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OSTTIROLER
NUMMER 11-12/2008
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HEIMATBLÄTTER
Als (vorläufig) letztes Glied in dieser
Reihe sind die einst populären Perchten-
bräuche anzuführen. Nachdem sich Frau
Percht jahrzehntelang in Osttirol verbor-
gen hielt, zeigte sich 2008 im Zuge des
Nußdorfer Herbstfestes ein Perchtenpaar
den staunenden Zusehern. Trotz Maske
schritt die begeisterte Initiatorin und
Schönperchte Traudl Oberbichler sichtlich
stolz durch die Marktgemeinde, knüpfte
sie doch an ein im 17. Jh. erstmals beleg-
tes Phänomen an. Drei Jahre lang hatten
ihre Vorbereitungen gedauert. Der Trach-
tenschneiderin Marianna Oberdorfer oblag
es, nach historischen Vorbildern das Kos-
tüm zu schneidern, Renate Karner und
Schustermeister Unterassinger halfen, das
Perchtenpärchen ungekünstelt wirken zu
lassen. Zumindest für diesen Tag schien es,
als ob Domina Percht ihre alte, heraus-
ragende Stellung innerhalb der Osttiroler
Brauchlandschaft wieder einnehmen
könnte, schrieb doch 1837 der damalige
Kaplan von Oberlienz Josef Plazoller:
„Tief eingewurzelt, wie eine zweite
Natur, ist die Vorliebe zur Perchtl (...)
Die Weihnachtszeit ohne Perchtl ist ihnen
wie ein Tag ohne Sonne.“
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Frau Percht
Diese Worte des Kaplans sind freilich
durch die idealisierten Ideen der Spät-
romantik gefärbt. Er erlebte die Perchten-
bräuche, als sie bereits ihrem Niedergang
entgegen blickten. Gerade deshalb ist aber
seine Anspielung auf die Sonne bemer-
kenswert, verbirgt sich doch schon im
Namen der Frau Percht das Bedürfnis des
Menschen nach Licht. Als im 11. Jh. in
den Mondseer Glossen „giperehtennaht“
niedergeschrieben wurde, meinte man
damit nämlich noch nicht das, was später
als Perchtennacht bezeichnet wurde. Diese
frühen Zeugnisse weisen stets auf den Vor-
abend des 6. Jänners hin, sind also Termin-
angaben. 1374 erklärt beispielsweise das
Brixner Weistum, dass „ze perchtnächten“
eine der drei „täding“, also (Gerichts-) Ver-
sammlungen stattzufinden habe.
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Der 6.
Jänner aber war der Festtag Epiphania Do-
mini. An Epiphanie feiert die Kirche das
glanzvolle Fest der „Erscheinung des Her-
ren“. Dieser Tag stand einerseits mit dem
Weihnachtsfest, andererseits mit der Taufe
Jesu in Verbindung. Für beide Feste sah
das kirchliche Ritual Lichter als äußer-
liches Zeichen vor, was sich auch in der
deutschen Bezeichnung des Vorabends
wiederfindet: „perahta“ bedeutet so viel
wie leuchten oder glänzen.
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Dieses Licht-
fest war christlich bestimmt, hatte aber
auch profane Dimensionen, denn das
Bedürfnis nach Licht scheint vor allem in
der spätmittelalterlichen Welt besonders
groß gewesen zu sein. Damals wohnte der
Mensch imWinter über in dunklen, kalten
Häusern. Um den Wärmeverlust gering
zu halten, waren die Räume niedrig, die
Fensteröffnungen sehr klein gehalten.
Glas war unerschwinglich, und so wurden
die Fenster im Winter, damit die lebens-
notwendige Wärme nicht so schnell ver-
loren geht, durch Holzschieber oder
durch Stroh geschlossen. Man vegetierte
über den Winter in stetiger Dunkelheit,
die dadurch noch verstärkt wurde, da der
Rauch nicht durch einen Kamin – dieser
wurde bei uns erst seit etwa 1650 populär
– sondern durch den Hausgang abzog.
Diese numinose Umgebung bildete den
fruchtbaren Nährboden für jene Gestalt,
die für Helligkeit und Licht stand. Als
solche tritt Frau Percht im 13. Jh. erstmals
urkundlich in Erscheinung. Sie findet ihr
Ebenbild in der allegorischen Gestalt
„Luxuria“, in der italienischen „Befana“
oder in den Lutzln, die heute beispielsweise
im burgenländischen Oberwart durch die
Gassen ziehen. In Tirol wurde das Elms-
feuer – eine durch eine elektrische Ladung
hervorgerufenes natürliches Lichtphäno-
men – einst Perchtenfeuer genannt.
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Die aus einer christlichen Prägung her-
aus entstandene Gestalt Frau Percht dachte
man sich als sehr zwiespältige, strenge,
aber gerechte Gestalt, die sowohl erbar-
mungslos als auch milde sein konnte. In
den Erzählungen erscheint sie alleine oder
als Anführerin einer dämonischen Schar,
die aus ungetauft gestorbener Kindern
besteht. Manchmal folgte ihr die „Wilde
Jagd“, eine ebenfalls aus unerlösten Seelen
bestehende Gruppe. Für ihren bemit-
leidenswerten Tross legte die Bevölkerung
deshalb Milch, Krapfen oder Brot als
Stärkung und Wegzehrung vor die Türe
oder ließ die Essensreste auf dem Tisch
liegen. Beide Motive spielten auch beim
Umzugsbrauch eine wesentliche Rolle,
denn die Spende an Frau Percht und ihre
Kinder wurde später von den Maskierten
stellvertretend angenommen. In ähnlicher
Weise heischen die Krapfenschnapper in
Vertretung der Armen Seelen, so rufen
die Kinder: „Vergelt‘s Gott für die Armen
Seelen!“
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„…und etleich glauben an die fraun, die do heisset Percht mit der eysnern nas…“
(H. Vintler, 1411)
Krapfenschnapper in Patriasdorf.
Foto: Karl Berger, 1999