Seite 6 - H_2008_06-07

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wenigen hat sich die Rostockerhütte ihr ur-
sprüngliches Erscheinungsbild weitge-
hend bewahren können, da hier die Er-
weiterung (1961 bis 1966) in Form eines
eigenen Neubaues, der angrenzenden
Essenerhütte, erfolgte. Die originale Stube
ist oft noch (zumindest teilweise) erhalten
mit einfachem Holzgetäfel, Einrichtung
und Kachelofen. In den späteren Zubauten
sind meist die Sanitärräume untergebracht,
manchmal auch eine erweiterte Küche
bzw. eine zweite Gaststube. Vielerorts er-
folgte ein Terrassenzubau an der sonnigen,
windgeschützten Seite, eine Einrichtung,
die die Verschiebung des Schwerpunktes
der Unterkunft vom Alpinismus (Stütz-
punkt zum Gipfelgang) zum Tourismus
(Tagesgäste, Hüttenwanderer) widerspie-
gelt. Beim Neubau bzw. der Erweiterung
von Hütten wird angestrebt, mit den Mit-
teln der modernsten Technik ökologische
Normen zu erfüllen (Sanierung der Lien-
zerhütte, Neubau der Stüdlhütte).
Die Bewirtschaftung der Hütten erfolgte
einst über schmale Steige mittels Muli
oder der Hüttenwirt (oder ein Träger)
schleppte die Versorgung und Brennholz
rucksackweise bzw. mittels Kraxe mühe-
voll auf den Berg
12
. Heute sind sie fast
überall durch Güterwege und (bzw.) Mate-
rialseilbahnen erschlossen, in manchen
Fällen benötigt man für die Versorgung
den Hubschrauber.
Eine rein private Nutzung hatte ur-
sprünglich das Anna Schutzhaus (heute
ÖTK), das 1882 als Sommersitz des Ost-
tiroler Malers Franz von Defregger, der an
der Münchner Akademie lehrte, errichtet
wurde. Die kleine Almhütte wurde einige
Jahre später vom Touristenklub übernom-
men, erweitert und nach der Frau des
Künstlers benannt.
Eine eigene Kategorie bilden die Tau-
ernhäuser. Schon in frühgeschichtlicher
Zeit wurden die Pässe über den Felber-
bzw. den Kalser Tauern begangen
13
, um
Waren ins Salzburgische und weiter nach
Norden (und umgekehrt) zu transportieren.
Die ursprüngliche Nutzung dieser Häuser
ist vor allem im Zusammenhang mit die-
sen alten Handelswegen (Vorgänger die
Hospize, vgl. oben) zu sehen. Nicht selten
war die mühevolle Überschreitung ein ge-
fährliches, bei plötzlichen Wetterstürzen
oft tödliches Unterfangen. Als interessan-
tes Detail im Bezug auf das Kunstschaffen
Osttirols sei hier erwähnt, dass der für den
Altarbau der Matreier Pfarrkirche herange-
zogene Petrus Schmid aus Mittersill sein
Werk nicht vollenden konnte, da er beim
Übergang über den Felbertauern verun-
glückte
14
. Die Tauernhäuser waren auch für
die Erhaltung bzw. Instandsetzung des
Passweges verantwortlich. Traditionell
sind die Herbergen von Kapellen begleitet.
Da sie schon erheblich früher als die
Schutzhütten auf die Versorgung einer grö-
ßeren Anzahl von Menschen eingerichtet
waren, boten sie einige Annehmlichkeiten
wie große Stuben und ausreichende Lager-
plätze. Das Matreier Tauernhaus (Felber-
tauern) wird bereits 1448 in Quellen er-
wähnt
15
, das Kalser Tauernhaus im Dorfer-
tal wurde 1928 bis 1930 errichtet.
Aus kulturhistorischer Sicht wäre es
wünschenswert, die noch bestehenden
OSTTIROLER
NUMMER 6-7/2008
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HEIMATBLÄTTER
Die neue Reichenbergerhütte heute.
Foto: A. Ascherl
Gegenwärtiger Zustand der Rostockerhütte.
Foto: B. Ascherl
Die Rostockerhütte in einer Aufnahme von ca. 1910 (Postkarte).