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den Landtag in Klagenfurt die mittelforma-
tige Plastik „Transparenz des Seins“. Eine
„Auferstehungsgruppe“ für die Außen-
fassade der Auferstehungskirche Rottach-
Egern am Tegernsee, die in den 1950er-Jah-
ren von dem norwegischen Architekten Olaf
Andreas Gulbransson erbaut wurde, zählt zu
den aktuellen, noch in der Ausarbeitungs-
phase befindenden Projekten des Bild-
hauers. Eine weitere Plastik im sakralen
Raum – ein Tabernakel mit der symbolisier-
ten Darstellung der vier Elemente – findet
man in der zwischen 1998 und 2001 archi-
tektonisch und künstlerisch neugestalteten
Kapelle im Haupttrakt des Bezirkskranken-
hauses in Lienz. Auf Initiative des Ideen-
forums Osttirol wurde im Frühling 2008
erstmals, demVereinsziel entsprechend, der
„Sämann-Preis“ für außerordentliches Enga-
gement für Osttirol ausgesprochen und ver-
liehen, dessen gegenständliche Ausführung
wurde an Leonard Lorenz herangetragen.
Der Doppelfigur Sämann und Teufel von
Albin Egger-Lienz (sie gilt als das Logo des
Vereins) entgegnet Lorenz im Grunde ge-
nommen mit einer diametralen Aussage-
formel zur ursprünglichen religiösen Auf-
fassung von Mensch und Teufel mit der Dar-
stellung eines einzigen Säenden mit leerem
Sack – wir sind es selbst, die Verantwortung
übernehmen sollen,
„Inneres und Äußeres,
Leere und Form bedingen sich und wir soll-
ten aus dem Geistigen säen – ohne Ego-
zentrik und Egoismus ...“
Beschäftigt man sich mit den Arbeiten des
Plastikers, dann erkennt man auch seine
Tendenz, mehrere Ebenen in seinen Motiven
„anzusprechen". Worauf ruht eine Plastik?
Sockel, Podest und Form – wie entscheidend
ist deren Miteinbeziehen in die Frage der
Interpretation?
Plastik und Bildwerk als
korrespondierende Äußerungen
Das Wechselspiel der Ebenen im hapti-
schen Bereich verleitet dazu, seine Bild-
werke in ihrer Zweidimensionalität als be-
gleitende Artikulation einzuordnen. Dezi-
diert malt Leonard Lorenz seit 1996 – eine
Erkrankung ermöglichte es ihm für längere
Zeit nicht, dreidimensional zu sehen. Natür-
lich entstanden schon davor zeichnerische
und malerische Vorlagen in Vorbereitung auf
seine Skulpturen. Aber, die aus den Umstän-
den heraus fortgeschrittene Eigenständigkeit
der Bildwerke korrespondiert nun als
ebenso inhaltsweisende Komponente mit der
Plastik. Die Linearität der Skulptur wird
offensichtlich nicht den kubistisch linearen
Chiffren der Malerei vorangestellt! Der
Chefredakteur der Zeitschrift „Arte e Fede“,
Dante Faciolo, schrieb 2004 im Zusammen-
hang mit Lorenz‘ Ausstellung in der „Galle-
ria La Pigna“ in Rom, in der er Dante Alig-
hieris „Göttliche Komödie“ als Maler und
Bildhauer thematisierte: „Und Lorenz ist
Dichter, er ist leuchtendes Beispiel eines
Dichters, das heißt, er ist fähig, den Men-
schen über alte Formen der Kommunikation
moderne Erwartungen und unabdingbare
Ziele zu vermitteln.
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“ Für Lorenz selbst ent-
spricht der Zyklus um Dantes Jenseitsreise,
sein Inferno, Purgatorio und dem Paradiso
einem Zustand und der Möglichkeit des
Menschen, die eigene Welt auszuloten.
„Dieses Eindringen in die eigene Tiefe ist
notwendig, um eine innere und damit auch
äußere Erstarrung zu vermeiden und einen
tatsächlichen Dialog mit der Außenwelt zu
beginnen (...).
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In einer Reihe von Ausstellungen vereint
er schließlich seinen konzeptiven Hinter-
grund. 2002 in der niederländischen Galerie
„Groll Naarden“, 2005 an der Hochschule
für Musik in München, 2006 im „Malura
Museum“ in Oberdießen, im Frühling 2008
in der „Kunsthalle Hosp“ in Nassereith und
schließlich im Herbst 2008 bei den vom
Künstler initiierten Kulturwochen im „Art-
forum Lorenz“ und in der RLB in Lienz.
Als spannende Auseinandersetzung mit
naturwissenschaftlichen Errungenschaften
gestaltet sich ein besonderer Auftrag, der als
Ehrerweisung im Dezember 2008 einem
deutschen Nobelpreisträger verliehen wer-
den soll. Nun, ein schlussendliches Resü-
mee nach der Auseinandersetzung mit der
Arbeit von Leonard Lorenz lässt einen
Erzähler erahnen, dessen Bedürfnis nach
nicht selbstverständlicher Mitteilung in der
Darstellung auch als Akt der Befreiung der
persönlichen Wertigkeiten zu verstehen ist –
als Innen- und Außenschau eben.
Anmerkungen:
1 Wassily Kandinsky, Über das Geistige in der Kunst,
Bern 2006, Seite 73.
2 Lorenz, Skulpturen, Ausstellungskatalog, München o. J.,
Rückumschlag Innenseite.
3 Die kursiv gehaltenen Passagen beziehen sich auf Ge-
spräche von Leonard Lorenz mit der Autorin im Som-
mer 2008.
4 Rudolf Arnheim, Das Verlangen nach Struktur, in:
Entropie und Kunst, Neuauflage, Köln 1996, Seite 79.
5 Vgl. Joseph Maria Bochenski (1902 bis 1995), Wege
zum philosophischen Denken, 1959.
6 Vgl. William Tucker und Tim Scott, Reflections on
Sculpture, in: Ausst.kat. Tim Scott: Sculpture 1961-67,
London 1967, o. S.
7 Vgl. dazu: Osttiroler Bote, 25. Jg., Nr. 50, 10. Dezem-
ber 1970, Seite 42.
8 Franz Kafka, Vor dem Gesetz (genannt „Türhüter-Para-
bel“), aus dem Romanfragment „Der Process“, ver-
öffentlicht 1915.
9 Uwe Lewitzky, Kunst für alle?, Bielefeld 2005, Seite 85.
10 Vgl. dazu: Osttiroler Bote, 47. Jg., Nr. 33, 13. August
1992, Seite 17.
11 Korrespondenz Dante Faciolo mit Leonard Lorenz,
2004.
12 Korrespondenz mit der Autorin im Feber 2006.
Wenn nicht anders angeführt, Fotos
Eleonora Bliem-Scolari.
OSTTIROLER
NUMMER 9/2008
4
HEIMATBLÄTTER
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzi-
nini. Für den Inhalt der Beiträge sind die Au-
toren verantwortlich.
Anschrift der Autorin dieser Nummer:
Mag. phil. Eleonora Bliem-Scolari, A-6020
Innsbruck, Dr.-Stumpf-Straße 45a; E-Mail:
el.bliem-scolari@gmx.at.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion
des „Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad
Pizzinini, A-6176 Völs, Albertistraße 2 a.
Seit 1996 zählt die Malerei als weite-
res prominentes Ausdrucksmittel bei
Lorenz. 2008: Führung II, Öl auf Leinen
(100 x 80 cm).
Überbrückung. Eine Komposition aus
Figur (Bronze, 176 x 180 x 30 cm) und
Bild (Öl auf Leinen, 220 x 180 cm) aus
dem Jahr 2002.