehrfaches Ein- und Ausfliegen von bis zu
vier Individuen. Jetzt höre ich auch einen
pfiffartigen Ruf: „psiu, psiu“. Für mich ent-
steht der Eindruck, als wollten die Altvögel
ihre Jungen aus der Höhle locken. An den
Felsspalten herrscht Gedränge, was man
auch beim Mauersegler beobachten kann.
Einmal verkrallen sich zwei Segler inein-
ander und stürzen senkrecht einige Meter
die Wand hinab, trennen sich kurz darauf
von April bis September in Trupps bis zu
65 Individuen gesehen (siehe Tabelle).
Als Fluginsektenjäger ist er an das Leben
in der Luft stark angepasst. Seine Nahrung
sind Blattläuse, Fliegen, Zikaden und Haut-
flügler (Bienen, Wespen, Ameisen, Blatt-
und Schlupfwespen). Sammelt in der Luft
aber auch Nistmaterial, da er in Felsritzen
und -spalten, in oft senkrechten auseinan-
derklaffenden Felspartien ein napfförmiges
Nest baut. Als Mörtel verwendet er dazu
seinen zähen Speichel. Er trinkt und badet
auch im Fluge, was sehr selten beobachtet
wurde. An einem heißen Julitag sah L. Kra-
nebitter an einem Schotterteich bei Lavant
acht Segler flach über das Wasser gleiten.
Dabei tauchten sie den Schnabel ins nasse
Element. Zweimal wiederholten sie das
„Schöpfen von Wasser“ ehe sie ins hohe
Himmelsblau entflogen (KRANEBITTER
& NIEDERWOLFSGRUBER, 2004).
Einen bisher unbekannten Brutplatz ent-
deckte ich im Juli 2006 in der Seewand
Annemarie Bachler
Der Alpensegler „Apus melba“
Brutvogel in der Seewand
Alpensegler („Apus melba“). (Abbildung
entnommen aus Peterson, Mountfort & Hol-
lom, Die Vögel Europas, Hamburg & Berlin)