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OSTTIROLER
NUMMER 5-6/2007
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HEIMATBLÄTTER
Bildhauersymposiums erarbeiteten Stein-
skulpturen an der Isel zwischen St. Johann
i. W. und Huben
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, die Findlingen ähnlich
und ohne nähere Bezeichnung als Arte-
fakte sozusagen übrig geblieben sind.
Die Galerie, der Ausstellungsraum –
auch im musealen Rahmen gesehen – ist
Teil des Öffentlichen-Raum-Konzeptes,
und ihr Angebot versteht sich als zeitlich
definierte Präsentation.
Als Momentaufnahme einer raumgrei-
fenden visuellen Inspiration erleben wir
unter anderem die von Elke Maier und
Georg Planer 2006 und Ausschnitte davon
bis 2007 für das Museum Schloss Bruck in
Lienz angeordnete Installation und das
Landart-Projekt mit dem Titel „Luna Vista.
Eine Begegnung zwischen Himmel und
Erde“. Die Räume im Turm als unter-
schiedliche Ebenen im tatsächlichen Sinn
sind erfüllt von Körpern, baumnahen Ge-
bilden, eingefangenen Tönen und Licht-
nuancen, die den öffentlichen Ort zum Pri-
vatraum werden lassen – gibt man als Be-
trachter seinen Sinnen nach, dann ist man
Gefangener einer Stimmung, die man
nicht gerne teilen möchte mit dem anderen
als Teil dieser Zugänglichkeit.
Aufbruchstimmung und
Raum für Kunst in den 1950er-
und 60er-Jahren
„Erster Spatenstich der Lienzer Groß-
siedlung“ betiteln am 20. Juli 1955 die
Tiroler Nachrichten
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das ausgesprochen
umfangreich angelegte Wohnbauprojekt am
ehemaligen „Rohracherfeld“ in der heuti-
gen Friedensiedlung im Südwesten der
Stadt. Immerhin wurde im Juni des Jahres
unter Anwesenheit des Bürgermeisters
Michael Meirer, weiteren Vertretern der
Stadt und vor allem der holländischen
Delegation der Flüchtlingshilfe der Spaten-
stich für 88 Wohnungen gesetzt und um den
Artikel weiter zu zitieren, „das Baracken-
lager am Grafenanger beseitigt, womit ein
für die Dolomitenstadt Lienz ganz und gar
unwürdiger jedoch unverschuldeter Zu-
stand beseitigt wird.“
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Die Osttiroler Wirt-
schaft wurde mit beachtlichen 10 Millionen
Schilling Spendengeldern aus den Samm-
lungen der holländischen Bevölkerung für
den sozialen Wiederaufbau unterstützt, und
Teile des Wohnkomplexes konnten bereits
ab 1957 der Bevölkerung übergeben wer-
den. Die soziale Motivation des Bauvor-
habens wurde von einem durchaus großzü-
gig künstlerischen Gedanken begleitet,
denn neben den einzelnen Fassaden der
Häuser standen auch die unmittelbaren
Freiflächen Osttiroler Kunstschaffenden
zur Gestaltung zur Verfügung.
Gerade der soziale Akt der Holland-
spende findet sich in einem von Sepp
Defregger, Mitglied des „Künstlerringes
Osttirol“, 1956 an der Südostfassade des
Hauses Sterzinger Weg 7 gestalteten
Wandfresko wieder, das in anschaulich
plakativer Manier den Wiederaufbauge-
danken nach der entbehrungsreichen Zeit
darstellt. Weitere Aufträge gingen an Ger-
trude Purtscher-Kallab, Hedwig Wagner,
Oswald Kollreider und Franz Walchegger.
Ebenfalls von 1956 stammt das von
Oswald Kollreider an der nordwestlichen
Hausfassade am Sterzinger Weg 1 montierte
mehrfarbige Flächensgraffito einer musizie-
renden Dreiergruppe. Als dynamisch tradi-
tionelles Arrangement angelegt, beruhigen
die zwei Gitarren- und der Harmonikaspie-
ler mit ihrem unbeschwerten Inhalt. Oswald
Kollreider, der 1922 in Kartitsch geboren
wurde und an der Akademie der bildenden
Künste in Wien bei Sergius Pauser und Her-
bert Boeckel studierte, erwarb sich diese
spezielle Darstellungstechnik am Beginn
der 1950er-Jahre während seiner Tätigkeit
als Grubenmaler im deutschen Ruhrgebiet
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.
Seine später auf ein bis zwei Unterputz-
schichten reduzierte Technik findet man
beispielsweise als Konturensgraffito „Hl.
Andreas“ von 1967 an der Nordfassade des
Widums der Pfarrkirche St. Andrä.
Eine Kollage aus provoziert homogenen
Farbkompartimenten zeigt uns Franz Walch-
egger (1913-1965) in seinem Wandfresko
„Die Lebensalter“ aus dem Jahr 1957 am
Haus Sterzinger Weg 9. Der Maler verwei-
gert jegliche konkreten Hinweise auf Tiefen-
struktur und beschränkt jene gewohnte Sicht-
weise höchstens auf Andeutungen. Die Farb-
felder, von leuchtendem Blau, dunklem
Ocker bis zum satten Violett informieren
über den essenziellen Aussagewert des Wer-
kes, der eigentlich durch die frontal erstaunte
Mimik der mittigen Dreiergruppe und des
jungen Mannes links außen als mühsam und
entbehrungsreich beschrieben werden kann.
Die Staffelung nach rechts unten schließt mit
der Darstellung eines auf einen Stock ge-
stützten alten Mannes, der trotz seiner auf-
fordernden Frontalität den Blick zum
Betrachter gesenkt hält. Heinz Mackowitz
beschreibt 1970 ausführlich Walcheggers
Ausdrucksformel: „In seinem Suchen nach
neuen Formen und gesteigerten Aussagen –
er achtet aber bei dieser Suche auf Disziplin
und Konzentration und vermeidet jede
chaotische Emphase – erreicht er die Fähig-
keit, Hintergründiges durch den Symbolge-
halt der Farbe spürbar werden zu lassen.“
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Florian Matzner zensuriert wenig
schmeichelhaft die in den späten Nach-
kriegsjahren einsetzende prosperierende
Bautätigkeit in Mitteleuropa. „Nach der
Euphorie der Aufbaujahre in den 50er- und
60er-Jahren, in der auch die
Kunst am Bau
Hochkonjunktur hatte, war zu Beginn der
70er-Jahre deutlich geworden, wie nieder-
schmetternd in der Regel die Ergebnisse
dieser Bemühungen waren: weder interes-
sant für die Kunst, … noch ein besonders
visuelles Vergnügen für die kunstinteres-
sierte Öffentlichkeit.“
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Auch Hans Waschgler setzt 1975 ein her-
bes Urteil, wenn er anführt, dass mit Aus-
nahme Franz Walcheggers Arbeiten neuere
„Fresken an Außenmauern, insbesondere
an Privathäusern in Osttirol selten sind und
das Vorhandene wohl als unbedeutend zu
bezeichnen ist.“
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Die Auftragslage zur
künstlerischen Ausstattung diverser Gebäu-
deanlagen war gerade für Franz Walcheg-
ger respektabel, in Lienz unvollständig her-
vorzuheben sind u. a. die Fresken für zwei
Häuser in der Wolkensteinerstraße, die
1939 gemalt und 1946 überarbeitet wur-
den, 1953 das Erkerfresko „Görzer Graf
und Minnesänger Heinrich“ am Johannes-
platz, 1955 das Fresko für die Grabstätte
Alliani am Lienzer Friedhof, 1956 „Das
Leben“ amWohnhaus des Künstlers in der
Alleestraße 12, 1958 das Wandgemälde im
Eingangsbereich der Handelsschule, 1959
das Wandgemälde „Lehrer und Schüler“ an
der Berufsschule, das Fresko mit einer his-
torischen Kaufmannsszene am Haus Hans-
von-Graben-Gasse 2 und 1962 „Skifahrer
und Rastende“ an der Bergstation der
Zettersfeldbahn.
Zahlreiche öffentliche Auftragsarbeiten,
nicht nur im Zusammenhang mit den bau-
lichen Erweiterungsphasen, gingen an den
aus Obermauern stammenden Bildhauer
Gottfried Fuetsch (1909-1989). Nach den
Anfängen in der Landes-Holzschnitz-
schule in St. Jakob i. D. bei Bruno Costa
und dem Besuch der Staatsgewerbeschule
in Innsbruck bei Hans Pontiller übersie-
delte Fuetsch 1936 an die Akademie der
Bildenden Künste in München, wo er bei
Hermann Hahn, Josef Thorak und Joseph
Wackerle ausgebildet wurde. Den Ab-
Oswald Kollreider: Musizierendes Trio,
Flächensgraffito von 1956 am Haus Ster-
zinger Weg 1.
Franz Walchegger: Die Lebensalter, Fresko
von 1957 am Haus Sterzinger Weg 9, dem
Jahr der feierlichen Einweihung der Wohn-
anlage.