Seite 1 - H_2009_1-2

Basic HTML-Version

NUMMER 1-2/2009
77. JAHRGANG
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Es scheint in der Natur des Menschen
zu liegen, sich bildender Kunst nicht un-
beirrt und vorbehaltlos thematisch
nähern zu wollen, sondern eine persön-
liche Wertentscheidung beinahe im
gleichen Verhältnis mit den äußeren
Rahmenbedingungen in Beziehung zu
bringen.Wie oft beurteilen wir den Posi-
tionsgrad eines Kunstschaffenden nach
dessen Frequenz im dotationsorientier-
ten Kunstbetrieb bzw. dessen szenisches
Auftreten im Gleichklang ebenso szeni-
scher Vorlagen? Es wäre zu banal zu
behaupten, dass Vergangenes in der
Gegenwart immer korrekter beurteilt
wird, um gleichzeitig für Zukünftiges
den endlich passenden Rahmen zu
schaffen – wir können durchaus bereit
sein, Kunstwerke aus dem bildnerischen
Genre genauso wie aus dem literarischen
oder dem musischen, in ihrer Eigenstän-
digkeit zu akzeptieren und dieses unab-
dingbare Bedürfnis nach kausalen Ver-
knüpfungen etwas hintanzustellen!Wird
kreatives Kunstwollen erst durch eine
vonAußenstehenden stringent eingefor-
derte „Linientreue“ belohnt, provoziert
man damit im Grunde genommen An-
passung, Gefälligkeit und schließlich
Verfälschung im Mainstream-Konzept.
Der Bildhauer Henry Moore (1898-
1986) vertritt 1952 in einemAufsatz die
nicht uninteressante Auffassung, dass
„die Verschiedenheit der Käufer und
Auftraggeber von den modernen
Künstlern eine Anpassungsfähigkeit
und Beweglichkeit erfordert, die vom
Künstler in einer einheitlichen Gesell-
schaft nicht verlangt wurde ...“
1
Kann
ein Künstler authentischer bleiben,
wenn er sich nicht jeweiligen gängigen
„Dukti“ unterwirft und auf sein Recht
auf Formulierungsfreiheit pocht?
Eine Begegnung mit den Werken des
vor zwanzig Jahren verstorbenen Tiroler
Bildhauers Gottfried Fuetsch irritiert
weniger durch das ausgesprochen um-
fangreiche und durch stilistische Konti-
nuität geformte Gesamtwerk, als viel
mehr durch die ambivalente bis diskre-
pante Beurteilung seiner Arbeit in zeit-
gleichen Reflexionen. Gerade mit dem
Zitat eines Rezensenten aus dem Jahr
1965 gelingt eine Einleitung auf das
Leben eines Bildhauers, dessen bevor-
zugte Zurückgezogenheit Räume zuließ
und eröffnete, die im näheren Kunstge-
schehen oft mit missverständlichen
Eleonora Bliem-Scolari
Gottfried Fuetsch (1909-1989)
Ein Formgeber im steten Diskurs zwischen Tradition und Abstrahierung
Gottfried Fuetsch im Alter von 60 Jah-
ren – 2009 jähren sich sein 100. Geburts-
tag und sein 20. Todestag.
„Der
Flöten-
spieler“
für die
Grün-
anlage
im
Bereich
Simon-
von-
Taisten-
Weg in
der
Frieden-
siedlung
in Lienz
aus dem
Jahr
1968,
Kras-
taler
Marmor,
H ca.
100 cm.