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NUMMER 11-12/2008
76. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Eine Renaissance
Düster prophezeiten einige Volkskundler
lange Zeit die Zukunft der von ihnen
ebenso romantisch bewunderten wie akri-
bisch beschriebenen Maskenbräuche. Tat-
sächlich schien es zur Mitte des 20. Jh. so,
als ob sie nur noch die letzten Ausläufer
einer einst bunten, vielfältigen und lebens-
frohen Tradition bestaunen und dokumen-
tieren konnten. Zu viele Bräuche waren
bereits verblüht und nur mehr – wenn
überhaupt – durch die Berichte einiger
Literaten oder durch den rettenden
Erwerb materieller Relikte durch Museen
erschließbar geworden. Wohl kaum einer
dieser bienenfleißigen Wissenschaftler
hätte es sich deshalb träumen lassen, dass
sich in der Gegenwart viele der fast oder
ganz verwelkten Bräuche wieder neu ent-
falten und neuen Blüten hervorbringen
würden. Niedergang und Renaissance
von Bräuchen ist auch und insbesondere in
Osttirol zu beobachten. Vor zehn Jahren
beklagte man in Patriarsdorf noch, dass
jedes Jahr weniger Kinder beim Krapfen-
schnappen zu sehen wären. In der Tat war
dieser außergewöhnliche Brauch in eini-
gen Nachbarorten bereits verschwunden.
Genau deshalb formierten sich in Dölsach
rund um Eduard Moser und anderen Orten
einige Engagierte, um dem Krapfen-
schnaggeln und -schnappen neues Leben
einzuhauchen. Ähnlich engagiert regte
der rührige Chronist von Thurn, Raimund
Mußhauser an, das einstige Nikolausspiel
2005 wieder aufzuführen. Auch das
„Saurergien“, ein Brauch der auch für
Oberdrum belegt ist und in Kals in etwas
geänderter Form als „Gratt-“ oder „Faulig-
keits-Ziechn“ bekannt war, war 2008 in
Thurn erstmals wieder zu bestaunen. Einst
mag dieser Brauch wohl in verschiedenen
Varianten im ganzen Bezirk beheimatet
gewesen sein. Denn der frühere Brauchter-
min, der Festtag des hl. Georg, der vor der
Liturgiereform am 24. April gefeiert
wurde, brachte einst für Knechte und
Mägde, Hirten, Sennen und Dienstboten
das (mit Bräuchen) gefeierte Ende ihrer
Dienstverpflichtung.
Karl C. Berger
Wie ein Tag ohne Sonne
Eine volkskundliche Spurensuche nach Perchtenbräuchen in Osttirol
Schönperchtenpaar auf dem Herbstfest in Nußdorf.
Foto: M. Ortner, 2008