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NUMMER 3-4/2007
75. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Die Kirche zu St. Johann spielte inner-
halb des städtischen Gemeinwesens eine
große Rolle. Durch mehr als ein halbes
Jahrtausend war sie eng mit der Lienzer
Bürgerschaft verbunden.
Die erste urkundliche Erwähnung der
St. Johannes-Kirche fällt in den Beginn des
14. Jahrhunderts. Am 28. April 1308 stiftete
die Witwe Maria Riemstecher einen kleinen
Zehent von verschiedenen Gütern u. a. für
die Kirche St. Johann und St. Jakob am
äußern Markt („
in exteriori foro
“) in
Lienz. Diese Überlieferung geschieht rein
zufällig und sagt über das wahre Alter der
Kirche nichts aus.
Man muss diese Kirche am äußern Markt
bzw. in der „oberen Altstadt“ in Zusammen-
hang mit der ganzen Stadtentwicklung
sehen. – Der Beginn ist auf der Anhöhe in
„Patriarchesdorf“ (locus Luenzina) zu su-
chen, wo man bei wissenschaftlichen Gra-
bungen des Jahres 1968 auf die Fundamente
einer Kirche des 5. Jahrhunderts gestoßen
ist. Im dortigen Bereich befand sich auch
das „Castrum Lunz“ als Sitz der Grafen und
damit als Verwaltungszentrum. Nach Ro-
dungsarbeiten im Talboden erfolgte gegen
1200 auf dem Boden des – später „von
Görz“ genannten – Grafengeschlechts die
Gründung der zunächst als „Burgum“ be-
zeichneten Siedlung. Der Name ging von
der Anhöhe auf die Siedlung im Tal über,
die erstmals am 25. Februar 1242 als „civi-
tas“ – „Stadt“ – bezeichnet wird.
Vor dem westlichen Zugang zum Bur-
gum ließen sich wohl schon früh Händler
nieder; hier entstanden Läden, Werkstätten,
Wirtshäuser und als religiöses Zentrum
errichtete man sicher noch im 13. Jahr-
hundert eine kleine Kirche bzw. Kapelle,
geweiht dem Hl. Johannes dem Täufer.
Bezeichnenderweise ist der hl. Johannes
der Täufer nicht nur Patron der Gastwirte,
sondern auch verschiedener Gewerbe wie
der Färber, Gerber, Kürschner, Maurer,
Sattler, Schmiede, Schneider, Weber.
Zur Erhaltung einer Kirche braucht es
Geld bzw. Einnahmen: Es sind seit dem 14.
schah durch bestellte Kirchpröpste, auch
Zechmeister genannt.
Das Aussehen und die Aufgaben des
romanischen Kirchleins
Bei der Neugestaltung des Johannes-
platzes in den Jahren 1929 und 2005 sind
archäologische Grabungen leider unter-
lassen worden. Dabei hätte man nicht nur
den Grundriss des gotischen Baues ent-
deckt, von dem man noch eine gewisse Vor-
stellung besitzt, sondern auch die Grund-
mauern des romanischen Kirchleins. Man
darf aber annehmen, dass es sich um eine
ähnliche Anlage wie bei St. Michael und der
Spitalskirche gehandelt hat. Die dort vor
Jahren durchgeführten Grabungen wurden
eindeutig in das 13. Jahrhundert datiert. Auf
ein rechteckiges Langhaus folgte ein etwas
eingezogener Rundbogenchor.
Die Stadtpfarre zum Hl. Apostel Andreas
befand sich weit außerhalb des Stadtge-
biets. Im 13. Jahrhundert, in dem ein roma-
nischer Kirchenbau von St. Andreas ge-
weiht wurde (1204), entstanden auch St.
Michael am Rindermarkt (2. Hälfte 13.
Jahrhundert) linksseitig der Isel und St. Jo-
hann vor den Toren des Lienzer Burgums
in der Talebene. Beide Gotteshäuser waren
Filialkirchen von St. Andrä und hatten
keine eindeutige Funktion. Sie dürften mit
der Absicht gegründet worden sein, der be-
nachbarten Bevölkerung einen Ort des Ge-
betes zu bieten. – Ende des 13. Jahrhun-
derts erfolgte auch die Gründung des Hei-
liggeist-Spitals, einer städtischen sozialen
Einrichtung, mit angeschlossener Kirche.
Auch die beiden heute noch existierenden
Klöster reichen in das Mittelalter zurück.
Das Dominikanerinnenkloster wird datiert
nach der Tradition des Hauses, in das Jahr
1218. Das Karmelitenkloster wurde mit
görzischen Stiftungsbrief 1349 gegründet.
Der große Stadtbrand und der Neubau
von St. Johann
Im Jahr 1444 hatte ein Stadtbrand ge-
wütet, dem ein großer Teil der noch
Jahrhundert mehrere fromme Stiftungen für
St. Johann bekannt, die die wirtschaftlichen
Grundlagen erweitert bzw. verbessert
haben. Auch Stiftungen bezüglich Abhal-
tung von Gottesdiensten u. a. in Form von
hl. Messen und Andachten lagen immer
entsprechende Geldbeträge zugrunde.
Das Vermögen von St. Johann in
Grundbesitz und Abgaben ist in den erhal-
tenen Urbaren von 1438, 1491, 1591 und
1631 festgehalten. Die Verwaltung ge-
Die ehemalige Kirche zu St. Johannes dem
Täufer am heutigen Lienzer Johannes-
platz; Ausschnitt aus der ältesten erhalte-
nen Lienz-Ansicht von 1606/1608 als Bei-
lage zum Geschichtswerk „Tiroler Adler“,
Bd. III, von Matthias Burgklechner. (Wien,
HHStA, Kartensammlung)
Foto: Dr. Claudia Sporer-Heis
Meinrad Pizzinini
Die Kirche zu St. Johannes d. T.
in Lienz und ihre Geschichte
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